24 Jahre im Amt gewesen
Bürgermeister Scheich im Ruhestand: "Als Erstes gehe ich aufs AC/DC-Konzert"
Hermann-Josef Scheich im Garten, der Fußball liegt für die Enkel bereit
Fotos: Marius Auth
31.07.2024 / EITERFELD -
24 Jahre hat Eiterfelds Bürgermeister Hermann-Josef Scheich die Geschicke der Marktgemeinde im Hessischen Kegelspiel gelenkt, jetzt heißt es Abschied nehmen. Nachfolgerin Dana Hauke steht in den Startlöchern. Der Leimbacher sieht seine Heimat gut für die Zukunft gerüstet - "andererseits ist das kein Beruf, wo am 31. alles vorbei ist."
"Ihr Bürgermeister für alle - mein Wort drauf!", "Mit mir nicht!", "Volle Kraft für Eiterfeld": Scheich blättert in Aktenordnern, Wahlkampfbroschüren der letzten Jahrzehnte zeigen Beständigkeit in Frisur und Botschaft. Der gelernte Energieanlagenelektroniker und studierte Elektrotechniker war zwar schon vorher als Ortsvorsteher in Leimbach und als Erster Beigeordneter der Marktgemeinde tätig gewesen, ins politische Hauptamt brachte ihn im Jahr 2000 aber eine einfache Motivation: "Aktiv gestalten können in seiner Heimatgemeinde, das hat etwas Wohltuendes. Wenn ich jetzt mit dem Auto oder Fahrrad unterwegs bin, kommen Erinnerungen hoch: Hier habe ich etwas umgesetzt, dort mit Menschen gesprochen. Das gibt eine innere Zufriedenheit."
Bürgermeister für alle
Es waren nicht die politischen Inhalte des Amtsvorgängers Berthold Jost, mit denen Scheich nicht übereinstimmte, sondern die Art und Weise der Kommunikation: "Meine Vorstellung war recht simpel: Stakeholder-Kommunikation würde man heute dazu sagen, die Einbeziehung von Bürgern und Gewerbetreibenden, Kommunikation auf Augenhöhe und transparent. Kommunalpolitik war schon vorher mein Hobby und meine Leidenschaft gewesen, aber zum Wahlkampf im Jahr 2000 ums Bürgermeisteramt in Eiterfeld habe ich dann sehr viel Zeit in Haustürbesuche investiert, auch um besser zu erfahren, was die Menschen wollen. Deswegen war es mir auch wichtig, parteiunabhängig anzutreten. Es war immer klar, dass ich Mitglied der SPD bin, aber ich wollte die Parteidenke heraushalten und Bürgermeister für alle sein."
Mit 52,9 Prozent wurde Scheich gewählt. Die ersten Maßnahmen waren unspektakulär, aber tiefgründig: "Die Sanierung der Kanäle nach den Vorgaben der Eigenkontrollverordnung für Abwasseranlagen hat uns die ersten Jahre viel beschäftigt. Wir haben in 17 Dörfern insgesamt 120 Kilometer Leitungen - jeder Meter musste untersucht und eventuell ausgebessert werden. Dazu kam die Erneuerung der Kläranlage. Über Jahre kam deshalb der Vorwurf, dass wir das Geld unter der Erde verbuddeln statt anderweitig zu verwenden. Aber die Kanalsanierung ist weiterhin ein wichtiger Posten im Haushalt."
Gewerbegebiete und Arztversorgung
Neben der Dorferneuerung stand die Entwicklung der Bau- und Gewerbegebiete auf der Agenda. Während Eiterfeld im Jahr 2000 1.600 Beschäftigte aufweisen konnte, waren es 2022 schon 2.600. "Vor allem im Leibolzgraben haben wir Unternehmen damals großzügig Flächen anbieten können, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten waren. Die Gewerbesteuer ist nicht so wichtig wie das Leben, was dadurch in die Gemeinde kommt. Wenn jemand eine Würstchenbude ansiedeln will, unterstütze ich das. Es braucht keine großen Logistiker, sondern eher Menschen, die auch vor Ort einkaufen gehen und vielleicht hier leben. Darum mussten wir uns aber aktiv kümmern, weil wir nicht an den großen Verkehrsströmen gelegen sind. Dafür sind wir jetzt mit der Anzahl der Beschäftigten deutlich über dem Schnitt, was die Größe unserer Marktgemeinde betrifft." Die Gewerbegebiete sind inzwischen komplett ans Glasfasernetz angebunden, ab nächstem Jahr soll auch für Privathaushalte die letzte Meile erschlossen werden.
"Nicht nur Telearbeit, sondern gerade die Entwicklungen ums Homeoffice in den letzten Jahren sind ein Segen für ländliche Kommunen. Wir bieten sehr erschwinglichen Wohnraum und gute Infrastruktur - und die Vorzüge der Idylle auf dem Land. Aber die ärztliche Versorgung ist entscheidend: Ich würde eher Dorfgemeinschaftshäuser schließen, bevor ich auf einen Arzt verzichte. Wir hatten bis vor vier Jahren noch drei Einzelpraxen, dann war absehbar, dass zwei Ärzte aufhören wollen. Und dann haben wir für ein MVZ nur Absagen erhalten: vom Klinikum Fulda, vom Herz-Jesu-Krankenhaus, vom Kreiskrankenhaus in Bad Hersfeld. Deswegen haben wir im Jahr 2017 in der Bahnhofstraße Räume langfristig angemietet, damit der Eigentümer Perspektiven hat, umzubauen und an einen Arzt zu sehr günstigen Konditionen weitervermietet, um den reibungslosen Anlauf zu sichern. Und für dieses MVZ haben wir dann Ärzte gewinnen können." Inzwischen soll sogar eine kardiologische Schwerpunktpraxis in den Räumen angesiedelt werden.
"Herausforderungen sind klar"
Tipps für Nachfolgerin Dana Hauke, die ab dem 1. August im Rathaus das Sagen hat, will Scheich nicht abgeben: "Ratschläge sind häufig Schläge. Wir haben gute Gespräche geführt und die Herausforderungen der Zukunft sind ziemlich klar, ob die neuen Stromtrassen oder die Sanierung der innerörtlichen Hauptverkehrsstraßen bis 2027. Andererseits ist das natürlich kein Beruf, wo am 31. alles vorbei ist. Es wird mich wahrscheinlich eine Weile reizen, im Rathaus anzurufen und etwas zu melden, wenn ich mit dem Fahrrad unterwegs bin. Aber das werde ich mir verkneifen. Ich will mit meiner Tochter zum AC/DC-Konzert nach Hannover, um erstmal alles wegzublasen, dann mit einem Freund den Watzmann umrunden. Außerdem habe ich jetzt natürlich viel Zeit für die Familie, vor allem fürs Fußballspielen mit den Enkeln." (mau) +++