"Das Schloss am Ende der Straße"
Bert Bresgen über sein Werk, das die Hallenburg in den Mittelpunkt stellt
Fotos: Christopher Göbel / Kammeroper Frankfurt
10.05.2024 / SCHLITZ/FRANKFURT (M.) -
Bert Bresgen ist Autor für Theater, Musikkabarett, Musiktheater und Medien. Er arbeitet unter anderem für die Kammeroper Frankfurt, für die er kürzlich ein neues Werk verfasst hat: "Das Schloss am Ende der Straße - Ein blassblauer Abend in Schlitz". Mit dem Schloss ist natürlich die Hallenburg gemeint, in dem heute die Landesmusikakademie Hessen residiert. OSTHESSEN|NEWS hat Bresgen gefragt, wie die Idee zu dem literarisch-musikalischen-szenischen Programm entstanden ist - und warum sich alles um die kleine Burgenstadt im Vogelsberg dreht.
"Ein Ort voller Poesie"
Der Autor erzählt, dass er vor dem Projekt die Stadt Schlitz nicht kannte. "Ich bin aber natürlich dort hingereist und war ebenso wie Rainer Pudenz auf Anhieb fasziniert. Es war wie eine kleine Zeitreise in eine vergangene Epoche, ohne dass sich die Burgenstadt aber wie andernorts in eine bloße Disney-Attrappe für Touristen verwandelt hat. Der Ort ist für mich trotz aller bekannten Landprobleme immer noch voll Poesie. Mein Hauptguide bei diesen Erkundungen war natürlich Graf Hermann, der da jeden Stein und jedes geschlossene Geschäft seit Jahrzehnten kennt. Anderes erfuhr ich aus lokalgeschichtlichen Werken", erzählt Bresgen. Das Programm sei jedoch keine "historisch-soziologische Untersuchung, sondern ein unterhaltsamer, literarisch-musikalischer Abend". Die einzige Komposition des Kaisers
Die Kompositionen aus dem Schlitzer Zusammenhang stammen von Graf Emil von Goertz, Francisco von Villeneuve Albuquerque (dem Bruder von Emils Frau) und Emil Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg, der über Emils Mutter mit der Familie verwandt ist. "Sie alle waren wahrscheinlich zuvor noch nie öffentlich zu hören. Daneben haben wir noch die einzige Komposition Kaiser Wilhelms II., aber natürlich auch einiges von bekannten großartigen Komponisten wie Franz Schubert, Richard Strauss und einen Song von Elvis, der während seiner Militärzeit in Deutschland mal eine Cola in Schlitz trank", so der Autor.Die Hauptarbeit für das Programm war die Durchforstung des gräflichen Archivs nach bislang ungehobenen Schätzen. "Diese leistete der musikalische Leiter der Kammeroper, der geniale Pianist und Komponist Stanislav Rosenberg. Seine Kriterien waren die musikalische Qualität und die Frage: Passt es zum Programm? Ich gab selbst noch ein paar Anregungen für weitere Kompositionen: So ein erstaunlich witziges Kabarettlied des jungen Arnold Schönberg aus der Zeit über einen König, der ohne seine Krone spazieren geht, oder den Schlager 'Das machen nur die Beine von Dolores', den eine adelige Flüchtlingsfrau in der Hallenburg nach 1945 immer im Austausch gegen Zigaretten hören wollte. Und das Gute ist, dass die Sängerin des Abends, Nicola Montfort, das alles - so gänzlich verschieden es ist - wunderbar singt und auch gelegentlich tanzt."
Konzentration auf Sturm und Drang, Wilhelminismus und Neuzeit
"Wir konzentrieren uns auf drei Epochen in der Hallenburg: die Goethezeit, den Wilhelminismus und die Zeit nach 1945 bis zur Gegenwart. In der Goetheepisode geht es viel darum, dass ein Schlitzer Graf Prinzenerzieher von Karl-August in Weimar war, bis ihm Goethe quasi den Posten raubte. Es gibt sehr Amüsant-Bitterböses von ihm und seiner Frau über Goethe: 'Ich habe soeben Prometheus gelesen das ist eine Unflätigkeit, es ist mir ein Gräuel. Dieser Goethe ist ein Knabe, ein Knabe, dem man täglich Besserung mit der Rute geben sollte!' oder 'Goethe drechselt immer noch an der vollkommenen Liebe und die arme Frau von Stein, dümmer gab es noch keine, erträgt geduldig das Geschwätz von Herrn Goethe und die üblen Launen seiner Frau.' Die Familie von Kaiser Wilhelm hätte fast in Schlitz eingeheiratet. Der Kaiser und Graf Emil hatten den gleichen Erzieher auch da gibts verschiedenes Amüsantes und Skandalöses, aber auch Tragisches. In der Nachkriegsgegenwart tritt beispielsweise ein Lehrer auf, der die Belastung der Hallenburg durch Schülermassen ausrechnet. Kurzum: Es weht ein ironischer Hauch von Downton Abbey durch die Hallenburg und durch diesen gesamten Abend", verrät Bert Bresgen. Die Blutfarbe des Adels
"Blassblau ist die Blutfarbe des Adels. Und dann gibt es noch den Roman 'Eine blassblaue Frauenhandschrift' von Franz Werfel. Blassblau ist die ironisch gefärbte Farbe der Sehnsucht", sagt Bresgen, der selbst am 17. Mai bei der Aufführung von "Das Schloss am Ende der Straße" dabeisein wird. "Alles, was Sie an diesem Abend hören, ist wahr. Je unwahrscheinlicher und abstruser, desto wahrer ist es", verrät der Autor.