Reserven aufgebraucht
Hanf-Unternehmen "Green Pioneers" insolvent: "Cannabisgesetz ändert nichts"
Zwei der drei "Green Pioneers": Kerim Viebrock (links) und Philipp Gärtner
Archivfotos: O|N/Marius Auth
09.04.2024 / FULDA -
Das Nutzhanf-Unternehmen "Green Pioneers" aus Fulda war 2018 angetreten, um aus THC-freien Hanfpflanzen Lebensmittel und Naturkosmetik herzustellen. Auf 50 Hektar Fläche wurde mit regionalen Landwirten auch an der Rehabilitierung der Kulturpflanze gearbeitet, die selbst für Textilien und als Baustoff eingesetzt werden kann. Jetzt muss das Unternehmen Insolvenz anmelden: Anklagen wegen bandenmäßigen Drogenhandels und fahrlässigen Handels mit Betäubungsmitteln hätten erst die Reputation und dann die Handelsbeziehungen ruiniert.
Seit 1. April sind in Deutschland Konsum und Besitz THC-haltiger Cannabisprodukte in begrenzten Mengen straffrei. Auch Nutzhanf darf nun mit einem THC-Wert von 0,3 Prozent in den Verkehr gebracht werden - vorher lag der Grenzwert bei 0,2 Prozent. Den "grünen Pionieren", die unweit des Firmensitzes im beschaulichen Stadtteil Malkes auch drei Hektar Anbaufläche unterhalten haben, bringt das nichts: 2021 waren die Räumlichkeiten von Staatsanwaltschaft und Polizei durchsucht worden. Die Anklage: Verdacht auf bandenmäßigen Drogenhandel in nicht geringer Menge. Die Anklage wurde später herabgestuft auf fahrlässigen Handel mit Betäubungsmitteln.
Rauschklausel bleibt
"Analysen durch das hessische Kriminallabor haben ergeben, dass unsere Produkte zwischen 0,13 und 0,19 Prozent THC enthalten. Wir haben also sogar unter dem alten Grenzwert gelegen. Allerdings gibt es im Cannabisgesetz die sogenannte Rauschklausel, die besagt, dass ein Missbrauch zu Rauschzwecken komplett ausgeschlossen sein muss, selbst wenn der Grenzwert nicht erreicht wird. Diese alte Rauschklausel wurde nicht gestrichen. Und darauf stützt die Staatsanwaltschaft Fulda ihre Berufungsklage", erklärt Philipp Gärtner, einer der drei Geschäftsführer der "Green Pioneers".
Nachdem im Februar 2023 ein Freispruch für die Anklage des fahrlässigen Handels mit Betäubungsmitteln am Amtsgericht Fulda verbucht werden konnte, legte die Staatsanwaltschaft wegen ebenjener Rauschklausel Berufung ein. Seitdem warten die Hanf-Unternehmer auf einen Berufungstermin beim Landgericht Fulda. Der wurde bisher nicht festgelegt, wie die Staatsanwaltschaft Fulda bestätigt. Den finanziellen Schaden schätzt Gärtner auf rund 750.000 Euro: beschlagnahmte Warenbestände, außerdem die beschädigten Handelsbeziehungen durch den Reputationsverlust in der Branche.
"Verhältnismäßigkeit nicht gegeben"
"Die Staatsanwaltschaft hat mehr als 50 unserer Handelspartner angezeigt: Handel mit Betäubungsmitteln - danach arbeitet keiner mehr mit dir zusammen. Die Verhältnismäßigkeit ist einfach nicht gegeben: Bei einer früheren Gerichtsverhandlung wurde festgestellt, dass man für 1.000 Euro CBD-Produkte aus unserem Shop kaufen müsste, um einen Rausch zu bekommen. Trotzdem hält die Staatsanwaltschaft an der Berufung fest - und das, wo man Gras jetzt einfach legal im Garten anbauen kann. Das Cannabisgesetz ändert für uns also gar nichts."
Weil die finanziellen Reserven der "Green Pioneers" aufgebraucht sind, wurde im März Insolvenz angemeldet. "Wir haben einfach keine wirtschaftlichen Optionen mehr. Neulich wollten wir ein Erfrischungsgetränk aus Nutzhanf etablieren, ganz ohne CBD oder THC. Aber wir finden keine Handelspartner mehr - der Reputationsschaden ist einfach zu groß. Wenn die Berufung fallengelassen würde, würde das wenigstens zu unserer Rehabilitierung beitragen", so Gärtner. (mau) +++