ARD Preisträgerkonzert

Trio Orelon im Fürstensaal: Kammermusikalische Kunst vom Feinsten

Das Klaviertrio Orelon – musikalische und menschliche Harmonie. Ihr Konzert mit Werken von Haydn, Schumann und Dvorák begeisterte die Besucher im Fürstensaal.
Fotos: Jutta Hamberger

04.03.2024 / FULDA - Was für ein Vergnügen, das Trio Orelon im Fürstensaal zu erleben! Es gilt als eine der vielversprechendsten Formationen Deutschlands – und das haben sie an diesem Abend mit ihrer Interpretation von Haydn-, Schumann- und Dvorák-Klaviertrios eingelöst. Erst 2018 hat Orelon sich gefunden, praktisch von Anfang an war die Musikwelt hin und weg.



Das Wort Orelon kommt aus dem Esperanto und bedeutet "Ohr", einen beziehungsreicheren Namen kann man sich für eine kammermusikalische Formation ja auch kaum vorstellen. Nichts ist wichtiger in der Kammermusik als genaues Hinhören und Zuhören. Judith Stapf (Violine), Arnaud Rovira Bascompte (Cello) und Marco Sanna (Klavier) haben beim internationalen Musikwettbewerb der ARD in München den ersten Preis und den Publikumspreis gewonnen. Damit Sie eine Vorstellung von den Dimensionen dieses Wettbewerbs und der Leistung der drei Künstler haben: 2023 bewarben sich 345 Musiker/innen aus mehr als 40 Ländern, 215 wurden nach München eingeladen – in den Fächern Harfe, Bass, Viola und Klaviertrio. Zwei Wochen lang und in mehreren Runden versuchten alle, sich in die Herzen von Jury und Publikum zu spielen.

Das ist aber nicht der einzige Preis, den diese fabelhafte Klaviertrio gewonnen hat. Orelon gewann bei der "International Chamber Music Competition" in Melbourne den ersten Preis und den Sonderpreis für die beste Interpretation eines Auftragswerks, in Granz beim Wettbewerb Schubert und die Musik der Moderne erneut den Sonderpreis für die beste Interpretation eines Auftragswerks. Beim "Premio Trio die Trieste", beim "ICM Pinerolo-Torino", beim Schumann-Wettbewerb in Frankfurt und beim Mendelssohn-Wettbewerb in Berlin gehörten sie jeweils zu den Preisträgern.

Zurück zu den Anfängen der Kammermusik

Das Genre Klaviertrio gehörte ursprünglich in die Salons der gutbürgerlichen Gesellschaft. In Zeiten, in denen es deutlich weniger Unterhaltungs- und Ablenkungsmöglichkeiten als heute gab, war Hausmusik genauso wichtig wie die gepflegte Unterhaltung. Sie bot vor allem den heiratsfähigen Töchtern die Gelegenheit, sich zu produzieren.

Das änderte sich erst, als das Klaviertrio sich – wie schon das Streichquartett zuvor – auf den Weg Richtung Kammermusik mit höchstem künstlerischem Anspruch machte. Ein oder vielleicht sogar der Wegbereiter dafür war Haydn. Sein Klaviertrio in Es-Dur Hob XV:10 ist ein wunderbares Beispiel für sein Ausprobieren dieser Form. Mit nur zwei Sätzen und einer Spieldauer von etwas über 5 Minuten ist dieses bezaubernde, anmutige Werk schnell vorbei – viel zu schnell. Es wirkt, als sei es leicht zu spielen, verlangt aber höchste Präzision. 

Liebeserklärung in musikalisch

Robert Schumanns Klaviertrio in F-Dur, op. 80 entstand 1847, er schrieb es für seine Frau Clara. Die liebte es sehr: "Es gehört zu den Stücken Roberts, die mich von Anfang bis zum Ende in tiefster Seele erwärmen und entzücken. Ich liebe es leidenschaftlich und möchte es immer und immer wieder spielen." Die Öffentlichkeit lernte dieses hinreißende Stück mit der Uraufführung 1850 kennen – mit Clara am Klavier. Bezugspunkt ist ein Eichendorff-Gedicht, "Dein Bildnis wunderselig, hab‘ ich im Herzensgrund", das Schumann als Lied vertont hatte. Die Atmosphäre dieses Lieds, seine Innigkeit und Zärtlichkeit, fängt das Klaviertrio wunderbar ein. Stürmische Liebe, Hingabe, Zärtlichkeit und Überschwang und Ruhe, so könnte man die vier Sätze auch überschreiben.

Schumann selbst hatte viel Respekt vor Kammermusik, denn: "Im Kammerstyl, in den vier Wänden, mit wenigen Instrumenten zeigt sich der Musiker am ersten. In der Oper, auf der Bühne, wie vieles wird da von der glänzenden Außenseite zugedeckt! Aber Auge gegen Augen, da sieht man die Fetzen alle, die die Blößen verbergen sollten." So ist es – Kammermusik verzeiht keinen falschen Ton. Mit diesem Klaviertrio sind wir auf dem Olymp angekommen. Und Orelon interpretierte es mit so viel Verve, Zartheit, Klarheit und Dynamik, dass man sprachlos begeistert war.

Böhmische Dramatik

Dvorák war Organist und Streicher, spielte aber auch in einem festen Klaviertrio (mit Ferdinand Lachner und Alois Neruda), mit diesen beiden führte er sein Klaviertrio in f-moll op. 5 auch auf. Es war mit 40 Minuten Spieldauer das längste Werk des Abends, es war das dramatischste Werk und das komplexeste Werk des Abends. Dvorák schrieb es 1883 und wandte sich mit diesem Werk seinen großen Vorbild Brahms zu, aber die tschechische Folklore klingt schon noch an. Der düster-dramatische Kopfsatz ist ungewöhnlich lang. Mich hat besonders der langsame dritte Satz berührt, er ist von schwermütiger Süße und geradezu melodietrunken. Der vierte Satz brennt ein wahres tänzerisches Feuerwerk ab, das Rondo-Thema erinnert an den Furiant, einen schnellen böhmischen Tanz. Heftige Ausbrüche wechseln mit zärtlichem Innehalten ab.

Was Orelon an diesem Abend bot, war Kammermusik vom Allerfeinsten. Kein Instrument spielt sich in den Vordergrund, die beiden Streicher harmonieren großartig, Marco Sanna setzt Akzente und Impulse am Klavier. So entsteht ein wunderbarer Klang. Kein Wunder, dass der Fürstensaal tobte und nach einer Zugabe verlangte. Die gab es auch, Orelon spielte Lili Boulangers "D’un matin de printemps". Die junge französische Komponistin komponierte das spritzig-freche Stück 1917. (Jutta Hamberger) +++

X