Innenminister Poseck: "Viel zu viele Fälle"
Spitzentreffen mit Banken und Kreditwirtschaft zur "Allianz Geldautomaten"
Ein Bild der Verwüstung nach der Geldautomatensprengung in Eiterfeld im Februar.
Foto: Hans-Hubertus Braune
07.03.2024 / WIESBADEN -
Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) hat am Donnerstag die Mitglieder der Allianz Geldautomaten sowie weitere Vertreterinnen und Vertreten der hessischen Banken und der Kreditwirtschaft zu einem Spitzentreffen eingeladen, um den Kampf gegen Geldautomatensprengungen weiter zu verstärken.
Innenminister Roman Poseck erklärte nach dem Austausch mit den Banken und der Kreditwirtschaft: "Die Fallzahlen der Geldautomatensprengungen sind zu hoch. Es muss alles darangesetzt werden, diese zu senken. Von Geldautomatensprengungen gehen erhebliche Gefahren aus. Die Täter handeln skrupellos. Wir brauchen ein noch wirksameres Zusammenspiel von Prävention und Repression. Dieses wiederum setzt eine enge Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten voraus. Es freut mich, dass meiner Einladung heute mehr als 80 Vertreterinnen und Vertreter der hessischen Banken und der Kreditwirtschaft gefolgt sind. Von diesem Spitzentreffen geht ein starkes Signal für unseren gemeinsamen Kampf gegen Geldautomatensprengungen aus. Banken und Kreditwirtschaft haben deutlich gemacht, dass sie ihre präventiven Anstrengungen weiter ausbauen werden."
Die Allianz Geldautomaten sei ein Zusammenschluss von derzeit rund 60 Mitgliedern, die dem Phänomen der Geldautomatensprengungen effektiv begegnen wollen. Die Mitglieder können auf erfolgreiche präventive Maßnahmen verweisen. "Es ist anerkennenswert, dass viele Banken und Kreditinstitute schon umfangreiche präventive Anstrengungen unternommen und dabei auch finanzielle Investitionen getätigt haben. Diese zeigen Wirkung. Derzeit sind vor allem Automaten von Sprengungen betroffen, bei denen bisher keine besonderen Schutzmaßnahmen ergriffen wurden. Mir ist es heute auch ein wichtiges Anliegen, um weitere Mitglieder für die ALLIANZ zu werben. Ich möchte die ALLIANZ ausweiten und die bereits getroffenen Maßnahmen intensivieren. Daher ist es ein bedeutsamer Schritt, dass weitere Banken angekündigt haben, sich der Allianz Geldautomaten anzuschließen. Sie erklären sich damit bereit, dem Vorbild den Banken in dem Zusammenschluss zu folgen und den Ausbau präventiver Elemente voranzutreiben."
Die Ausgestaltung der präventiven Maßnahmen richtet sich nach den individuellen Sicherheitskonzepten der Kreditinstitute, die insbesondere seitens des Hessischen Landeskriminalamtes sowie der regionalen hessischen Polizeipräsidien fortlaufend und individuell beraten werden. Zu diesen Maßnahmen gehören beispielsweise Nachtverschluss, Videoüberwachung, Nebeltechnik oder die Verwendung von Einfärbesystemen.
Der Minister ergänzte: "Unser gemeinsames Ziel ist es, dass Banken und Kreditwirtschaft durch individuelle Sicherheitskonzepte an den Geldautomaten den Tatanreiz und die Tatgelegenheiten noch weiter minimieren. Wir wollen mit der Allianz ein flächendeckendes Netz in Hessen spannen.
"Wir brauchen mehr Abschreckung!"
Zur Bekämpfung der Geldautomatensprengungen brauchen wir neben den präventiven aber auch repressive Anstrengungen. Ich setze mich dafür ein, dass ein eigener Straftatbestand geschaffen wird, der die Sprengstoffexplosion zum Zwecke des Diebstahls erfasst und eine Mindeststrafe von fünf Jahren hat. Wir haben es hier mit Fällen der Organisierten Kriminalität mit einem hohen Gefahrenpotential für die Menschen zu tun. Das muss sich im Strafmaß abbilden. Wir brauchen eine noch deutlichere Abschreckungswirkung des Strafrechts. Dabei können wir gute Erfolge in der Strafverfolgung vorweisen: Seit 2022 konnten insgesamt mehr als 80 Tatverdächtige ermittelt werden. Von den im vergangenen Jahr 61 Taten konnten Tatverdächtige in 31 Fällen ermittelt werden. Damit konnte die Aufklärungsquote nochmal deutlich auf über 50 Prozent gesteigert werden. 2023 konnten 17 Personen auf frischer Tat oder nach einer eingeleiteten Fahndung festgenommen werden. Diese Erfolge der hessischen Ermittler haben auch eine hohe Abschreckungswirkung."
