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Kritik an Cannabis-Gesetz: "Mehr Fahrten unter Drogeneinfluss und Opfer"

In Hessen wird das Cannabisgesetz des Bundes umgesetzt. Das sorgt für Diskussionen.
Symbolfoto: Pixabay

27.06.2024 / REGION - Nach der verkündeten Umsetzung des Bundesgesetzes zum Umgang mit Konsumcannabis (KCanG) auf Hessenebene (OSTHESSEN|NEWS berichtete), sind die ersten Stimmen aus der Politik-Landschaft unterschiedlich. Erst vor kurzem hatte Landrat (Vogelsbergkreis) Jens Mischak das Gesetz als "Unsinnig und potenziell gefährlich" bezeichnet.


"Zukünftig deutlich mehr Fahrten unter Drogeneinfluss und damit mehr Opfer"

Jens Mohrherr, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei: "Die Vorgehensweise in Hessen, ‚die bundesrechtlichen Vorgaben rechtstreu, restriktiv und pragmatisch umzusetzen‘, wird den Kommunen und Genehmigungsbehörden zusätzliche Arbeit bringen." Er betonte, dass die kommunalen Behörden darauf nicht vorbereitet seien und fügte hinzu: "Die Stadtpolizeien und Ordnungsämter werden an die Grenzen der Belastung kommen. Woher das zusätzliche Personal kommen soll, ist nicht Gegenstand des ‚Masterplans‘." Mohrherr wies die Kritik der KCanG-Anhänger zurück: "Einen Vergleich zwischen einem Geschwindigkeitsverstoß und dem Verstoß gegen den hessischen Bußgeldkatalog KCanG zu ziehen, ist aus GdP-Sicht unredlich."

Zum THC-Grenzwert meinte er: "Ein ‚rankiffen‘ an den Grenzwert ist nicht darstellbar. Niemand kann vorhersagen, welchen THC-Gehalt man nach dem Konsum von Cannabis im Blut hat." Er forderte mehr Aufklärung über die Droge und Änderungen im Straßenverkehrsrecht: "Die hessische Polizei muss personell in die Lage versetzt werden, Drogenkontrollen noch wirksamer durchzuführen."

Dabei wies der Polizeigewerkschafter darauf hin, dass die Zahl der Verkehrsunfälle unter Drogeneinfluss in den letzten drei Jahrzehnten verfünffacht habe: "Rund 70 Prozent davon sind festgestellte Cannabisverstöße. Weder Alkohol- noch Cannabiskonsum vertragen sich mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges." Abschließend warnte er noch: "Es wird deutlich mehr Fahrten unter Drogeneinfluss und damit mehr Opfer geben. Dem entgegenzuwirken, wird nicht ohne spürbare Investitionen in Personal und Ausstattung gelingen."

"Teil-Freigabe ändert nichts am Grundgesetz: Keine Drogen im Straßenverkehr!"

MdL Tanja Hartdegen (SPD): "Mit der Teil-Legalisierung von Cannabis wird eine gesellschaftliche Wirklichkeit anerkannt. Statistisch betrachtet haben vier von zehn 18- bis 25-jährigen Menschen schon einmal Cannabis konsumiert. Dieses Massenphänomen zu kriminalisieren und damit möglicherweise die Lebenswege junger Menschen zu verbauen, ist nicht länger zeitgemäß – erst recht nicht, wenn zugleich Alkohol ab 16 Jahren frei verfügbar ist. Vor diesem Hintergrund war die bisherige Cannabis-Politik dringend veränderungsbedürftig: Die bisherige Illegalität hat einen Schwarzmarkt geschaffen, der mit Gesundheitsrisiken verbunden war, ohne das Konsumverhalten zu beeinflussen.

Vielmehr wurde das Thema einem offenen Diskurs entzogen. Legale Strukturen dienen damit auch einem besseren Gesundheits-, Kinder- und Jugendschutz, der die Realitäten beachtet. Dies hat zur Folge, dass offener und ohne Angst vor Kriminalisierung über Cannabis-Konsum als gesellschaftliche Tatsache gesprochen werden kann. Das ist eine wesentliche Voraussetzung für Prävention und Gesundheitsschutz. Prävention und Beratung bilden z.B. einen Schwerpunkt der Cannabis-Anbauvereinigungen. Sie sind ein zentraler Baustein in dem Vorhaben, den Schwarzmarkt auszutrocknen und zu einem geregelten und der Wirklichkeit angemessenen Umgang mit Cannabis zu kommen. Konsumentinnen und Konsumenten so unmittelbar erreichen und aufklären zu können, ist ein deutlicher Fortschritt, der ohne eine Legalisierung schlicht nicht möglich wäre.

