Gemeinsamer Vortragsabend

"China first" - so will China Amerikas Einfluss eindämmen

1. Ein gut besuchter Veranstaltungssaal im Bonifatiushaus sprach für die Aktualität des GSP-Vortrags von Dr. Bernd Basting. 2. Die werte- und regelbasierte bisherige weltweite Ordnung kommt laut Dr. Bernd Basting zunehmend unter Druck:
Fotos: Gisbert Hluchnik

30.07.2024 / FULDA - Für den vorausschauenden amerikanischen Marine-Strategen Alfred Mayer Mahan (1840 – 1914) galt der Indische Ozean schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts als "Einfallstor zu den sieben Meeren." Analog zu seiner Einschätzung ist der indopazifische Raum für die USA "politisch, ökonomisch und militärisch" immer wichtiger geworden. "Europa dagegen immer unwichtiger". Das bekräftigte Asien-Experte Dr. Bernd Basting während eines gemeinsamen Akademieabends der Katholischen Akademie des Bistums Fulda sowie der Fuldaer Sektion der Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP) im Bonifatiushaus.



Amerika verstehe sich seit US-Präsident Obama als "pazifischer Staat", der mit Argusaugen den offensiven Kurs der chinesischen Außenpolitik verfolgt. Angesichts dieser Entwicklung betreibe die USA einen konsequenten Kurs der "Eindämmung und Austragung machtpolitischer, ökonomischer und systemischer Konkurrenz mit China."

Sorge um Seewege

Worin das Konfliktpotenzial besteht, beantwortete der Referent unter anderem mit der Abhängigkeit Chinas von systemrelevanten Importen auf dem Seeweg. Enorm große Mengen an Nahrungsmitteln, an Energie und Rohstoffen müssen importiert werden. China treibe die Sorge um, dass die Lieferwege im Indo-Pazifik durch die USA blockiert werden könnten. Deshalb möchte die jetzige Pekinger Führung wieder an die große Vergangenheit des Landes als führende Seemacht zu Zeiten der Ming-Dynastie des 15. Jahrhunderts anknüpfen. Nach einer Phase des "unauffällig Bleibens" unter Deng Xiaoping betreibe China unter Präsident Xi inzwischen eine "Diplomatie als Großmacht".

Mit dem Projekt "Seidenstraße", an dem 70 Staaten beteiligt sind, wollten die Chinesen "ihre Weltmachtposition ausbauen." China verstehe sich als Gegenpol zu den USA, getreu dem Motto: "China first" …- "wir offerieren der Welt eine chinesische Lösung der Weltprobleme." China versuche deshalb, die USA im indopazifischen Raums zu verdrängen, zugleich die Reichweite seines staatlich gelenkten Wirtschaftssystems zu erhöhen.

Beeindruckende Militärausgaben und Zahlen untermauern, wie China sein machtpolitisches Ziel abzusichern sucht. Mit 232 Milliarden US-Dollar 2024 verfügt der asiatische Staat über das zweitgrößte Militärbudget der Welt. Das chinesische Heer hält über 1,2 Millionen Soldatinnen und Soldaten unter Waffen; 60 U-Boote stehen der Marine zur Verfügung. Darüber hinaus 317 Kriegsschiffe sowie sechs Flugzeugträger, die sich im Bau befinden. Ein besonderes Bedrohungspotenzial besteht in den 68 Interkontinental-Raketen des Landes, der Überschallrakete "Sternenhimmel" (Mach 6, also über 7.400 km schnell) sowie neuen Tarnkappenbombern. Nach Einschätzung Bastings wird daher die "Eindämmung Chinas die Hauptkonfliktlage sein".

