Erschöpft und emanzipiert

Es läuft – dank Frau! Zur Eröffnung der Frauenwoche

Franziska Schutzbach bei ihrem Festvortrag, der in komprimierter Form klarmachte, dass unsere Gesellschaft ohne die unentgeltliche Sorge-Arbeit von Frauen nicht funktionieren würde
Alle Fotos: Martin Engel

03.03.2024 / FULDA - Die 34. Fuldaer Frauenwoche steht unter dem durchaus auch sarkastisch gemeinten Motto "Es läuft – dank Frau", das sich wie ein roter Faden durch die 27 Veranstaltungen zieht. Zur Eröffnungsveranstaltung waren viele Frauen und einige Männer gekommen – darunter Vertreter/innen der politischen Gremien und Parteien, der Kirche, der kfd und der Verwaltung. Natürlich war auch Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld da, in der für ihn eher ungewohnten Rolle als Gast statt Gastgeber im Fürstensaal.



"In diesem Jahr sind es so viele Veranstaltungen wie noch nie", freute sich Katharina Roßbach, Fuldas Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte. Wer auf der Website des Frauenbüros nachgeschaut hat, wird festgestellt haben, dass fast alle bereits ausverkauft sind – das Interesse ist also sehr groß. Im Programm sind u.a. historische Stadtrundgänge, Rundgänge zur geschlechtersensiblen Stadtplanung, Führungen zu den Blauen Bänken oder den Benediktinerinnen sowie Workshops zu Achtung, Geldanlage und Selbstfürsorge. Die Eröffnungsveranstaltung wurde musikalisch von den "Sistas" begleitet, die den ein oder anderen Song mit einem Augenzwinkern feministisch-ironischen neu deuteten.

Es läuft – dank Frau. Man könnte das Programm der Frauenwoche auch unter die Überschrift "Sichtbarmachung" stellen. Denn auch die ist ein Thema: Die Arbeit und Leistung von Frauen wird oft zu wenig gesehen. Die Frauenwoche ist eine Ausnahme, klar. Sie ist aber auch so etwas wie ein ‚Schutzraum‘. Hier treffen sich Frauen, die sich in ihren emanzipatorischen Vorstellungen einig sind, die einiges erreicht haben und die genau sehen, wo es nach wie vor hakt. Im kompetent und sympathisch vorgetragenen Festvortrag von Dr. Franziska Schutzbach dürfte deshalb wenig vorgekommen sein, was diese Frauen nicht längst wussten bzw. so selbst erfahren haben. Die meisten dürften sich davon bestätigt gefühlt haben. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt: Hätte dieser kluge Vortrag nicht eigentlich ein ganz anderes Publikum gebraucht?

Die zugeteilte und zerteilte Zeit

"Die Zuständigkeit für Kinder macht vulnerabel – und das gibt es so in keinem anderen Arbeitsverhältnis", begann Dr. Franziska Schutzbach ihren Festvortrag. Was für die einen womöglich eine Provokation ist, ist für die anderen gelebte Erfahrung. Wer für Kinder sorgt, dessen Leben ist davon geprägt, denn diese Aufgabe gibt es nur im Modell 24/7 und lebenslänglich.

Sorge-Arbeit für Kinder spiele sich zwischen den Polen pausenlose Zuständigkeit und moralische Konnotation ab, so Dr. Schutzbach. Das Ergebnis der ‚Arbeit‘ – die man selbstverständlich so nicht nennen könne, da sie ja ‚aus Liebe‘ geschehe, könne man dann am wohlgeratenen Kind ablesen. Und die Arbeit selbst solle bitte möglichst geräuschlos gemacht werden. Das sei eine von vielen aberwitzigen Vorstellungen, die es über Muttersein und Mutterliebe gäbe.