Daneben ist es untersagt, für Cannabis zu werben oder im Umkreis von Jugendeinrichtungen zu konsumieren. Ansonsten gilt, was für alle anderen Drogen auch gilt: Insbesondere junge Menschen sollten frühzeitig, umfassend und niedrigschwellig über die Risiken aufgeklärt werden – in Schulen, der außerschulischen Jugendbildung und von spezialisierten Präventionsvereinen.

Die Sanktionsmöglichkeiten über Straf- und Ordnungsrecht sind ausreichend und angemessen. Ansonsten ändert die Teil-Freigabe nichts an dem Grundsatz: Keine Drogen im Straßenverkehr! Das mit weitem Abstand größte Problem ist hier nach wie vor das Fahren unter Alkoholeinfluss. Damit die Hessische Polizei ihrem Schutz- und Kontrollauftrag auch weiterhin gut nachkommen kann, hat die Hessische Landesregierung mit ihrer Sicherheitsoffensive mehr Investitionen in Einsatzmittel und Ausstattung für die Beamtinnen und Beamten beschlossen – also in den Fuhrpark, die Kommunikations- und IT-Ausstattung oder aber Taser. Zudem wird es im Jahr 2025 mit mehr als 16.000 Polizistinnen und Polizisten so viele Polizeikräfte geben, wie nie zuvor in der Landesgeschichte."

"Rechtssicherheit für Menschen, die nichts falsch gemacht haben"

Stadtverordneter Dr. Sebastian Koch (FDP): "Schätzungen zufolge haben in Deutschland und Hessen vor der Legalisierung rund 4,5 Millionen Menschen Cannabis konsumiert. Davon hatten rund 3,5 Millionen den Führerschein. Fahrten unter Drogeneinfluss gab es auch in der Vergangenheit. Sofern nun sehr hohe Investitionen in ausreichend Personal und Ausstattungen der Polizei notwendig sind, so deutet das eher auf Versäumnisse der schwarz-grün geführten hessischen Regierung in der Vergangenheit hin.

Der derzeitige Status Quo im Verkehrsbereich mit Blick auf THC führt zu Sanktionierung unschuldiger Bürgerinnen und Bürger und trägt eben nicht zur Verkehrssicherheit bei. Fakt ist und bleibt: Bekifft und berauscht fahren ist und bleibt verboten. Sowohl in Deutschland als auch in Hessen. Wer aber am Freitag oder Samstag Cannabis konsumiert - so wie andere Bier oder Wein trinken - ist am Montag fahrtüchtig, auch wenn der THC-Wert im Blut über der Nachweisgrenze liegt. Diesen Menschen, die nichts falsch gemacht haben und auch niemanden in Gefahr gebracht haben, wird mit der Festlegung eines THC-Grenzwertes im Straßenverkehrsgesetz Rechtssicherheit gegeben.

Vom ADAC über die Expertinnen und Experten der Bundesanstalt für Straßenwesen bis hin zu den Versicherern wurde dies begrüßt. Der eingeführte Grenzwert von 3,5 THC Nanogramm/Blutserum ist ein Grenzwert, unter dem von einer Fahrtüchtigkeit ausgegangen werden kann. Vergleichbares gibt es schon. Denken wir an Alkohol. Da geht es um die Frage, ob ich nach dem Glas Wein mit dem Auto noch am Straßenverkehr teilnehmen kann. Darüber hinaus wurde Mischkonsum verboten und eine Null-Toleranz-Regel bei Fahranfänger bei THC eingeführt. Die früher geltenden 1,0 Nanogramm THC/Blutserum sind analytischer Natur. Damit wurde lediglich der Konsum nachgewiesen. Er orientiert sich eben nicht an der Straßenverkehrssicherheit. Und: Er lässt auch keine Rückschlüsse auf die Fahrtauglichkeit zu." (ms/kku) +++

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