Aktionstag auf dem Uniplatz
Jenseits von hetero in Osthessen: "Diskriminierung auf dem Land ist schlimm"
Emily Rödel ist trans und berichtet, wie für sie das Leben in Osthessen ist
Fotos: Marius Auth
18.05.2024 / FULDA -
Der 17. Mai ist Internationaler Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie. Auf dem Uniplatz in Fulda kommen zivilgesellschaftliche Akteure zusammen, um mit bunten Flyern ein Bewusstsein für Lebensformen jenseits der Heteronormativität zu schaffen. Doch die Stimmung beim Aktionstag ist verhalten: Im ländlichen Raum sei diskriminierendes Verhalten weiter an der Tagesordnung, queere Strukturen kaum vorhanden.
Emily Rödel ist 20 Jahre alt, trans und im Landkreis Fulda aufgewachsen. Therapeutische Begleitung für ihren Weg zu bekommen, das sei in Osthessen nicht möglich: "Hier gibt es keinen Erwachsenentherapeuten, der auf Transmenschen spezialisiert ist. Auf der Pro Familia-Liste findet man die nächsten erst in Frankfurt und Darmstadt. Es fehlt am Wissen, selbst bei Experten: Als ich vor mehreren Jahren in der Kinder- und Jugendpsychiatrie aufgelaufen bin, hat man mir gesagt, dass man gar nicht weiß, wie man mich behandeln soll."
'Du schwule Sau!' im Biergarten
Rödel ist Mitglied in "Fulda stellt sich quer". Zusammen mit der Aidshilfe Fulda hat der Verein auf dem Uniplatz am Aktionstag Pavillons aufgestellt, Musik soll Passanten neugierig machen. Susanne Maul raucht gerade noch ihre Zigarette fertig, dann erzählt sie, wie ein Teil ihrer Klientel Osthessen erlebt. Maul ist Geschäftsführerin der Aidshilfe Fulda: "Schwule Männer sind weiterhin der Schwerpunkt unserer Beratung. Und viele müssen weiterhin ihre Identität versteckt leben, gerade hier im ländlichen Raum sind die Anfeindungen schlimm: 'Du schwule Sau!' im Biergarten, Pöbeleien bei Fastnachtsveranstaltungen, bis zu tätlichen Angriffen."
Neben drogenkonsumierenden Menschen liefen queere Menschen früher bei den Aidshilfen auf, erklärt Maul, weil sie Teil der HIV-Risikogruppen waren. So habe man über die Jahrzehnte auch deren Erfahrungswelten kennengelernt: "Die Aidshilfe Fulda gibt es seit über 30 Jahren. Eine eigene Transberatung bieten wir aber erst seit Oktober letzten Jahres an. Unser Wunsch wäre eine queere Anlaufstelle für Fulda, die auch von der Stadt Fulda finanziert wird. Es braucht Strukturen, die den Menschen auch beim Vernetzen helfen. Neue Studenten an der Hochschule fragen: Wo treffen sich queere Menschen? Die ziehen dann meist nach dem Studium weg aus Fulda - weil ihnen hier nichts geboten wird."
Safespace in der Kneipe
Eine eigene queere Kneipe für Fulda wünscht sich Rödel: "Wir haben allerhöchstens das Kulturzentrum L14zwo, wo sich Randgruppen und Alternative treffen. In der Stadt leben viele queere Menschen, aber vereinzelt, wir brauchen unsere eigenen Räume." Ein erster Schritt dafür soll mit einer Safespace-Liste gemacht werden, auf der Kneipen in Fulda verzeichnet sind, in denen queere Menschen Unterschlupf finden können, wenn sie sich bedroht fühlen. Noch ist die Liste leer - für Maul ein Zeichen, wie dick die Bretter sind, die noch zu bohren sind in der Region:
"Es muss im Unterricht angesetzt werden. In jeder Schule gibt es heute Transpersonen. Wir haben vor ein paar Monaten alle Schulen im Landkreis Fulda angesprochen mit einem eigenen Format, zwei Unterrichtsstunden zu queerem Leben. Nur eine Schule in Hünfeld hat das Angebot angenommen." Rödel wirft ein: "Es wäre schon ein erster Schritt, im Biologieunterricht zu sagen: Das gibt es - und das ist gut!" Am Stand liegt, durch einen Stein beschwert, die ausgedruckte E-Mail des Magistrats der Stadt Fulda. Maul zitiert: "Die Stadt Fulda unterstützt und unterstützte bereits vielfältige Maßnahmen und Veranstaltungen im Hinblick der Solidarität mit allen Queeren Menschen - unter anderem auch auf dem Universitätsplatz in Fulda. Aus diesem Grunde möchten wir von einer temporären Änderung der Beflaggung rund um unser Stadtschloss und sonstiger Verwaltungsgebäude am 17. Mai 2024 absehen." (mau) +++