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Entfremdung von Partei und Politikbetrieb

SPD-Politiker Roth kündigt Rückzug an: "Nach der Bundestagswahl bin ich raus"

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Roth macht Schluss.
Archivfotos: O|N/Hans-Hubertus Braune

26.03.2024 / BERLIN/BAD HERSFELD - In einem Interview mit dem Magazin "Stern" hat der langjährige SPD-Außenpolitiker und derzeitige Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses Michael Roth überraschend seinen Rückzug aus der Politik für das Jahr 2025 angekündigt. "Als Politiker muss man sich ohnehin alle vier Jahre fragen, ob man noch will, noch kann, noch darf. Und ich will nicht mehr. Bis zur Bundestagswahl mache ich noch. Danach bin ich raus."



Seit seinem Einzug in den Bundestag im Jahr 1998 vertritt Michael Roth meinungsstark und selbstbewusst die Interessen der SPD. Von 2013 bis 2021 bekleidete er die Position des Staatsministers für Europa im Auswärtigen Amt und war von 2014 bis 2021 zusätzlich als Beauftragter der Bundesregierung für die deutsch-französische Zusammenarbeit tätig. Seit 2021 bekleidet er das Amt des Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag und hat sich währenddessen für internationale Beziehungen und insbesondere für die Unterstützung der Ukraine starkgemacht.

Gründe lassen aufhorchen

Roths Entscheidung, die politische Bühne zu verlassen, beruhe auf einer zunehmenden Entfremdung von der Partei und dem Politikbetrieb. Eine Entwicklung, die er als schleichend beschreibt. "Ich habe den Biss nicht mehr. Ich spüre eine innere Distanz zum Betrieb. Jetzt ist mal Schluss mit Politik. Das ist ein gutes Gefühl", erklärte der 53-jährige Sozialdemokrat dem Magazin Stern. 

Roth vergleicht die Atmosphäre innerhalb der SPD mit einem Kühlschrank

Besonders deutlich wurde seine Entfremdung in der Beschreibung der Atmosphäre innerhalb der SPD, die er mit dem Betreten eines "Kühlschranks" verglich, wenn er zu Fraktionssitzungen erschien. "Ich bin leidenschaftlicher Sozialdemokrat, wollte ja auch mal Vorsitzender der SPD werden. Aber im letzten Jahr habe ich gemerkt, dass ich mit unseren Sitzungen immer mehr fremdele, dass mich die Gremien stören, die Stimmung darin. Wenn die Tür zum Fraktionssaal aufging, hatte ich zuletzt den Eindruck, ich steige in einen Kühlschrank." Seine Reise in die Ukraine kurz nach Kriegsbeginn und die darauf folgende Kälte einiger Parteimitglieder ihm gegenüber hätten dies nur unterstrichen: "Mein früher Einsatz für die Ukraine gefiel nicht allen. Und als ich kurz nach Kriegsausbruch in das Land reiste, grüßten mich manche in der Fraktion nicht einmal mehr." Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass er eine Mitverantwortung für die Entfremdung trage. "Ich habe öffentlich viel für meine Positionen gekämpft, das Gespräch mit Kollegen dafür vernachlässigt."

"Spitzenpolitiker müssen heute jeden Tag einfach nur überleben"

Roth, der auch wegen mentaler Erschöpfung im Jahr 2022 eine Auszeit nahm, sprach offen über die Anforderungen an Spitzenpolitiker in der heutigen Zeit. Die notwendige "absolute Stressresistenz" und "übermenschliche mentale und physische Stärke" seien Eigenschaften, die den Politikbetrieb prägen, aber auch einen hohen persönlichen Tribut fordern können. Wer heute Spitzenpolitik betreibe, müsse sich fast komplett aufgeben. "Das ist brutal. Spitzenpolitiker müssen heute jeden Tag einfach nur überleben."

Seinen Rückzug kündigte Roth ebenfalls auf der Plattform "X" in einem Video an. "Was jetzt kommt, das weiß ich noch nicht. Aber eins weiß ich, dass ich bis zu meinem letzten Tag dieses wunderbaren Mandats meine Arbeit machen werde. Für euch, für eine freie Ukraine, für ein sicheres Israel, für eine bessere Welt und für die Menschen in meinem Wahlkreis." (ms) +++

Michael Roth mit Olaf Scholz im Jahr 2021 auf dem Linggplatz in Bad Hersfeld


Archivfoto: O|N/Christopher Göbel

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