Dr. Sven Matthiesen ist Mitglied des Vorstandes für das gesamte Privatkundengeschäft der Frankfurter Sparkasse verantwortlich und erklärte im Rahmen des Spitzentreffens: "Auch die Frankfurter Sparkasse war bereits Ziel professioneller Automatensprenger. Ende 2022 startete eine Serie von insgesamt fünf Sprengungen. Dank der hervorragenden interdisziplinären Zusammenarbeit innerhalb der Allianz Geldautomaten haben wir in kürzester Zeit unsere Präventionsmaßnahmen gegen die Geldautomatensprengungen optimieren können. Hierzu haben wir unter anderem in Vernebelungs- und Einfärbetechnik investiert. Alle Standorte sind zudem lückenlos und rund um die Uhr über eine Sicherheitsleitstelle alarmgesichert und videoüberwacht."
Hessen hat bereits 2019 die Besondere Aufbauorganisation BAO effectus zur Bekämpfung von Geldautomatensprengungen eingerichtet. Durch die intensiven Ermittlungen im Zusammenwirken mit Sicherheitspartnern wie der Generalstaatsanwaltschaft (GStA) Frankfurt am Main, den kommunalen hessischen Ordnungsbehörden, den Polizeien der Länder sowie der niederländischen Polizei können zudem immer öfter Tatzusammenhänge erkannt, Täter identifiziert und diese schließlich auch längere Zeit nach der Tat – auch in den Niederlanden – festgenommen werden. In Hessen werden Ermittlungsverfahren wegen Geldautomatensprengungen zentral bei der Generalstaatsanwaltschaft GStA Frankfurt am Main bearbeitet. Die Entscheidung über die Klassifizierung der im konkreten Einzelfall einschlägigen Straftatbestände obliegt der GStA. Grundsätzlich wird allerdings bei einer erfolgten Geldautomatensprengung ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion (§ 308 StGB) eingeleitet. Sofern sich im Rahmen der Ermittlungen herausstellt, dass durch die Sprengung oder Sprengversuche eine Gefährdung von Personen in Kauf genommen wurde, werden die Ermittlungen auch wegen des Verdachts eines versuchten Tötungsdelikts geführt. Insgesamt konnten bislang mehr als 70 Tatverdächtige ermittelt und über 20 Personen rechtskräftig verurteilt werden.
Hintergrund: Allianz Geldautomaten
Im Mai 2022 wurde in Hessen hierfür die Allianz Geldautomaten gegründet. Es wurden bereits mehr als 10 Mio. Euro für Präventionsmaßnahmen investiert und weitere Maßnahmen sollen ergriffen werden. Zu diesen Maßnahmen gehören beispielsweise Nachtverschluss, Videoüberwachung, Nebeltechnik oder etwa die Verwendung von Einfärbesystemen. Im Rahmen der engen Zusammenarbeit zwischen Sicherheitsbehörden und der Kreditwirtschaft kam es seitens des HLKA bereits zu 46 sogenannten Risikokonferenzen mit Kreditinstituten, um passgenaue Maßnahmen an zuvor detektierten Standorten zu besprechen. Die hessische Polizei bringt im partnerschaftlichen Dialog mit den Kreditinstituten ihre Erfahrungen und Erkenntnisse bei der Entwicklung von individuellen Präventionslösungen und Kombinationen von Präventionselementen ein. Wie wirksam die getroffenen Maßnahmen im Einzelnen sind, lässt sich schwer messen. Die jeweiligen individuellen Sicherheitskonzepte hängen immer von verschiedenen Faktoren, wie beispielsweise dem Standort oder der Beschaffenheit des Geldautomaten ab.
Alle Partner der Allianz Geldautomaten arbeiten engagiert und kooperativ an der Bekämpfung des Phänomens der Geldautomatensprengungen. In der Gesamtheit der Betrachtung aller vorhandenen Präventionsmittel ist z.B. der Nachtverschluss eines von sieben möglichen Präventionsmitteln, die innerhalb der Allianz erarbeitet und einvernehmlich als gut und sinnvoll befunden wurden. Durch einen klugen Maßnahmen-Mix samt passgenauer Kombinationen der verschiedenen Präventionsmittel kann das Risiko von Geldautomatensprengungen erheblich gesenkt werden. Hierzu stehen die Sicherheitsbehörden mit den der Allianz Geldautomaten angehörenden Kreditinstituten in einem regelmäßigen Austausch. Zur Optimierung der präventiven Wirkung polizeilicher Maßnahmen wurden diese geprüft und zielgerichtet modifiziert. Zudem konnte die Bevölkerung mittlerweile erfolgreich für das Phänomen sensibilisiert werden, weshalb in vielen Fällen Bild- und Videomaterial der Tatfahrzeuge durch Zeuginnen und Zeugen vorliegt. Dies bildet eine wertvolle Grundlage für Fahndungs- und Ermittlungsansätze. (pm)+++