Ministerpräsidenten treffen Bundeskanzler

Asylpolitik als drängendes Thema bei der Ministerpräsidentenkonferenz

Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) bei der Ministerpräseidentenkonferenz in Berlin.
Fotos: Hessische Staatskanzlei / Henning Schacht

07.03.2024 / BERLIN - Am Mittwoch, 6. März, sind die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder zur Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin zusammengekommen, um unter anderem zu den Themen Migration und Wirtschaft zu beraten. Nach den Beratungen im Länderkreis ist Bundeskanzler Scholz am Nachmittag zu einem Gespräch mit den Ländern zur aktuellen Flüchtlingspolitik dazugestoßen. Vorsitz der Ministerpräseidentekonferenz hat seit Oktober 2023 das Land Hessen mit Ministerpräsident Boris Rhein.



Ziel der aktuellen Beschlüsse war es, die Zahl der im Wege der irregulären Migration nach Deutschland Kommenden deutlich und nachhaltig zu senken. Insbesondere für die Kommunen ist es wichtig, dass die Zahl von neu ankommenden Personen aus entsprechenden Drittstaaten weiter begrenzt wird, um Unterbringung und Integration bewältigen zu können. Zwar sind die Zugangszahlen derzeit – auch witterungsbedingt – zurückgegangen, aber noch nicht im erforderlichen Maß. Es bleibt daher wichtig, die vereinbarten sowie gegebenenfalls weitere Maßnahmen konsequent umzusetzen, um eine nachhaltige Begrenzung der irregulären Migration zu erreichen.

Der Bundeskanzler und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder bekräftigen ihr Ziel, die irreguläre Migration nach Deutschland besser zu ordnen, zu steuern und zu begrenzen. Ausgehend von den am 6. November 2023 gemeinsam beschlossenen Maßnahmen halten sie unter anderem fest:

Humanitäre und geordnete Migration und Integration

Die politische Einigung von Ende letzten Jahres auf eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) ist ein wesentlicher Reformschritt zum Schutz der europäischen Außengrenzen und für ein faires, effizientes und krisensicheres europäisches Asylsystem. Die Länder unterstützen die Bundesregierung darin, das Gesamtpaket mit all seinen Bestandteilen schnellstmöglich umzusetzen. Die europäische Grenzschutzagentur FRONTEX muss operativ gestärkt werden, um mit geeigneten Grenzschutzmaßnahmen unerlaubte Einreisen zu reduzieren. Bund und Länder werden sich weiterhin mit Einsatzkräften an der Unterstützung der besonders betroffenen Außengrenzstaaten beteiligen und ihr Engagement bei FRONTEX ausweiten. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder fordern die Bundesregierung auf, alle Möglichkeiten zu nutzen, um die Herkunftsländer zur Einhaltung ihrer völkerrechtlichen Rückübernahmeverpflichtungen ihrer Staatsangehörigen zu bewegen, die zur Ausreise aus Deutschland verpflichtet sind.

Die Bundesregierung verhandelt den Abschluss weiterer Migrations- und Rückführungsabkommen. Seit der letzten Zusammenkunft des Bundeskanzlers mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder wurde das Migrationsabkommen mit Georgien abgeschlossen sowie eine Migrationspartnerschaft mit Marokko vereinbart. Derzeit verhandelt die Bundesregierung entsprechende Vereinbarungen mit der Republik Moldau, Kolumbien, Usbekistan, Kirgisistan, den Philippinen und Kenia. Bei weiteren Abkommen wird die Bundesregierung insbesondere diejenigen Staaten in den Blick nehmen, aus denen die meisten irregulären Flüchtlinge mit geringen Aner56 kennungsquoten nach Deutschland kommen. Die Bundesregierung wird die wirksame Fortsetzung und Umsetzung der EU-Türkei-Erklärung weiterhin unterstützen und aktiv vorantreiben.

