"Ich bin der Moment"
Poetry Slam der Lichtermeer-Stiftung füllt Lichtspielhaus und berührt die Gäste
Fotos: T. Schlitt
27.05.2024 / ALSFELD/LAUTERBACH -
Er war einer der ersten Poetry Slams in Lauterbach und er sorgte gleich für ein volles Lichtspielhaus. Dabei ist das Thema "Leben, Sterben, Tod und Trauer" nicht eben dazu angetan, die Häuser zu füllen. Den Mut, genau damit in die Öffentlichkeit zu gehen, haben Organisationen wie die Hospizvereine in Lauterbach und Alsfeld sowie die Lichtermeerstiftung. Gemeinsam präsentierten sie mehr als den 125 Gästen sieben Poetinnen und Poeten sowie eine gut aufgelegte Moderatorin.
Wie immer im Lichtspielhaus hatte Inhaberin Steffi Dörr zunächst einen passenden Kurzfilm ausgewählt, der das Thema Sterben auf ganz eigenwillige Art thematisierte. Außerhalb des Wettbewerbs trat zunächst Lioba Böttinger auf. Sie ist aktive Hospizhelferin im Hospizdienst Vogelsberg und warb mit einer stimmigen Darbietung um die Ehrenamtlichen von Morgen, was ihr viel Applaus einbrachte.
"Wer Sprichwörter kennt, kann kein schlechter Mensch sein"
Und dann begann der Slam: Als Lokalmatadorin trat die Lauterbacherin Lea Weber als Erste ans Mikrofon. Getreu ihrer Idee "Wer Sprichwörter kennt, kann kein schlechter Mensch sein", hatte sie einen Text verfasst, der aus einer Vielzahl an Sprichwörtern bestand – Sprichwörter, die mitunter einfach nicht zutreffen und in ihrem Fall der übriggebliebene Fundus eines Menschen sind, der ansonsten nichts Neues mehr aufnehmen und denken kann und sein eigenes Leben nicht mehr versteht. Ein intelligentes, sprachlich exzellentes und inhaltlich berührendes Werk war es, das die Poetin präsentierte und das in der Wertung der fünf Juroren einmal den Höchstwert Zehn erreichte. Trauerrede über die verlorene Frau
Eine Trauerrede für eine Poetin brachte danach Artem Zolotarov aus Mainz dar. Er präsentierte einen Text, der voller Bilder und Metaphern war – jede einzelne voller Wertschätzung für die verlorene Frau, die "mutig war und nicht verzagte." "Akzeptanz" hat der Künstler seinen Beitrag genannt, denn die Erkenntnis aus allem Leid könne sein: "Oft hat alles seinen Grund, und Akzeptanz macht die Welt ein kleines bisschen gesund." Das Publikum zeigte sich beeindruckt und lauschte dem Vortrag gebannt und mucksmäuschenstill. Keine Lust auf Besuch
Ebenfalls aus Darmstadt angereist war Jessica Davis. Sie erzählte den Gästen von ihrem Freund Chris, der sie eines Sonntagsmorgens in einem ungünstigen Moment störte, als sie keine Lust auf Besuch hatte. Als sie eigentlich im Bett liegen bleiben wollte und sich an der ungeputzten Wohnung störte. Nächstes Mal würde sie sich vorbereiten auf seinen Besuch, hatte sie sich vorgenommen, doch ein nächstes Mal gab es nicht. Eine Woche später war Christ tot und der Erzählerin wurde bewusst, wie wichtig Momente sind, wie sehr man sich Zeit für Freunde und Familie nehmen müsse, wenn sie einen brauchten: "Man lebt nur einmal und das ist jetzt." Davis war es gelungen, mit ihrer Geschichte einen enormen Spannungsbogen zu schlagen von einer banalen Situation hin zu einer einschneidenden Erkenntnis. Damit schaffte sie es später gemeinsam mit Kaddy Kupfer ins Finale und wurde Zweite der Dichterschlacht. Das Finale mit einer mitreißenden Hymne
Das Finale bestritten also Kaddy Kupfer und Jessica Davis. Kaddy Kupfer hielt eine mitreißende Hymne auf den Moment: Ihr Gedicht war ein Appell an das echte Leben jenseits der Handys und endlosen Fotos, eine Lobrede auf die großen Gefühle. Dafür hatte die Poetin die schönsten Worte gefunden und ließ den Moment sprechen. "Ich bin der Moment, den du verpasst." Jessica Davis nahm ihrer Zuhörer mit zu den Sternen, die auf der Erde noch leuchten, wenn sie längst verglüht sind. Von ihnen könne man lernen, dass vieles, was uns wichtig ist, es nicht ist. Dass es nicht darauf ankommt, alles richtig zu machen: "Ein Stern versucht nur zu sein. Sonst nichts. Und sein Licht strahlt noch nach seinem Tod."