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"Eine Riesenerfahrung" - Hersfelder Basketballtrainer in Neuseeland // Osthessen|News

Sebastian Gleim berichtet

"Eine Riesenerfahrung" - Hersfelder Basketballtrainer in Neuseeland

Sebastian Gleim ist seit Sommer der erste europäische Cheftrainer in Neuseeland
Foto: Franklin Bulls

03.05.2024 / BAD HERSFELD/AUCKLAND - Nach dem sensationellen Weltmeistertitel mit der deutschen Nationalmannschaft im September 2023 stürzte sich Sebastian Gleim gleich ins nächste Abenteuer. Der Basketballlehrer aus Bad Hersfeld übernahm den Cheftrainerposten beim neuseeländischen Erstligisten Franklin Bulls. Wir haben uns mit dem 39-Jährigen unterhalten.



O|N: Vor drei Monaten begann für Sie und Ihre Familie das Abenteuer Neuseeland. Ihr erster Eindruck?

Sebastian Gleim: "Für uns ist das Ganze eine Riesenerfahrung, auf allen Gebieten. Die Natur ist unglaublich. Wir hatten während der Saisonvorbereitung die Gelegenheit, die Nordinsel zu erkunden und sind völlig fasziniert. Die Landschaft, die Farben, das Wetter – es ist schwer in Worte zu fassen, man muss es selbst gesehen haben."

O|N: Und das Leben? Den Kulturschock schon überwunden?

Gleim: "Vieles hier erinnert mich an meine Kindheit in Osthessen. Es geht entschleunigter zu als heute in Deutschland, weniger auf Effizienz getrimmt. Die Menschen leben in enger Gemeinschaft, auch generationenübergreifend. Wir wurden sehr herzlich aufgenommen. Meine Kinder gehen hier in den regulären Kindergarten und mussten in Windeseile Englisch lernen, was erstaunlich gut funktioniert."

O|N: Wie kam es überhaupt zum Engagement am anderen Ende der Welt?

Gleim: "Nach der WM gab es kurzfristig Überlegungen, zusammen mit Gordon Herbert (Head Coach der deutschen Nationalmannschaft) beim französischen Topklub ASVEL Lyon-Villeurbanne zu unterschreiben. Als daraus nichts wurde, flatterte das Angebot der Franklin Bulls ins Haus. Ihr ehemaliger Trainer Daniel Sokolovsky, der früher in Chemnitz arbeitete, kannte mich aus der BBL und hat mich empfohlen. Es folgten mehrere Interviews und offensichtlich war der Verein überzeugt. Als Familie haben wir dann entschieden, dass es der richtige Zeitpunkt ist, um diesen Schritt zu wagen."

O|N: Können Sie sich vorstellen, längerfristig in Neuseeland zu bleiben?

Gleim: "Ich habe für zwei Saisons unterschrieben, mit Option auf eine weitere. Danach wird man sehen. Die Entfernung ist schon brutal, der Flug dauert mit Zwischenstopp zum Beispiel in Doha insgesamt 24 bis 27 Stunden. Und auch wenn unser Zuhause jetzt in Neuseeland ist, die Heimat bleibt Deutschland."

O|N: Apropos Deutschland: wie kann es sein, dass es für den Assistenztrainer des amtierenden Weltmeisters keine interessanten Optionen im Heimatland gibt?

Gleim: "Diese Frage müssen andere beantworten. Zum einen gab es im letzten Sommer nicht viele Vakanzen in der BBL. Dazu kommt, dass ich mich proaktiv in Richtung Ausland orientiert habe, den Schritt also bewusst gehen wollte. Ich bin also weder verärgert, noch traurig darüber. Ganz im Gegenteil: in Zukunft möchte ich gerne wieder in Deutschland arbeiten, wenn mich die Aufgabe reizt."

O|N: Der ehemalige BBL-Coach und jetzige TV-Kommentator Stefan Koch sagte einmal, eine Karriere wie die ihrige, die sie aus dem Jugendbereich auf Cheftrainersessel in der ersten Liga katapultierte, sei im deutschen Basketball "eigentlich nicht vorgesehen". Wie konnte sie dennoch gelingen?

Gleim: "Ich habe bereits früh gemerkt, dass mir das Coaching im Blut liegt und meine große Leidenschaft ist. Entsprechend war ich bereit, für die Verwirklichung dieses Traumes Opfer zu bringen, denn das ist nötig. Anstatt auf die Sicherheit eines traditionellen Studiums zu setzen, habe ich mithilfe einer Ausbildung zum Physiotherapeuten versucht, im professionellen Basketball Fuß zu fassen. Ich wollte eine Chance und ich habe sie bekommen."

O|N: Trotz der riesigen Entfernung bleiben Sie aktiv in der osthessischen Basketball-Szene. Was hat es mit Ihrem Engagement bei den TV Hersfeld Titans auf sich?

Gleim: "Wir haben das Projekt 2002 ins Leben gerufen, da war ich 18. Mit viel jugendlichem Leichtsinn und einer Prise Naivität. Einiger der damaligen Gründungsmitglieder, sowie mit dem ehemaligen Zweitligaprofi Ceyhan Pfeil der wohl beste Spieler, den die Titans bisher hervorgebracht haben, möchten mit dem neuen Förderverein den Fortbestand eines attraktiven Basketball-Angebots in Bad Hersfeld nachhaltig sichern."

O|N: Vom Breitensport zurück zu den Profis: Nach sechs Spielen rangiert ihr neuer Arbeitgeber mit einer Bilanz von fünf Siegen bei erst einer Niederlage auf Platz zwei in der neuseeländischen NBL. Zufrieden?

Gleim: "Ein guter Start, keine Frage. Allerdings waren nicht alle Gegner vollzählig, weil einige der drei erlaubten ausländischen Akteure erst später eintrafen. Wir hatten allerdings das gleiche Problem mit unserem Aufbauspieler. Die Spielklasse ist insgesamt sehr ausgeglichen und es wird sehr schnell gespielt. Da kann ich als erster europäischer Head Coach in der Geschichte der Liga neue Stilelemente einbringen." (mh) +++

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