Verstärkte Kontrollen der deutschen Grenzen

An den relevanten deutschen Binnengrenzen ist die Zahl der festgestellten unerlaubten Einreisen in den letzten Monaten zurückgegangen. Dies hat viele Gründe. Die im Oktober 2023 wieder eingeführten vorübergehenden Binnengrenzkontrollen an dendeutschen Landgrenzen zu Österreich, zur Schweiz, zur Tschechischen Republik und zu Polen leisten dazu einen Beitrag. Darüber hinaus tragen die Maßnahmen der Deutschland geografisch vorgelagerten Staaten entlang der Migrationsrouten erheblich zu einer Verringerung der Einreisen bei. Bund und Länder sind sich einig, dass temporäre Binnengrenzkontrollen weiter nötig sind, um Schleusungen zu bekämpfen und irreguläre Einreisen zu reduzieren. Dabei wird die jüngste Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu beachten sein.

Beschleunigung Asylverfahren

Der Bundeskanzler und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder bekräftigen das im November 2023 vereinbarte Ziel, das Asyl- und das anschließende Gerichtsverfahren für Angehörige von Staaten, für die die Anerkennungsquote weniger als fünf Prozent beträgt, jeweils in drei Monaten abzuschließen. In allen anderen Fällen sollen die behördlichen sowie erstinstanzlichen Asylverfahren jeweils regelhaft nach sechs Monaten beendet sein.

Beschleunigung und Digitalisierung auch der übrigen Verfahren

Zur weiteren Beschleunigung der Verfahren und zur Entlastung der Ausländerbehörden haben der Bundeskanzler und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder mit ihren Beschlüssen vom 10. Mai und 15. Juni 2023 Vereinbarungen getroffen, die insbesondere die Digitalisierung im Migrationsbereich betreffen. Bund und Länder arbeiten gemeinsam intensiv an einer Umsetzung der Maßnahmen innerhalb der vereinbarten Fristen; die Bund-Länder-Arbeitsgruppe Digitalisierung Migrationsmanagement und ihre Unter-Arbeitsgruppen tagen regelmäßig und begleiten die Umsetzung. Knapp 65 Prozent der Ausländerbehörden haben die vereinbarten Datenabgleiche zwischen den im Ausländerzentralregister vorhandenen Daten und den lokalen Datenbeständen bereits angestoßen. 90 Prozent der Ausländerbehörden nutzen bereits die einschlägigen Standards zum Datenaustausch.

Abgelehnte Asylsuchende müssen konsequent in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden. Das Gesetz zur Verbesserung der Rückführung ist am 27. Februar 2024 in Kraft getreten Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder bekräftigen ihren Willen, alle am 6. November 2023 beschlossenen Maßnahmen in ihren jeweiligen Zuständigkeiten zügig umzusetzen. Vor diesem Hintergrund streben die Länder an, die durch das Rückführungsverbesserungsgesetz erweiterten Möglichkeiten zur Ausweitung der Abschiebungshaft sowie zur Normierung und Erweiterung von Wohnungsbetretungsrechten effektiv zu nutzen, um die Anzahl der Rückführungen von ausreisepflichtigen ersonen, wo immer möglich, zu erhöhen. Die Länder werden darüber hinaus ihre Haft- und Gewahrsamskapazitäten überprüfen und insbesondere in Grenznähe ausweiten. 

Bezahlkarte für Asylsuchende

Die Länder haben zur Einführung von bundeseinheitlichen Mindeststandards für die Bezahlkarte in einer Arbeitsgruppe ein Modell zur Einführung einer Bezahlkarte erarbeitet. Die Ausschreibung zur Vergabe läuft. Die Bundesregierung hat entsprechende Formulierungshilfen für den Deutschen Bundestag zu gesetzlichen Änderungen des Asylbewerberleistungsgesetzes beschlossen. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder fordern den Bund auf, dafür Sorge zu tragen, dass das parlamentarische Verfahren schnell zum Abschluss gebracht und damit Rechts203 sicherheit hergestellt wird.

