"Schade - nie darf ich über Sie schreiben!"

Herzlicher Geburtstagsbrief an Ex-FZ-Chefredakteur Uwe-Bernd Herchen

Dieselbe Haltung (und zweimal Latzhose!) seit 75 Jahren: uh ist ein aufrechter Mann!
Collage: Rolf Herchen

16.05.2024 / FULDA - Lieber Herr Herchen,



alles, alles Gute zum runden Geburtstag: Glück, Gesundheit, Wohlergehen - Sie haben es verdient!

Trotzdem muss ich mich auf diesem Wege mal bitter beklagen: Nahezu seit Jahrzehnten möchte ich Sie porträtieren und Sie lehnen das kategorisch ab, alle Anfragen wurden zwar immer charmant, aber dennoch knallhart abgewiesen. Dabei wäre es nicht nur mir ein Vergnügen, über Ihre umfassenden Kenntnisse, nutzbringenden Erfahrungen und stilistisch brillanten Ausführungen zu berichten, sondern auch lehrreich und charakterbildend für unsere Leser. Allein Ihr großartiges Engagement als Pate für Kinder und Jugendliche, in deren Elternhäusern es weder Zeit noch Geld für den "Luxus" Kultur gibt, wäre mindestens drei Artikel wert. Sie gehen gemeinsam ins Theater, ins Museum und lesen ihnen Gedichte vor - Nutzen und Vergnügen für beide Seiten. Doch nein, auch darüber darf ich nicht schreiben, obwohl Ihr Beispiel ihren Mitmenschen wunderbar als Vorbild dienen könnte.

Sonst sind Sie doch auch nicht so geizig mit dem Schatz ihrer reichen Bildung. Ihnen verdanke ich  - unter anderem  - die Erkenntnis, dass zwischen dem letzten Wort und den vielsagenden folgenden drei Pünktchen zwingend ein Leerzeichen gehört. Und als ich neulich anlässlich des fünfjährigen Jubiläums von Bischof Gerber im Bistum Fulda von seinem fünften Amtsjahr schrieb, bekam ich einen lapidaren, aber leider auf mich zutreffenden Tadel von Ihnen per Mail "Er ist im sechsten Jahr im Amt! - Frauen und Zahlen …", schrieben Sie. Leider nicht das erste Mal, dass Sie mit Ihrer Korrektur ins Schwarze trafen.

"Kakophonie beim CDU-Partei-Tag"

Legendär Ihr teilweise verblümter Stil und der Gebrauch nicht jedermann geläufiger Fremdworte. Kleines Beispiel aus Ihrer Feder: "Der Kakophonie beim CDU-Partei-Tag war durchaus ein cantus firmus zu entnehmen". Ihr unermüdlicher Einsatz für die zutreffendste Formulierung, die richtige Wortwahl, die korrekte Rechtschreibung und Grammatik hat Sie seinerzeit um Ihren Posten als Chefredakteur gebracht. Als der ehrenwerte Beruf des professionellen Korrektors zugunsten eines elektronischen Rechtschreibprogramm aus Spargründen abgeschafft werden sollte, haben Sie für deren Verbleib bei der Zeitung hoch gepokert - und verloren. Doch zum Glück gehören weder Hader noch Langeweile zu Ihren Eigenschaften. So sind Ihre literarisch-musikalischen Vorträge nicht nur gut besucht, sondern müssen regelmäßig wiederholt werden, weil Ihre Fans vor der Tür Schlange stehen.

Von meinem Kollegen Matthias Witzel habe ich erfahren, dass es zu Ihren Gepflogenheiten gehörte, jedem Redaktionsmitglied zum Geburtstag eine ausführlich und fein-ironische Eloge zu widmen - eine noble Geste, deren Qualität ich höchstens als Ansporn nehmen kann.

In diesem Sinne mit den allerbesten Wünschen
Ihre Carla Ihle-Becker +++

X