"Geschnitten. Gefaltet. Geformt - Papier"
Noch bis zum 18. August: Ausstellung in der Kunststation Kleinsassen
In der aktuellen Ausstellung machen 18 Kunstschaffende die Bedeutung von Papier in der zeitgenössischen Kunst erfahrbar.
Fotos: Hanswerner Kruse/ Monika Ebertowski
11.06.2024 / HOFBIEBER -
In der aktuellen Ausstellung machen 18 renommierte Kunstschaffende die Bedeutung von Papier in der zeitgenössischen Kunst erfahrbar. Ausdrücklich geht es nicht um Papier als Bildträger oder um die Verbindung mit anderen Stoffen wie Holz oder Glas. Den Rundgang beginnt man im Entree zur Halle 1, denn hier wird rasch die Spannweite sichtbar, was künstlerisch mit und aus dem Material gestaltet werden kann:
Entspannt begrüßen einen zwei Buddhas, die aus zusammenpressten Katalogen herausgearbeitet wurden, es sind bildhauerische Objekte aus recyceltem Papier. Eine lilafarbene Porträtskulptur aus geknuddeltem Japanpapier stellt die Künstlerin "Marina Abramowić" dar. Die moderne Variante eines Scherenschnitts ist der "Wald 2", mit mehreren Silhouetten übereinander in einem verglasten Kastenrahmen. Lediglich aus nur einem Aquarellkarton wurde der halbreliefartige "Treppenstreifen" geknickt und gefaltet.
Hinter dem Eingangsbereich hängen zarte Zeichnungen mit Nadelstichen auf Papier oder weiße, aus Baumwolle oder Leinen geschöpfte Blätter mit winzigen bewussten Fehlern. Die Arbeiten sind derartig subtil, dass zunächst kaum erkennbar ist, was sie bedeuten. Doch dann folgen riesige Werke aus farbigem Papier auf andersfarbigem Papier, in Originalgröße von erkennbaren Dingen, ein "Porsche" oder die "Gelbe Tonne". Die realistischen - man darf sagen - Installationen, kontrastieren mit den konstruktiven Gebilden an der gegenüberliegenden Wand. Es sind Spiele mit den Möglichkeiten des Materials, sie symbolisieren nichts. Sie beinhalten allerdings "kubistisch" anmutende, geometrische Formen der Alltagsgegenstände von gegenüber, wie die Reifen des Autos.
Eigene Herstellung des Werkstoffes ist ein kreativer Akt
Im Nebenraum sind etliche dreidimensionale Fantasiewesen "Ohne Titel" aus geschöpftem Papier, Farbpigmenten und Beize arrangiert. Auch diese fantastischen, zum Träumen anregende Figuren werden konfrontiert mit extrem strengen, offensichtlich mathematisch berechneten Schnittzeichnungen. Vieles zum Thema der Schau ist bis hierher bereits deutlich geworden: das Material kann nicht nur aus Holz- und anderen Pflanzenfasern gewonnen werden, sondern auch Textilien lassen sich recyceln. Die eigene Herstellung des Werkstoffes ist bereits ein kreativer Akt. Aus den Papierbögen lassen sich skulpturenartige Objekte gestalten. Aber bevor die Pulpe, also der aus Fasern hergestellte Brei, überhaupt fest wird, kann er bereits plastisch geformt werden.
Durch eine Vielzahl kreativer Techniken wird der klassische Schattenriss wiederbelebt und weiterentwickelt. Das Skalpell wird zum Schneiden benutzt und ersetzt den Zeichenstift, die hohe manuelle Geschicklichkeit überwindet die Grenzen der Technik. In der mittleren Halle 3 schweben auf Alustangen weibliche orangefarbene Wesen, geformt aus Japanpapier. Sie drehen sich leicht beim Vorbeigehen, scheinen einem hinterherzuschauen. An allen Wänden hängen diverse hochdifferenzierte Papierschnitte. Gleich beim Betreten der Halle ist eine mächtige "Schnakeninvasion" zu sehen, doch je näher man den mückenartigen Bildern kommt, umso abstrakter werden sie. Gerahmte Collagen - aus Papierschnitten und dahinter mit Farben gesprühte Rückwände - erzählen Geschichten vom "Bösen Haus" oder "Morgens in Berlin".
Werke verdeutlichen Vielfalt der gestalterischen Möglichkeiten mit Papier
Im kleinen Vorraum zur Halle 2 bedeckt eine gigantische blauschimmernde Plane aus Hanffasern eine ganze Wand. Beim Weitergehen gib es Malereien mit verschiedenfarbigem Faserbrei, der aus bunten Textilien gewonnen wurde. Dieses Pulp Painting diverser Künstler, die ansonsten auch Öl- und Acrylfarben nutzen, hat eine eigenartige Anmutung, Zwar überlappen sich die matten Farbflächen, verschmelzen aber nicht miteinander und erscheinen leicht plastisch. Mit den Arbeiten am Ende der Ausstellung, also am anderen Eingang, schließt sich der Kreis des Minimalismus. Was mit Nadelstichbildern begann, endet hier mit Installationen von großen, stark faserigen Papierbahnen. Sie wurden von der Künstlerin hergestellt, die Oberflächen von ihr behutsam aufgerissen. Ihre skulpturalen Tableaus wirken wie stürmische Landschaften und lösen dramatische Gefühle aus. Minimalistisch sind auch Masken aus alten Briefen oder die aus einem Blatt gefalteten Bilder ohne Titel, mit kaum erkennbaren Treppen oder Hausfluren.
Man sollte mehrere Male durch diese Ausstellung gehen, weil die Objekte so unterschiedliche Empfindungen hervorrufen. Vieles wird einem auf Anhieb begeistern, anderes eher nicht gefallen oder bewegen. Jedoch alle Werke sind es wert wahrgenommen und akzeptiert zu werden, weil sie die unglaubliche Vielfalt der gestalterischen Möglichkeiten mit Papier exemplarisch verdeutlichen. Insgesamt wird die Bandbreite künstlerischer Darstellung sichtbar: Abbilder, Abstraktionen, surreale Fantasien, konstruktive Arbeiten.
Service
Die Ausstellung geht noch bis zum 18. August 2024. Die Rede der Kuratorin Dr. Elisabeth Heil, mit der Vorstellung aller Kunstschaffender, kann von der Webseite der Kunststation herunterladen werden oder beim Ausstellungsbesuch kostenlos mitgenommen werden. www.kunststation-kleinsassen.de (Hanswerner Kruse) +++