Globale Supermacht

Indien sei die neue "globale Superacht des 21. Jahrhunderts." Eine Region, in der inzwischen die Hälfte der Weltbevölkerung lebt. Eine Region, "die uns nicht egal sein kann." Im Hinblick auf die Konfliktlage im indopazifischen Raum geht Basting davon aus, dass sich Indien "auf die Seite des Westens schlagen" wird. Auch wenn sich das Land im Sinne einer Äquidistanz (gleicher ideologischer Abstand) "nicht so sehr an einen Partner binden" wolle.

Denn schon mehrfach ist Indien von China entlang der 3.500 Kilometer langen gemeinsamen Grenze angegriffen worden. Seit 1998 zählt der inzwischen bevölkerungsreichste Staat der Welt zu den Nuklearmächten. Mit einem Militäretat in Höhe von 81 Milliarden US-Dollar in 2022 (geschätzt sogar doppelt so hoch, weil Mittel in den Etats anderer Ministerien veranschlagt werden) ist Indien nach den USA (2024: 886 Mrd.US-Dollar) und China (2024: 232 Mrd. US-Dollar) die Nummer drei in der Welt-Rangliste der Militärausgaben - noch vor Russland. Das Land verfüge über eine 1,35 Millionen Mann starke Armee, rund 3.500 Panzer, 2.000 Flugzeuge sowie nuklear bestückte U-Boote. Für die USA, aber auch für Deutschland und Frankreich sei Indien zum "wichtigen Partner" mit zukunftsträchtigen Branchen geworden, wie IT, Pharmazie, Nano-, Nuklear- und Raumfahrttechnik. Gleichzeitig sei der asiatische Staat ein "Entwicklungsland, das in verschiedenen Zeitaltern existiert."

Doch nicht nur China stellt eine Gefahr für Indien dar. Auch Pakistan, das Basting als einen "Terrorstaat bezeichnet, in dem der islamistische Terror aufblüht." Mehrfach habe Pakistan seinen "Nachbarn" angegriffen. Seit 1947 ist das Land eine islamische Republik, seit 1998 ebenfalls Atommacht. Erhebliches Geld aus China werde in die Infrastruktur des Landes investiert. Dafür erhalte die Volksrepublik U-Boot-Häfen auf pakistanischem Boden und kreise so seinen Gegner Indien mehr und mehr ein. Pakistan, so Bastings Prognose, "wird sich in den nächsten zehn Jahren zu einer chinesischen Kolonie entwickeln."

Während Russland in dieser indopazifischen Gemengelage der Mächte nicht einen der ganz großen Player spielt, warnen die USA in ihrem Strategiebericht zur nationalen Sicherheit dennoch davor, dass "China und Russland eine Welt gestalten wollen, die im Gegensatz zu den Werten und Interessen der USA steht."

Akademiedirektor Gunter Geiger und Fuldas GSP-Sektionsleiter Michael Schwab dankten dem Referenten für seine große Expertise sowie einen informationsreichen Abend. Während Geiger auf die hohe Aktualität des Akademieabends sowie das Programm aufmerksam machte, betonte Schwab, der Titel des Vortragsabends weise darauf hin, dass "es sich im Indo-Pazifik um eine Auseinandersetzung um Werte und eine regelbasierte Ordnung" handele. "Hier sehen wir den Bruch zwischen China und dem Westen ganz klar", zitierte Schwab Sharinee Jagtiani vom Hamburger Institut für "Global Studies and Areas". (GIGA).

Anschluss statt Eroberung

In der anschließend von Geiger moderierten Fragerunde erklärte Basting zur Taiwan-Frage, China müsse die als chinesisches Staatsgebiet angesehene Insel "nicht militärisch erobern", sondern könne abwarten, "bis Taiwan so abhängig geworden ist, dass es sich unter einer chinafreundlichen Regierung (dem Kernland) anschließt."

Eine neue bedeutende Rolle werde Japan im Indo-Pazifik spielen. Für über 800 Milliarden US-Dollar soll die Armee des asiatischen Staates in den nächsten zehn Jahren aufgerüstet werden, um die USA in ihrer Politik des Eindämmens Chinas zu unterstützen. (pm)+++

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