"Gibt kaum eine Tierart, die so polarisiert"

Nach mittlerweile 90 Jahren: Waschbären sind längst heimisch geworden

Am 12. April 1934 wurden die ersten zwei Waschbären-Paare am Edersee in Hessen ausgesetzt.
Archivfotos: O|N/Laura Struppe

12.04.2024 / REGION - "Es gibt kaum eine andere Tierart, die so polarisiert und spaltet wie der Waschbär – und das


mittlerweile seit 90 Jahren!", so die hessische Landestierschutzbeauftragte Madeleine Martin in Wiesbaden. Am 12. April 1934 wurden die ersten zwei Paare am Edersee in Hessen ausgesetzt mit dem Ziel, die Tiere anzusiedeln zur Bereicherung der heimischen Fauna", wie es damals in Jägerkreisen hieß.

Seitdem hat sich der aus Nordamerika stammende Kleinbär deutschlandweit ausgebreitet – Tendenz steigend. Zu den aus Hessen stammenden Tieren kamen 1945 in Brandenburg noch ca. 25 aus einer Pelztierfarm entflohene Tiere dazu. Hessen nahm den Kleinbären dann als erstes Bundesland am 29.10.1954 in das Jagdrecht auf – bis 2016 als jagdbares Wild, ohne Schonzeit.

Aufgrund ihrer wachsenden Zahl werden die Waschbären mittlerweile von vielen abgelehnt. Zu Konflikten kommt es insbesondere in Siedlungen, wenn die Tiere Obstbäume plündern oder Dachböden für sich nutzen. Auch sagt man den Waschbären negative Auswirkungen auf bedrohte Arten bis hin zu deren Ausrottung nach. Als einzige Antwort darauf wird der Waschbär bis heute intensiv gejagt. Martin dazu: "Natürlich kann eine Bejagung erkrankter Tiere im Seuchenfall dem Tierschutz dienen, aber allein, um den Bestand zu verringern, ist sie nicht zielführend. Hätten 70 Jahre Jagdausübung auf Waschbären zu einer effektiven Verringerung des Bestandes beigetragen, müssten wir heutzutage doch kaum mehr darüber reden. Man könnte sich ja fragen, wie aus einer Handvoll Tiere unter der ständigen, sachkundigen Bejagung eine Invasion werden konnte?!"

Nach der fachlichen Auffassung von Martin ist dabei aber populationsökologisch klar, dass Bejagung oder Fang mit dem Ziel, die Populationsdichte zu reduzieren, zumeist ohne Erfolg bleiben: Waschbären können Populationsverluste durch eine vermehrte Fortpflanzungsrate ausgleichen und neue Tiere rücken bei einer "Entnahme" aus den umliegenden Gebieten in dann unbesetzten Lebensraum nach. Seit 2016 wird der Waschbär nun zudem auf der Unionsliste der invasiven Arten der EU geführt. Dabei unterscheidet die EU sehr differenziert und gibt den Mitgliedsstaaten verschiedene Wege an die Hand, invasive Arten – und das betrifft insbesondere auch den schon weit verbreiteten Waschbären - zu managen und Schäden zu minimieren. Die wichtigsten vorbeugenden Maßnahmen an Häusern sind der Verschluss möglicher Einstiege zu Dachböden, Schuppen usw. und die Verhinderung des Einstiegs durch passive Schutzmaßnahmen wie glatte Bleche, an denen Waschbären keinen Halt finden. So können auch Obstbäume geschützt werden. Offen liegende Müll- und Essensreste sowie Fallobst sollten generell rasch entfernt werden, um eben keine unerwünschten Besucher anzulocken.

"Auch wenn viele Menschen es glauben: Töten ist nach der EU-Verordnung nicht die einzige 'allein selig machende' Maßnahme. Es wird unterschieden, ob ein Tier in der Region schon heimisch geworden ist, oder erst wenige Exemplare eingewandert sind. Je vielseitiger und strukturierter die Natur, umso geringere Auswirkungen hat der Waschbär auf andere Arten. So sollte vielmehr der Schutz der Lebensräume im Vordergrund stehen und nicht eine Bejagung des Waschbären die Konsequenz sein. Seltenen und bedrohten heimischen Arten können Ausfälle durch Beutegreifer, aber eben auch durch die vielen menschlichen Aktivitäten wie zum Beispiel Straßenbau, Verkehr, Landwirtschaft und Outdoorsport viel besser kompensieren, wenn ihre Lebensräume gestärkt sind", so die LBT.

Abschließend stellt sie fest: "Beim Management von Wildtieren sollten wir moderne, wissenschaftlich basierte, zeitgemäße Ansätze verfolgen, die dann auch hinsichtlich ihrer Wirksamkeit bewertet werden können. Das Staatsziel Tierschutz schließt auch jagdbare Wildtiere und invasive Arten mit ein." (pm) +++

Plagegeister? Waschbären spalten die Meinungen.


Archivfoto: O|N/Henrik Schmitt

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