Unterstützung der Kommunen bei der Unterbringung

In den Kommunen ist die Lage in Hinblick auf eine angemessene Unterbringung der Geflüchteten weiterhin sehr angespannt. Der Bund hat Ländern je nach Belegenheit Liegenschaften mit einer erheblichen Kapazität an Unterbringungsplätzen mietzinsfrei zur Verfügung gestellt. Der Bund erstattet zudem die Herrichtungskosten für überlassene Bundesliegenschaften, im Jahr 2023 mit einem hohen zweistelligen Millionenbetrag. Der Bund bietet den Bedarfsträgern fortlaufend Liegenschaften aus seinem Portfolio an. Die Länder werden – wo angezeigt – die angebotenen Objekte nochmals gesondert auf ihre Geeignetheit für eine infrage kommende Herrichtung und
258 anschließende Unterbringung überprüfen.

Die Regelungen zur Flüchtlingsunterbringung im Baugesetzbuch wurden bis Ende 2027 verlängert. Der Bund hat die Länder und Kommunen Anfang Januar 2024 in einem Rundschreiben über die Anwendung des Vergaberechts in Zusammenhang mit der Unterbringung und Versorgung von Schutzsuchenden informiert. Zudem wurden die bestehenden Regelungen zu Beschaffungen im Kontext des Ukrainekonflikts verlängert und die Wertgrenzen für Direktaufträge in diesem Bereich erhöht.

Der Bundeskanzler und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder haben sich im November 2023 auf eine Aufteilung der Flüchtlingskosten auf Bund, Länder und Kommunen geeinigt. Damit eine erste Abschlagszahlung an die Länder in Höhe von 1,75 Milliarden Euro für 2024 noch im ersten Halbjahr umgesetzt werden kann, wird der Bund zeitnah einen Gesetzentwurf zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes (FAG) vorlegen und sich für eine zügige Verabschiedung einsetzen.

Landwirtschaft in Deutschland wertschätzen und sichern

Die deutsche Landwirtschaft ist seit vielen Jahren in einem herausfordernden Strukturwandel. Die Aufrechterhaltung der Ernährungssouveränität Deutschlands erfordert jedoch auskömmlich wirtschaftende landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland. Zwar hat es bereits in der Vergangenheit vielfältige Initiativen gegeben, um eine gute und wettbewerbsfähige Landwirtschaft in Deutschland sicherzustellen. Landwirtinnen und Landwirte kritisieren aber vor allem, dass sie seit langem durch immer neue Anforderungen, bürokratische Vorgaben und Nachteile, nicht zuletzt gegenüber hiervon nicht betroffenen ausländischen Wettbewerbern, belastet werden.

Zur Sicherung einer guten und zukunftsfesten Landwirtschaft bedarf es Planungssicherheit und verlässlicher Rahmenbedingungen, unter denen Landwirtschaft zukünftig produzieren soll. Zielsetzungen hinsichtlich des Klima- und Umweltschutzes, des Tierwohls und der Biodiversität sind dabei mit den Belangen der Landwirtinnen und Landwirte in Einklang zu bringen. Es ist erforderlich, dass Vorgaben und Anforderungen an die landwirtschaftlichen Betriebe verhältnismäßig sind. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder halten daher einen Verzicht auf weitere Belastungen der Landwirtschaft für erforderlich.

Sie fordern ferner die Bundesregierung auf, die Landwirtschaft schnellstmöglich effektiv und substantiell zu entlasten. Soweit rechtliche Vorgaben auf der EU-Ebene zu unverhältnismäßigen Belastungen führen, wird die Bundesregierung aufgefordert, sich für ihre Überarbeitung beziehungsweise die Schaffung weitergehender nationaler Handlungsspielräume einzusetzen. Insbesondere dürfen nationale Regelungen nicht zu Lasten der Landwirtschaft über europäische Vorgaben hinausgehen. (pm) +++

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