Wichtiges Urteil in Karlsruhe

Falschparker-Bußgeld nur, wenn Fahrer auf frischer Tat erwischt werden?

Schnell passiert: schon hängt ein Knöllchen unterm Scheibenwischer
O|N-Archivbild: Christopher Göbel

16.06.2024 / REGION - Nach einem spektakulären Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Mittwoch ist in der Presse von einer "Knöllchen-Revolution" die Rede. Zugrunde lag ein Fall aus Siegburg. Ein Fahrzeughalter fand einen Strafzettel wegen Falschparkens an seinem Wagen vor, den er aber nicht bezahlte und auch keine Angaben zum Fahrer machte. Daraufhin hatte er als vermeintlicher Fahrer einen Bescheid bekommen, gegen den er Einspruch einlegte. Der Fall landete vor Gericht, und der Halter wurde zu Bußgeld wegen Falschparkens verurteilt.



Doch damit war der Halter nicht einverstanden und legte Rechtsmittel ein. Und er bekam tatsächlich Recht. Die höchsten deutschen Richterinnen und Richter bestätigten, dass es nicht ausreicht, die Haltereigenschaft als Tätereigenschaft nachzuweisen. Nach Ansicht der Verfassungsrichter habe das Amtsgericht gegen das Willkürverbot verstoßen. Denn wer der wahre Täter war, sei in den vorherigen Instanzen nicht hinreichend geprüft worden. Das Schweigen des Beschuldigten dürfe nicht gegen ihn gewertet werden, es gelte die Unschuldsvermutung. 

Das bedeutet für die Praxis: Ein Fahrzeughalter, der bestreitet sein Auto selbst im Parkverbot abgestellt zu haben, seinen Strafzettel nicht bezahlt und der tatsächliche Fahrer oder die Fahrerin nicht ermittelt werden kann, bekommt wie bisher von der Bußgeldstelle keinen Bußgeld-, sondern einen Kostenbescheid über die Verfahrenskosten.

Das sagt der Experte

Um die Konsequenzen des Urteils für die künftige Praxis besser einschätzen zu können, haben wir einen Anwalt für Verkehrsrecht um ein Statement zu der Karlsruher Entscheidung gebeten. Rechtsanwalt Jeremias Kaulfuß von der Fuldaer Kanzlei Dr. Gebhardt + Moritz erklärt dazu: "Die Auswirkungen dieses Urteils sind in erster Linie klar. Für einen Parkverstoß kann nur der Führer eines Fahrzeugs und nicht pauschal der Halter zur Rechenschaft gezogen werden. Das ist für Parkverstöße neu. Anders ist es z.B. bei Geschwindigkeitsverstößen (Blitzer-Fotos). Da wird im Rahmen des Bußgeldverfahrens immer erst ein Anhörungsbogen versandt, in dem der Beschuldigte angeben kann, ob er selbst zur vermeintlichen Tatzeit das Fahrzeug geführt hat. Für den Fall, dass auf dem Foto leicht erkennbar ist, dass der Fahrer nicht der Halter ist und der Halter dann nicht angibt, wer tatsächlich gefahren ist, kann es aufgrund der kurzen Verjährung dazu kommen, dass im Ergebnis keine Ahndung des Verstoßes erfolgt. Dabei ist aber zu beachten, dass die Behörde dann unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit hat, nach § 31a StVZO das Führen eines Fahrtenbuchs anzuordnen.

Es ist daher in diesen Fällen der Parkverstöße zu erwarten, dass man zunächst um ein Bußgeld herumkommen kann, wenn nicht bewiesen werden kann, wer das Fahrzeug abgestellt hat. Aber insbesondere auf lange Sicht hat die Behörde bereits jetzt Mittel, den Halter bei Wiederholung zur Führung eines Fahrtenbuchs zu verpflichten. Ebenfalls kann der Halter für mögliche Verfahrenskosten in Anspruch genommen werden." (ci)+++

Rechtsanwalt Jeremias Kaulfuß schätzt das Urteil für uns ein
Foto: privat

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