ELSA-Projekt stellt erste Ergebnisse vor
Ungewollte Schwangerschaft: "Diese Frauen bestmöglich unterstützen"
Symbolbild: Pixabay
11.04.2024 / REGION -
Ein multidisziplinärer Forschungsverbund mit über 30 Wissenschaftlern von sechs Hochschulen und Universitäten hat in den vergangenen dreieinhalb Jahren die Lebenslagen und Bedürfnisse ungewollt Schwangerer, ihre Unterstützungs- und Versorgungsbedarfe sowie die Versorgungsstrukturen hierzulande untersucht. Jetzt folgt der Bericht.
Das Projekt "Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer – Angebote der Beratung und Versorgung (ELSA)" wurde vom Bundesministerium für Gesundheit aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Für Deutschland gibt es bislang keine vergleichbar umfassende und fundierte Studie. Im Herbst soll der Gesamtbericht einschließlich Handlungsempfehlungen vorliegen. Aufgrund der hohen Relevanz stellt das Projekt bereits jetzt ausgewählte Ergebnisse zur Verfügung.
An der ELSA-Studie beteiligt ist auch die Hochschule Fulda.
Lebenslagen und Wohlbefinden im Fokus
Belastungen, Ressourcen, Bewältigungsprozesse
In überwiegend qualitativ-empirisch ausgerichteten Vertiefungsstudien untersuchten die Forschenden Belastungen, Ressourcen und die Bewältigungsprozesse von Frauen, die ungewollt schwanger sind und diese Schwangerschaft austragen oder abbrechen, unter Berücksichtigung der erhaltenen Unterstützung und der Erfahrungen mit der Versorgung. Hierbei wurden auch spezifische vulnerable Gruppen einbezogen: Frauen in Gewaltbeziehungen, Frauen mit psychischen Erkrankungen, mit Migrations- oder Fluchterfahrung sowie Frauen mit traumatischen Erfahrungen in der Kindheit.Nach jetzigem Stand der Auswertung zeigen die Daten:
- Frauen mit ungewollten Schwangerschaften befinden sich häufiger als gewollt Schwangere in für eine Familiengründung oder -erweiterung unpassenden bzw. schwierigen Lebenslagen.- Der Zugang zur medizinischen Versorgung unterscheidet sich regional und reicht von umfassender Bedarfsdeckung bis hin zu unterversorgten Regionen.
Frauen stoßen bei einem Schwangerschaftsabbruch auf Barrieren, zum Beispiel beim Zugang zu Informationen, bei den Kosten für den Schwangerschaftsabbruch oder beim Zugang zum Versorgungsangebot.
- Vulnerable Gruppen haben spezifische Anforderungen an psychosoziale und medizinische Versorgung, denen die Angebote derzeit noch nicht gerecht werden.
- 65 Prozent der Ärztinnen und Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, haben deswegen Stigmatisierung im privaten, beruflichen oder öffentlichen Umfeld erlebt.
- Ärztinnen und Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche in der Facharztweiterbildung praktisch erlernt haben, führen später auch häufiger Schwangerschaftsabbrüche durch.
Passgenauere Unterstützungs- und Versorgungsleistungen
Knell fordert die Landesregierung auf, das Thema Schwangerschaftsabbruch zu enttabuisieren, Abtreibung als Bestandteil der Gesundheitsversorgung zu sehen und die Erreichbarkeit entsprechender Einrichtungen flächendeckend zu verbessern. "Das Ergebnis der Studie zeigt dringenden Handlungsbedarf auf. Der Zugang zum Schwangerschaftsabbruch darf nicht vom Wohnort abhängen. Die gesetzliche Regelung, dass eine entsprechende Praxis innerhalb eines Tages mit dem ÖPNV erreichbar sein muss, greift zu kurz und geht an den Bedürfnissen von Frauen in dieser schwierigen Situation vorbei. Hessen muss hier besser sein als Mindestmaß", betont Knell. (pm) +++