"Ich sehe die Not in der Rhön"
"Es reicht": Landrat Bernd Woide fordert Änderung im Schutzstatus für den Wolf
Fotomontage: Hendrik Urbin / Pexels
03.08.2024 / FULDA -
Der Wolf: Ist es der große Böse, den wir von klein auf aus dem Märchen kennen und fürchten lernen, oder wird manchmal einfach extra Panik geschoben? Zweifellos gibt es zahlreiche Anhänger bei beiden Meinungslagern. Doch wie auch immer die Antwort aussehen mag - die Realität ist: Die Emotionen kochen in der Rhön über. Mittendrin: die Weidetierhalter und ihre Sorgen. Es muss eine Lösung her - davon ist Landrat Bernd Woide (CDU) aus dem Landkreis Fulda überzeugt. "Ich nehme die Ohnmacht und die Hilflosigkeit wahr und ich nehme sie ernst. Denn es besteht die Gefahr, dass wir die Weidetierhalter verlieren und damit zwangsläufig den einzigartigen Charakter der Rhön verändern."
Truppenübungsplatz in Wildflecken "eine sprudelnde Wolfsquelle"
Und die sieht wie folgt aus: Der Wolf galt in Deutschland seit Anfang des 20. Jahrhunderts als ausgerottet. Eine Änderung dieser Tatsache wurde gewünscht. Das Resultat: Laut geltendem EU-Naturschutzrecht ist der Wolf geschützt, was nicht für einen Wolfshybriden gilt. "Inzwischen sehen wir aber im ländlichen Raum Deutschlands, dass es immer mehr Wölfe gibt. Auf dem Truppenübungsplatz in Wildflecken wurde ein Rudel nachgewiesen und hat dort auch gute Fortpflanzungsbedingungen. Somit haben wir in der Rhön eine permanente, sprudelnde 'Wolfsquelle'. Das Abwandern von jungen Wölfen ist dabei unvermeidbar. Das schafft ganz besonders in der Rhön Probleme für die Weidewirtschaft, die Freizeitgestaltung und den Tourismus", betont der Landrat.
Landwirtschaft der Rhön ist "auf Gedeih und Verderb" auf Weidetierhalter angewiesen
"Die Struktur der Rhöner Landschaft ist durch das offene Bergland geprägt. Dieser einzigartige Charakter kann nur durch die Beweidung mit Schafen, Ziegen und Rindern erhalten werden. Denn nur durch die Bewirtschaftung entsteht die Artenvielfalt. Darauf hat ja gerade auch das LIFE-Projekt 'Rhöner Bergwiesen' den Fokus gelegt, das mit rund sieben Millionen Euro gefördert wurde. Ohne Beweidung würden die artenreichen Rhöner Wiesen nach und nach zu Wald werden. Das bedeutet: Um die Rhöner Kulturlandschaft zu erhalten, sind wir auf 'Gedeih und Verderb' auf die Weidetierhaltung angewiesen. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu anderen ländlichen Regionen, in denen zum Beispiel überwiegend Ackerbau betrieben wird", erklärt Woide gegenüber O|N und stellt klar: "Jetzt sagen uns viele Weidetierhalter: 'Wenn das mit dem Wolf so weitergeht, dann könnt ihr weitermachen - aber ohne uns!' Den Wolf gilt es zu schützen, schön und gut. Aber wenn das dazu führt, dass die Weidetierhalter abspringen, dann ist es der falsche Weg. Es kann nicht sein, dass wir nichts machen können, nur weil der Wolf unter Naturschutz steht. Das ist grundlegend falsch - eine Lösung muss her."
Woide bereit erneut Entnahmeantrag zu stellen
Allerdings müsse man sich von Extremforderungen trennen: "Auf der einen Seite stehen die, die den Wolf in Deutschland komplett ausrotten wollen, und auf der anderen Seite, die, die jeden einzelnen Wolf schützen wollen. Das wird nie klappen, und darum soll es auch nicht gehen. Beide Seiten müssen abrüsten", fordert Woide. "Der Landkreis ist bereit, so wie auch bereits im Herbst letzten Jahres, einen Entnahmeantrag für einzelne Wölfe nach Naturschutzrecht zu stellen. In diesem Zusammenhang wird aber immer die Forderung nach Herdenschutzmaßnahmen laut – zum Beispiel nach Herdenschutzzäunen und Herdenschutzhunden. Beides ist zwar theoretisch möglich, aber faktisch nicht umsetzbar: Steinige Weiden in der Rhön einzuzäunen, ist teilweise gar nicht machbar, und Hunde differenzieren nicht zwischen Jogger, Wanderer und Wolf."
Appell an Bürger: Wolfsbegegnungen müssen offiziell gemeldet werden
Der Landrat möchte letztendlich keinen Populismus oder Aktionismus - sondern Fakten. Daher appelliert er an die Bürgerinnen und Bürger: "Wolfsbegegnungen müssen offiziell gemeldet werden. Es muss dokumentiert werden, wann, wo und wer etwas gesehen hat - und zwar über den Landkreis, über die Gemeinden, oder das Wolfszentrum Hessen", betont der Kreis-Chef. Doch damit die Meldungen auch Konsequenzen haben, dürfe das nicht die einzige Änderung sein, ergänzt Woide und unterstützt eine Forderung an Bundesministerin Lemke: "Entscheidend ist, dass die EU und der Bund den Schutzstatus des Wolfes verringern. Der Wolf ist in seiner Art bundesweit nicht mehr bedroht, der Bestand wächst stetig." Damit schließt sich Woide seinem Landrats-Kollegen Thomas Habermann (Rhön-Grabfeld) an, der am Donnerstag in einer Pressemeldung verlautete: "Unsere zentrale Forderung ist, den Schutzstatus des Wolfes so zu ändern, dass eine anlassunabhängige Bestandsregulierung und damit ein wirksamer Schutz der Weidetierhaltung ermöglicht wird."Im Herbst 2023 hatte der Landkreis Fulda bereits einen entsprechenden Antrag gestellt, der vom RP Kassel genehmigt wurde. Die Genehmigung wurde jedoch auf Antrag eines Naturschutzverbands von den Verwaltungsgerichten außer Vollzug gesetzt. "Es ist wichtig, dass wir diese Entscheidungen hier vor Ort treffen können – denn wir sind mit den betroffenen Weidetierhaltern im Kontakt." Der Landrat unterstützt deshalb die Forderung der Hessischen Landesregierung, den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen.
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