Ein weiterer wesentlicher Faktor: Frauen können ihre Zeit signifikant weniger frei einteilen als Männer. Deren Zeitprivilegien werden geschützt, oft institutionell (Ehefrauen, Sekretärinnen etc.). Dass weibliche Zeit anderen zur Verfügung stünde, sei hingegen eine gesamtgesellschaftliche Annahme. Männer könnten entscheiden, wem sie wohlwollend Zeit geben. Ihre Freizeit. Ein Wort, das die wenigsten Mütter kennen dürften.

Ein 63 Prozent niedrigeres Lebenseinkommen

"Mütter werden idealisiert und romantisiert, und gleichzeitig gesellschaftlich marginalisiert", so Dr. Schutzbach. Und das habe sich auch heute, trotz mancher Erfolge der Emanzipation, nicht wesentlich geändert. Frauen seien zwar in die männliche Sphäre vorgedrungen, würden politische und andere Positionen einnehmen, aber auch im Berufsleben würde Dauereinsatz gefordert. Ja und, denken Sie nun vielleicht, so ist das halt, jede/r muss Leistung erbringen. Und Frauen wollen doch zeigen, dass sie alles können.

Natürlich – aber mit einem fetten Aber. Frauen arbeiten nämlich noch die sogenannte zweite Schicht – und die heißt Haushalt und Familie. Und das heißt nicht nur Einkaufen, Waschen, Putzen, Hausaufgaben, Kinder bespaßen, dazu gehört auch eine fast schon generalstabsmäßige Organisation der eigenen Familie (Arzt, KiTa, Schule, Freunde, Geburtstage etc.). Das heißt: Die Anforderungen des Berufslebens sind nicht kompatibel mit alle dem, was sich nicht oder zu wenig verändert hat. Natürlich gibt es heute mehr Väter, die sich an der Kindererziehung beteiligen und im Haushalt helfen. Sie merken es schon an meiner Wortwahl: Sich beteiligen und helfen ist etwas anderes, als für etwas verantwortlich sein.

Gerade in gesellschaftlichen Krisen würden Frauen oft als "Sozialpuffer" benutzt, so Dr. Schutzbach, eine Erfahrung, die wir während der Corona-Pandemie machen konnten. Da hieß es Frauen zurück an den Herd und in die Wohnung, Homeoffice nebenher, v.a. aber Home-Schooling und Ausgleichen all dessen, was pandemiebedingt auf einmal nicht mehr möglich war. Das führte zu einer Re-Traditionalisierung von Geschlechterrollen.

Das ist mit ein Grund, warum Frauen ein um 63 Prozent geringeres Lebenseinkommen als Männer haben. Und daran wird sich so lange nichts ändern, wie unsere Gesellschaft Sorge-Arbeit für ökonomisch nicht relevant hält. Sorge-Arbeit wird nicht im BiP abgebildet. Dabei beträgt der monetäre Wert der von Frauen geleisteten unbezahlten Arbeit in Deutschland. circa 800 Milliarden Euro.

Unsere Gesellschaftsform erschöpft Frauen

"Weil Frauen ihr Handeln oft auf Beziehungen abstimmen, haben sie weniger Zeit für sich, für ihren Beruf, haben weniger Erholung und sind emotional ausgelaugter", so Dr. Schutzbach. Familienarbeit führe zu einem konstanten "mental load" bei Frauen – einer nie endenwollenden Belastung. Sie beendete ihren Vortrag mit einer provokanten Frage: "Wenn Männer ihre Frauen lieben, warum ist es ihnen dann nicht wichtig, dass es ihnen gut geht, dass sie sich beruflich verwirklichen und sich finanziell absichern können? Wenn sie ihre Frauen, Mütter, Schwestern und Freundinnen wirklich lieben, warum setzen sie dann nicht alles daran, dass sie keine Nachteile haben?" Warum, liebe Männer? Auf dieser Frage sollten Sie nicht nur während der Frauenwoche herumkauen. (Jutta Hamberger)+++

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