"Wegfahren? Das war ein bisschen blöd!"
Rentner kommt nach Unfallflucht glimpflich davon – aber ohne Führerschein
Symbolfoto: pixabay
08.08.2024 / HÜNFELD -
Wie bringt man Mama und Papa bei, dass es vielleicht besser wäre, den Führerschein abzugeben und nicht mehr Auto zu fahren? Eine Möglichkeit wäre vielleicht, ihnen diesen Bericht einer Verhandlung vor dem Hünfelder Amtsgericht dezent unterzujubeln. Dort kam ein 77-Jähriger nach zwei Fällen von Unfallflucht glimpflich davon – weil er sich bereiterklärte, auf seinen Führerschein dauerhaft zu verzichten.
Ganz so spontan war das zwar freilich nicht, weil der Verteidiger des Burghauners, Dr. Kurt Peter Müller-Engelmann aus Hünfeld, in einer Sitzungsunterbrechung tüchtig nachhelfen musste. Das tat er letztendlich erfolgreich, denn nach Zustimmung aller Prozessparteien war nach Paragraf 153 Absatz 2 der Strafprozessordnung kein Urteilsspruch mehr notwendig: Das Verfahren wird eingestellt; der Angeklagte bleibt nur auf den Auslagen sitzen, wovon die Anwaltskosten den Löwenanteil ausmachen dürften.
Unfall auf der B27
In der Anklage wurde dem 77-Jährigen vorgeworfen, dass er am Abend des 7. Dezember die notwendige Sorgfalt außer Acht ließ, ohne Licht und mit zugefrorenen Scheiben auf der Bundesstraße in Höhe Burghaun unterwegs war, eine Verkehrsinsel überfuhr und auf der Gegenfahrbahn mit dem Auto einer Bad Hersfelderin kollidierte.Der Burghauner räumte den Vorfall ein. Er sei "zu schnell losgefahren, ohne die Scheibe freizumachen. Das Licht habe ich erst später angemacht. Das war ein bisschen blöd, dass ich dann weggefahren bin, aber ich war aufgeregt", erklärte der Rentner.
"Verwirrter Eindruck"
Die Richterin zitierte aus der Akte: Die Polizei habe einen "verwirrten Eindruck" zu Protokoll genommen. Außerdem berichtete sie, dass ein weiteres Verfahren wegen Unfallflucht anhängig sei, wenngleich das in diesem Verfahren keine Rolle spiele.Das beeindruckte Amtsanwalt Michael Craß als Vertreter der Staatsanwaltschaft und das Gericht wenig. Beide machten unmissverständlich klar, dass am Strafmaß nicht gerüttelt werde, und dass ja obendrein noch das zweite Verfahren ausstehe. Craß sagte zweimal, dass er den Angeklagten "aus dem Straßenverkehr entfernt wissen will". Ansonsten "habe ich ganz große Bauchschmerzen".
Wann Senioren besser nicht mehr fahren
Stattdessen wurde eine Einstellung des Verfahrens in Aussicht gestellt, sofern der 77-Jährige auf seine Fahrerlaubnis verzichtet. Dann sähe es sogar für das andere Verfahren gut aus, versprach Craß. Verteidiger Müller-Engelmann erkannte die Gunst der Stunde, schwenkte flugs um und bat um eine Unterbrechung, während der er seinen Mandanten auf dem Flur ins Gebet nahm – erfolgreich.Während der kurzen Pause entbrannte im Saal ein Gespräch übers Älterwerden und dem damit einhergehenden Verlust der Fahrtüchtigkeit – zu dem die meisten Anwesenden etwas aus dem familiären Umfeld beizutragen wussten. Ein Patentrezept, wann Senioren besser nicht mehr fahren, und wie man ihnen das beibringt, hatte jedoch niemand. Offensichtlich muss etwas passieren, bis das Druckmittel größer als der seniorale Bedarf am mobilen Untersatz ist. (Mediennetzwerk Hessen) +++
Symbolfoto: pixabay