Der Stadtpfarrer bei O|N

Impuls von Stefan Buß: Der blaue Stuhl


Archivbild: O|N/Hendrik Urbin

20.04.2024 / FULDA - Ich bin heute bei der 72 Stunden Aktion des BDKJ bei den Jugendlichen der Stadtpfarrei dabei. Sie reparieren Stühle und Bänke und streichen sie neu an. Bei so vielen Stühlen fiel mir einer besonders auf, der nun frisch in blauer Farbe angestrichen ist. Mir fiel dabei die Geschichte vom blauen Stuhl ein. Eines Tages gingen Herr Klops und Herr Schwärzlich in der Wüste spazieren.



»Nicht viel los hier«, sagte Herr Schwärzlich. »Irgendwie wüstenmäßig«, knurrte Herr Klops, der es immer sehr genau nahm. »Ah! Da ist was!«, sagte Herr Schwärzlich und deutete auf einen blauen Fleck in der Ferne. Sie kamen näher und sahen einen Stuhl. »Ein Stuhl«, sagte Herr Schwärzlich. »Ein blauer Stuhl«, sagte Herr Klops... und setzte sich sogleich unter den Stuhl. »Ich mag Stühle«, sagte er, »man kann sich darunter verstecken.« »Na, das ist das allerwenigste«, sagte Herr Schwärzlich. »Ein Stuhl ist eine zauberhafte Sache. Man kann ihn in einen Hundeschlitten verzaubern, in ein Feuerwehrauto, in ein Polizeiauto, in ein Flugzeug, in einen Hegalopter…« »Helikopter heißt das«, knurrte Herr Klops.

E »Na gut«, sagte Herr Schwärzlich. »Jedenfalls kann man einen Stuhl in alles verzaubern, was fährt und fliegt… und in alles, was schwimmt.« »Na, klar doch!«, sagte Herr Klops, dem das Spiel langsam Spaß machte. »Schwärzlich, pass auf. Haifische!« »Und das ist noch längst nicht alles«, sagte Herr Schwärzlich. »In null Komma nix wird aus einem Stuhl ein Schreibtisch oder ein Ladentisch. Es gibt wohl kaum was Schöneres, als Kaufladen zu spielen. Nicht wahr, mein lieber Klops?« »Oh, ja!« Herr Klops bestätigte das.

»Ein Stuhl ist wirklich und wahrhaftig eine zauberhafte Sache. Aber er ist auch sehr praktisch. Wenn du dich auf einen Stuhl stellst, mein lieber Schwärzlich, dann bist du größer als dein größter Freund ... ... und ein Stuhl ist auch sehr nützlich, um sich gegen wilde Tiere zu verteidigen. Die würden einen sonst womöglich anknabbern. Das kann man täglich in jedem Zirkus sehen ... ... und in den Zirküssern, nein, den Zirkussen«, fuhr Herr Klops fort, denn er war jetzt so richtig in Fahrt, »in den Zirkussen, da machen die Akrobaten und Jongleure mit Stühlen die tollsten Kunststücke. Einfach so!«

Herr Schwärzlich wollte nicht zurückstehen. »Ich bin dran, ich bin dran!«, rief er und ließ seinen Worten Taten folgen. »Du vergisst die Equilibristen. Ja, so heißen die!« Nicht weit von ihnen beobachtete ein Kamelide (sozusagen die Idee von einem Kamel, und solche Tiere sind in der Wüste häufig anzutreffen), nicht weit von ihnen beobachtete also ein Kamelide mit strengem Blick die Spielereien der beiden Freunde. In aller Stille näherte sich das Kamelide und rief dann plötzlich: »Nein, jetzt reichtʼs aber! Was ist denn das für ein Zirkus?!« Pardauz, fidibumm, aus der Traum! »Ein Stuhl«, sagte das Kamelide, »ein Stuhl ist dazu da, um sich darauf zu setzen.« Das Kamelide setzte sich breit und behäbig auf den Stuhl, fest entschlossen, sich so bald nicht wieder zu erheben. »Gehen wir«, sagte

Herr Schwärzlich zu seinem Freund, »dieses Kamel hat ja keine Ahnung, nicht die geringste Idee!« »Und außerdem ist es nicht einmal ein Kamel«, sagte Herr Klops, der es immer sehr genau nahm, »es hat nämlich nur einen einzigen Höcker! Es ist nichts anderes als ein Dromedar!« (Claude Boujon)

Meisterhaft und humorvoll zeigt Claude Boujon, der frz. Kinderbuchautor (1930 – 95) die Fantasiewelt von Kindern und Erwachsenen, die in einem simplen Gegenstand eine ganze Welt entdecken können und sich auch nicht von einem verbohrten kamliden Menschen beirren lassen, in den Dingen ihre Möglichkeiten zu suchen. Die Geschichte lehrt, dass die Welt nicht nur rein funktional ist, sondern sich in allen Dingen immer wieder neu entdecken lässt. (Stefan Buß)+++

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