Kinder sind bis heute traumatisiert

Nach Schuss in Kirche: 54-Jähriger verurteilt

Der 54-Jährige wurde vor dem Fuldaer Landgericht verurteilt.
Fotos: Rene Kunze

28.07.2024 / FULDA - Weil er einen Schuss in einer Kirche abgegeben hat, als dort gerade ein eritreisch-orthodoxer Gottesdienst stattfand, ist ein 54-Jähriger zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Dass er aus einer rechtsextremen Gesinnung gehandelt haben könnte, war dem Mann nicht nachzuweisen.



Es war 2.35 Uhr in der Nacht vom 8. auf den 9. Juli 2023, als während eines Gottesdienstes der eritreisch-orthodoxen Kirchengemeinde "Kidanemhret Tewado" in der St.-Joseph-Kirche in Fulda ein Schuss abgegeben wurde. Ein 54-jähriger Anwohner, der sich nach eigenem Bekunden durch den Lärm gestört gefühlt habe, war in Badeschlappen und kurzer Hose zur wenige Hundert Meter entfernten Kirche gelaufen und hatte mit einer Schreckschusspistole in den Vorraum geschossen. "Ich wollte auch mal Lärm machen, damit die wissen, wie das ist", hatte der Mann den Schuss vor Gericht begründet.

Für die Tat, die der nicht vorbestrafte und geständige 54-Jährige laut Richter Dr. Jochen Müller "spontan und nicht geplant" begangen hat, ist er vom Landgericht Fulda am Freitag wegen fahrlässiger gefährlicher Körperverletzung, des unerlaubten Führens einer Schusswaffe und der Störung der Religionsausübung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt worden.

Das Urteil entspricht dem des Amtsgerichts aus dem Februar. Dort war der Mann ebenfalls zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr zur Bewährung verurteilt worden. Gegen dieses Urteil hatten sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung Berufung eingelegt.

Im Berufungsprozess galt es erneut zu klären, aus welchem Motiv der Mann gehandelt hat - und ob er bewusst einen Gottesdienst störte. Dass es sich in der Juli-Nacht um eine besondere religiöse Feier gehandelt hatte, bei der die eritreisch-orthodoxe Gemeinde die Übersendung der Bundeslade gefeiert hatte, was bis zum frühen Morgen andauerte, sei unbestritten, so Müller. Der Richter betonte, der Angeklagte habe wissen müssen, dass es sich um einen Gottesdienst handelte, da die katholische Kirche häufig von der eritreisch-orthodoxen Gemeinde genutzt werde und ihm der Lärm bereits bekannt war. "Spätestens beim Betreten des Gebäudes muss Ihnen klar gewesen sein, worum es sich dort handelt", ergänzte der Richter. Der 54-Jährige hatte behauptet, nicht gewusst zu haben, dass ein Gottesdienst gefeiert wurde.

Richter Müller führte weiter aus: "Zudem haben Sie billigend in Kauf genommen, dass durch den Schuss Menschen verletzt werden." Bei der Waffe, die der 54-Jährige bei sich trug, handelte es sich zwar um keine "scharfe Waffe", jedoch um eine Schreckschusspistole mit Pfefferpatronen. Der Schuss sorgte bei zwei Frauen, in deren Richtung der Mann geschossen hatte, für Atemwegsbeschwerden, Schmerzen beim Schlucken und tränende Augen.

Fehlende Reue

"Hinzu kommt, dass die Teilnehmer des Gottesdienstes, darunter Kinder, teilweise bis heute traumatisiert sind", so der Richter weiter. Beim Angeklagten hatte Müller seit Prozessbeginn jegliche Reue vermisst. Es scheine dem Mann entweder nicht bewusst oder egal zu sein, was er mit seiner Tat bewirkt hatte.

Müller führte es auf die rechtsextreme Gesinnung des Mannes zurück, dass dieser "gegenüber diesem Personenkreis wenig Mitleid empfindet". Erkenntnisse über das rechtsextreme Gedankengut des 54-Jahres hatte eine Durchsuchung seiner Wohnung nach der Festnahme geliefert: Dort waren unter anderem eine Tasse mit Hakenkreuz, Wanddeko mit Reichskriegsadler und Flaggen mit der Reichskriegsflagge gefunden worden. Außerdem ist der Mann seit zehn Jahren dem Staatsschutz bekannt: Er nahm laut Ermittlungen des Staatsschutzes von 2014 bis 2019 an rechtsextremen Versammlungen, Feiern, einer Demonstration und einem Rechtsrock-Konzert teil.

Dennoch sei nicht festzustellen, dass er wegen seiner ausgeprägten rechtsextremen Gesinnung in die Kirche geschossen hatte. "Er hat so gehandelt, weil ihn der Lärm gestört hat", nannte der Richter das Motiv. Müller hob hervor, dass der Mann sich auch bei seiner Festnahme nur über den Lärm beschwert und keine rassistischen Parolen gerufen hatte.

Eine Geldstrafe, wie von der Verteidigung gefordert, lehnte das Gericht ab. Trotz seiner "weißen Weste" bestehe wegen seiner Alkoholsucht und der rechtsextremen Gesinnung die Gefahr von weiteren Straftaten, wenn er betrunken ist. Auch der Forderung der Staatsanwalt, die Freiheitsstrafe für ein Jahr und drei Monate ohne Bewährung zu verhängen, weil der Angeklagte vorsätzlich auf die zwei Frauen geschossen habe, folgte das Gericht nicht. Als Bestandteil des Bewährungsurteils muss der 54-Jährige 85 Arbeitsstunden für gemeinnützige Zwecke leisten. (Christopher Hess) +++

Hier in der St. Josefs Kirche hat der Verurteilte mit einem Schreckschussrevolver geschossen.

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