Geschlossenheit, Entschlossenheit, Konsequenz
Last Border Patrol auf Point Alpha: 34 Jahre ist der letzte Kontrollgang her
34 Jahre nachdem die Soldaten der US-Army das letzte Mal vom Observation Post Alpha aus zu einer Patrouille entlang der innerdeutschen Grenze zwischen Rasdorf und Geisa aufbrachen, erinnerte die Point Alpha Stiftung am Freitag im US Camp der Gedenkstätte mit dem Festakt Last Border Patrol an ihren Dienst
Fotos: Moritz Bindewald
20.04.2024 / RASDORF / GEISA -
Uneingeschränkte Geschlossenheit, mutige Entschlossenheit und ein gemeinsames konsequentes Vorgehen sind unverzichtbare Faktoren, um Werte wie Freiheit und Demokratie zu verteidigen. Diese Tugenden aus dem Kalten Krieg haben auch heute im Kampf gegen diktatorische Aggressoren nichts an Gewicht und Tragweite eingebüßt. Deutlich wurde dies bei der traditionellen Last Border Patrol der Point Alpha Stiftung im ehemaligen "Observation Post Alpha".
Im Rahmen eines Festaktes mit internationalem Schüler-Begegnungstag wurde an den letzten Kontrollgang der US-amerikanischen Soldaten vor 34 Jahren entlang der Innerdeutschen Grenze zwischen Rasdorf und Geisa erinnert. Zahlreiche Zuschauer verfolgten die Zeremonie auf dem Appellplatz und in der Fahrzeughalle am Hummelsberg.
Mit der Last Border Patrol hält die Point Alpha Stiftung die Erinnerung an die Wachsamkeit und Einsatzbereitschaft der GIs wach und unterstreicht die Rolle dieses symbolischen Ortes für die militärischen und politischen Entwicklungen, aber auch für die transatlantische Partnerschaft. "Am östlichen Vorposten der westlichen Welt hat hier die US Army bis zum Frühjahr 1990 die Freiheit gesichert", betont Benedikt Stock. Für den Geschäftsführende Vorstand der Point Alpha Stiftung wird mit dem Blick in den Rückspiegel auch immer bewusster, dass trotz Wiedervereinigung, Gorbatschow und freundlicher Annäherung der Konflikt zwischen Freiheit und Diktatur, zwischen Demokratie und Autoritarismus nie aufgehört hat, weiter zu schwelen - und das ungebrochen seit 1945. Von daher sei die "North Atlantic Treaty Organisation" - kurz NATO - wieder in den Fokus gerückt, ihre Bedeutung wichtiger denn je. Einer für alle, alle für einen. Nicht nur bei den drei Musketieren ein wertvoller Gedanke. Wenn alle freien Staaten an einem Strang zögen, mit einer Stimme sprächen, könnte dies erneut das Fundament für eine hoffnungsvolle Zukunft sein.
Symbolische Flaggeneinholung und Übergabe
Auftakt zur Veranstaltung war die würdevolle Flaggen-Parade, das sogenannte "Retreat Ceremony", welche von den amerikanischen Kadetten der High School JROTC aus Wiesbaden unter Leitung von Instructor Allen T. Ashton durchgeführt wurde und mit der Intonation der Nationalhymne durch den Trompeter Martin Möller aus Wenigentaft endete. "Mission accomplished –Auftrag erfüllt": Symbolisch holten die US-Kadetten die "Stars & Stripes" ein, falteten sie sorgsam zusammen und übergaben sie an die Stiftung.
"1989 waren es die mutigen Bürger der DDR, die den Wunsch auf die Straße trugen, die Zukunft frei und selbstbestimmt gestalten zu können. Vor zehn Jahren taten die Ukrainer das gleiche, ihre Hoffnung wurde durch das brutale Eingreifen Russlands genommen", zieht John R. Crosby, Generalkonsul, US-Generalkonsulat Leipzig, Parallelen zwischen gestern und heute. Die Ukraine wehre sich gegen Willkürherrschaft, zensierte Medien, fehlende Rechtsstaatlichkeit, Unterdrückung und Verfolgung Andersdenkender bis zum Tod. Das verdiene Unterstützung und die USA seien froh, in Deutschland einen Partner mit Führungsqualitäten zu haben, mit dem man gemeinsam der Ukraine wirtschaftlich, militärisch und mit humanitärer Hilfe zur Seite stehe. "Wir dürfen nicht nachlassen, denn die Menschen in der Ukraine zu helfen, sie verteidigen auch die Werte, für die Deutschland und die USA einstehen", unterstrich Crosby.
