"Meine Mutter lag weinend am Boden"

Schockanruf: Wie ein Stückchen Torte einen Betrug verhinderte

Schockanrufe sind eine beliebte Masche von Trickbetrügern.
Symbolfoto: Pixabay

07.03.2024 / WILDECK - "Mir würde so etwas nie passieren" - So denken und antworten vermutlich viele Menschen, wenn es um die Thematik Schockanrufe geht. "Ich weiß ja wohl, wie sich mein Kind anhört". Und trotzdem kommt es überall in unserer Region zu solchen Vorfällen - so wie bei einer unserer Leserinnen am vergangenen Dienstagnachmittag in der Gemeinde Wildeck im Landkreis Hersfeld-Rotenburg. Kurios bei diesem Fall: Der Schockanruf wurde glücklicherweise wegen eines Gebäckstückes unterbunden, bevor Schlimmeres passieren konnte.



"Der Anruf ging gegen 17.45 Uhr bei meinen Eltern ein", erzählt die Leserin aus Wildeck im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS. Die Nummer sei unterdrückt gewesen. "Als meine Mutter den Hörer abnahm, war eine Frau dran, die extrem geweint und geschluchzt hat. Sie gab sich als mich aus und erzählte meiner Mutter, ich sei in U-Haft, hätte jemanden totgefahren und käme ohne Kaution aus dem Gefängnis nicht mehr raus. Meine Mutter war zu dem Zeitpunkt komplett fertig mit den Nerven, glaubte jedes Wort und weinte bitterlich. Sie dachte, sie würde mich nie wieder sehen." Auch sie war vor dem Anruf der Überzeugung, dass so etwas nie klappen könnte. Doch die "schauspielerische "Leistung der Trickbetrüger war zu überzeugend. 

"Ich habe meine Mutter noch nie so weinen gesehen" 

"Kurz darauf übernahm ein Mann mit ausländischem Akzent das Telefon. Er gab sich als Polizist aus und erklärte meiner Mutter, dass ich - also ihre Tochter, in der Gartenstraße einen Unfall hatte, als ich ein Stoppschild und den Zebrastreifen übersehen und jemanden fahrlässig getötet habe. Nicht nur das, ich hätte auch keine erste Hilfe geleistet und hätte daraufhin Fahrerflucht begangen. Es war so überzeugend, dass meine Mutter überlegte, wie sie die 52.000 Euro Kaution, die der Mann daraufhin forderte, um 'mich' aus der U-Haft freizulassen, organisieren kann."

"Soll ich euch ein Stück Torte mitbringen?" 

Bis dahin waren sich die Trickbetrüger allem Anschein  nach siegessicher. "Meine Mutter hätte weiter mit ihnen telefoniert", meint die Leserin. Womit die Bande jedoch nicht rechnete, war der Zufall. "Als mein Vater mitbekam, dass es um Geld ging, wurde er etwas stutzig und übernahm für meine Mutter. Genau in diesem Moment habe ich bei meinem Vater am Handy angerufen. Es war vollkommener Zufall - ich wollte lediglich fragen, ob ich meinen Eltern ein Stück Torte mitbringen soll." Genau dieser Zufall war am Ende das Glück im Unglück. "Mein Vater fing sofort an, mich aufgewühlt zu fragen, was ich nur getan habe, ob ich wirklich jemanden umgebracht habe. Ich wusste überhaupt nicht, was los ist. Als uns dann beiden klar wurde, dass es Trickbetrüger sind, schrie mein Vater den angeblichen Polizisten am Hörer an: 'Du Arschloch, was soll diese Scheiße?' - bevor dieser lachte und mit einem 'Verstehen Sie Spaß?' auflegte. 

Aufklärung der Polizei

Die Familie kontaktierte daraufhin die Leitstelle der Polizei und wurde darüber aufgeklärt, dass diese Masche schon bekannt sei. Auf Anfrage von OSTHESSEN|NEWS teilte die Polizei Osthessen mit: "Der sogenannte Schockanruf, früher noch Enkelbetrug genannt, läuft meist genauso wie bei diesem Fall ab. Eine aufgelöste Frau ruft an. Kurz darauf übernimmt der angebliche Polizeibeamte, manchmal auch Staatsanwalt. Dabei geht es immer um einen schwer bis tödlichen Unfall, wo auch oftmals Kinder betroffen sein sollen. Ein hoher fünfstelliger Betrag X wird dann als Kaution gefordert. Die Übergabe findet dann oft in der Nähe von Amtsgerichten oder Polizeistationen statt, um eine gewisse Authentizität zu suggerieren." In Wellen kommen immer wieder solche Anrufe vor - vor allem unmittelbar vor Feiertagen. "Wir beobachten, dass vor Ostern und Weihnachten die Anrufe deutlich zunehmen. Da haben die Menschen Geschenke gekauft, oder wollen sie noch kaufen und haben Geld abgehoben."

Doch wie kann man sich schützen?: "Fragen stellen, die wirklich nur Angehörige beantworten können, oder man wählt offizielle Rufnummern. Wichtig dabei ist, das Telefonat erst beenden - da die so tun, als würden sie einen zu den offiziellen Dienststellen weiterleiten. Sollte die Hemmung zu groß sein, bei der Polizei anzurufen, was nicht sein muss, denn wir sind gerne für Sie da, sollten Sie das Telefonat trotzdem beenden und die Angehörigen anrufen. Bei großen Unfällen müssen auch normalerweise Berichte in Medien zu finden sein - das ist hier nie der Fall."  

Was empfiehlt die Polizei, wenn man doch auf solch einen Trick hereinfällt? "Wir können immer empfehlen, sich bei uns zu melden. Zum einen erhalten wir ein Gefühl dafür, ob aktuell eine Welle droht. Zum anderen können wir eventuell wertvolle Informationen für unsere Untersuchungen erhalten. Außerdem sollte man immer bedenken: Mit einem Anruf kann man potenzielle Geschädigte davor bewahren, selbst Opfer zu werden." (ms) +++


Symbolfoto: Pixabay

Archivfoto: O|N/Hans-Hubertus Braune

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