"Man darf nicht so empfindlich sein"
Kronjuwelenhochzeit in Kalkobes: Nach 20 Runden im Riesenrad hat's gefunkt
Grafik: O|N
18.07.2024 / BAD HERSFELD -
75 Jahre Ehe, 75 Jahre Liebe - heutzutage bedauerlicherweise eine Seltenheit, so ist eine Kronjuwelenhochzeit umso mehr eine Besonderheit. In Kalkobes (Bad Hersfeld) durften Ursula Baudisch (92) und Günther Baudisch (96) am Dienstag eben jenen Meilenstein ihrer Ehe feiern. Gegenüber OSTHESSEN|NEWS erzählt das Paar, wie sie sich auf einem Riesenrad verliebten und verraten ihr Geheimnis hinter ihrem langen und glücklichen Eheleben.
Mehrere Zufälle führten die beiden 1947 zusammen. Günther Baudisch ist Schlesier und war damals noch einer von 30 freiwilligen Bäckern der amerikanischen Heeresbäckerei in Bad Hersfeld. "Wegen Kriegsgefangenschaft durften wir nicht über die Grenze, drei Tage lang steckten wir in Bebra fest. Also schloss ich mich der Heeresbäckerei an, die damals noch in der Kaserne in Bad Hersfeld war und 30 Freiwillige suchte. Wir kamen dann für ein viertel Jahr in einer Turnhalle im Geistal unter, welche damals für Gefangene verwendet und dann in ein Flüchtlingslager umgewandelt wurde. Irgendwann brauchte ich dann aber eine neue Bleibe und lernte während meiner Arbeit bei einem Schornsteinfeger die Tante von meiner Frau kennen", erzählt Günther Baudisch.
Verliebt, in den Lüften von Bad Hersfeld
Zeitgleich wohnte die Tante von Ursula Baudisch, Ur-Hersfelderin, mit ihr in ihrem Haus in Kalkobes. Als sie Günther kennenlernte und von seinem Problem hörte, bot sie ihm ein Zimmer bei sich zu Hause an. "Da wir ein Zimmer freihatten, hat meine Tante ihm das angeboten. Mein Mann hat hier als Untermieter gewohnt", erinnert sich Ursula Baudisch gegenüber O|N. Natürlich lernt man sich dann irgendwie kennen - so richtig ging es aber erst auf dem ältesten Volksfest Deutschlands los - dem Lullusfest in Bad Hersfeld. "Wir waren damals gemeinsam auf dem Riesenrad und haben 20 Runden gedreht. Da haben wir uns näher kennengelernt und dabei hat es dann zwischen uns gefunkt."
1949 wurde dann schon direkt geheiratet. Kurze Zeit später folgten dann zwei Söhne und eine Tochter. Inzwischen sind die beiden Baudischs nicht nur Oma und Opa, sondern auch Uroma- und Opa. "Wir haben sieben Enkel und acht Urenkel. Die Freude war bei jeder Geburt riesig, aber beim ersten Enkel natürlich am größten. Einige davon sind richtige Abenteurer, und das mit gerade mal sechs Jahren schon!", scherzen die beiden. "Gemeinsam haben wir viel erlebt. Wir sind in das wunderschöne Spanien gereist oder haben schöne Feste gefeiert, so wie die wundervolle Kronjuwelenhochzeit am Dienstag, mit einem herausragendem Gottesdienst." Was bei der Familie Baudisch jedoch nie fehlen durfte: "Eierlikör - das ist die Leidenschaft unserer Familie. Egal bei welchem Anlass, es schmeckt uns allen", erzählt das Ehepaar amüsiert.
Die Frage, die sich aber alle sicherlich stellen: Wie schafft man es, 75 Jahre verheiratet zu bleiben? "Mit gegenseitigem Verständnis", sind sich beide einig. "Das ist das allerwichtigste." Da Günther Baudisch aber schon immer ein kleines Bastel- und Spielkind war, gab es ab und zu aber auch mal einen auf den Deckel daheim. "Mein Mann hat immer gern gebastelt und mit Holz gearbeitet. Das hat natürlich immer zu viel Dreck hinterlassen, also musste ich ab und zu auch mal schimpfen", erzählt die 92-Jährige, die von ihrem Mann vor allem für ihre guten Kochkünste geschätzt wird. "Aber man darf einfach nicht so empfindlich sein und alles auf die Goldwaage liegen - auch mal nachgeben ist das Stichwort. Wir haben alles miteinander besprochen und es dann geklärt, Ehrlichkeit ist ein Fundament für Vertrauen und so eine Beziehung. Bei uns gab es keine Alleingänge." Tipps, die man sich heutzutage doch gern öfter zu Herzen nehmen sollte.