Crosby kritisiert Verwechslung von Aggressor und Verteidiger
Die NATO suche keine Konfrontation und stelle keine Bedrohung für Russland dar, verdeutlicht Crosby. Dennoch registriere er gegenüber den Vereinigten Staaten und der NATO eine wachsende Skepsis. Seine Aufgabe als Generalkonsul sei es, dem entgegenzuwirken. "Wofür ich jedoch kein Verständnis habe, ist, wenn in manchen Diskussionen, Leserbriefen oder Gesprächen eine geschichtsvergessene Verzerrung der Tatsachen einsetzt und man die Rollen von Aggressor und Verteidiger vertauscht", stellt der Generalkonsul klar.
"Das vermeintliche 'Recht des Stärkeren' scheint sich weltweit wieder Bahn zu brechen, wobei es nicht mehr nur eines offenkundigen Waffenganges auf Schlachtfeldern bedarf", erläutert Oberstleutnant Andreas Obst vom Landeskommando Thüringen der Bundeswehr. Der moderne Konflikt sei "hybrid" geworden. Dazu zählten Angriffe aus dem Cyberraum auf beispielsweise Energie- und Gesundheitsversorgung, Desinformationskampagnen oder das Streuen von Zweifeln in die Handlungsfähigkeit demokratisch legitimierter Vertreter eines Staates.
Dreiklang "friedensorientiert – verteidigungsbereit – wehrhaft"
Der Dreiklang "friedensorientiert – verteidigungsbereit – wehrhaft" könne nur dauerhaft funktionieren, wenn es gelinge, eine glaubwürdige Abschreckung auf die Beine zu stellen. "Frieden herrscht nur, wenn die Friedlichen stärker sind als die Aggressoren, die Demokraten stärker als die Diktatoren und die Toleranten stärker als die Fanatiker."
Die Ereignisse und Folgen des Kalten Krieges verbunden mit einem Brückenschlag in die Gegenwart waren auch Thema der Beiträge von Brigadegeneral Bernd Stöckmann vom Landeskommando Hessen der Bundeswehr, von Jennifer Walsh, stellvertretende Generalkonsulin im US-Generalkonsulat Frankfurt und von Brigadegeneral Eero Keravuori von der US Army Europe and Africa. Einig waren sich alle, dass mit der Präsenz der Amerikaner am "heißesten Punkt im Kalten Krieg" eine militärische Auseinandersetzung verhindert wurde und mit dem Blick in die Vergangenheit uns die Aufgaben für Gegenwart und Zukunft aufgezeigt werden. Im Namen der Blackhorse Association sprach schließlich Craig Birchard den US-Veteranen seinen Dank aus und schloss dabei alle deutschen Freunde von den früheren Kasernen-Standorten Fulda, Bad Hersfeld und Bad Kissingen mit ein.
Ermunterung zum Austausch mit Zeitzeugen
"Freedom’s Frontier" so nannten die Soldaten des 14. und dann des 11. Armored Cavalry Regiments den Beobachtungsstützpunkt, an dem Sie Jahrzehnte Dienst taten - täglich die Symbole der Unfreiheit mit Stacheldraht, Streckmetallzäunen, Selbstschussanlagen und Minenfeldern vor Augen. Rund 100 Schüler begaben sich mit ihren Lehrkräften im Rahmen eines internationalen Begegnungstages auf eine Zeitreise. Von den wissenschaftlichen Mitarbeitern der Point Alpha Stiftung und von Point-Alpha-Zeitzeugen erhielten die Jugendlichen aus der Modellschule Obersberg Bad Hersfeld, des Philipp-Melanchthon-Gymnasium Gerstungen und der Rhön-Ulstertal-Schule aus Geisa sowie die amerikanischen Schüler der Wiesbaden High School Einblicke über die Hintergründe der Teilung und über die Lage damals am "Eisernen Vorhang". Generalkonsul Crosby ermunterte die jungen Leute dazu, sich untereinander auszutauschen: "Umso intensiver wir diskutieren, reden und von- und übereinander lernen, desto klarer werden wir erkennen, was uns verbindet – zwischen Jung und Alt, zwischen Hessen und Thüringen, zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten."
Zahlreiche Ehrengäste aus Politik, Gesellschaft und Verbänden hatten der Veranstaltung beigewohnt. Darunter nach Angaben der Stiftung etwa für das Land Hessen der Staatssekretär Michael Ruhl (CDU, Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt, Weinbau, Forsten, Jagd und Heimat) sowie für den Freistaat Thüringen Ministerialdirigent Ulrich Grünhage (Staatskanzlei), der CDU-Bundestagsabgeordnete und Präsident des Kuratoriums Deutsche Einheit e.V., Christian Hirte, die Landtagsabgeordneten Stefanie Klee (CDU), Martin Henkel (CDU), Andreas Hofmeister (CDU), Tanja Hartdegen (SPD) und Dr. Matthias Bürger (FDP), der Landrat des Wartburgkreises Reinhard Krebs, der Erster Kreisbeigeordneten des Landkreises Fulda Frederik Schmitt sowie der Bürgermeister der Point Alpha-Gemeinde Rasdorf Jürgen Hahn. (pm) +++