Hürden und Herausforderungen

Regenbogenfamilien: "Wir sind weit von der Gleichberechtigung entfernt"

Danny Meier (links) und Horst Pfister haben das Regenbogenfamilien-Treffen in Kalbach ins Leben gerufen
Fotos: Marius Auth

24.02.2024 / KALBACH - Horst und Manuel Pfister haben ihr Kind von einer Leihmutter aus den Vereinigten Staaten. Die Kosten für den aufwendigen Prozess: mehr als 150.000 Euro. Bevor gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland zur "Regenbogenfamilie" werden können, stehen immer noch etliche Hürden.



Kinderstimmen schwirren durch die Eingangshalle des Hotels Taufstein in Kalbach (Landkreis Fulda), Pfisters Tochter "Littleone" tobt mit Gleichaltrigen am Rezeptionstresen vorbei. Das Pseudonym hat seinen Grund: "Regenbogenfamilien bekommen in Deutschland immer noch Morddrohungen. Die Sichtbarkeit der Thematik hat sich über die Jahrzehnte verbessert, aber die Intoleranz ist weiterhin stark ausgeprägt, gerade im ländlichen Raum." Wenn gleichgeschlechtliche Paare ein Kind haben wollen, gibt es neben der Pflegeelternschaft, der Adoption oder der künstlichen Befruchtung die Möglichkeit, eine Leihmutter im Ausland zu beauftragen - in Deutschland ist das illegal.

Pfisters haben sich für die Vereinigten Staaten entschieden: "Dort ist alles reguliert, es gibt keinerlei rechtliche Grauzonen. In anderen Ländern, ob Russland oder Mexiko, kann es passieren, dass Vätern an der Grenze das Kind abgenommen wird - plötzlich 'fehlen' die Unterlagen. Man ist komplett von der Rechtslage und der Mentalität der Vertreter der Exekutive und Judikative im Leihmutter-Land abhängig. Und in den USA können beide Partner als alleinige Elternteile in die Geburtsurkunde des Kindes eingetragen werden - Deutschland erkennt seit 2017 dieses Urteil an, eine anschließende Adoption ist nicht nötig." Bevor das Kind in die neue Heimat geholt werden kann, steht allerdings ein aufwendiger Prozess: Eine Agentur vermittelt Leihmütter, ein Kinderwunschzentrum sorgt für umfassende ärztliche Betreuung, ein Rechtsbeistand sichert juristisch ab. Am Ende stehen die schon erwähnten Kosten von mindestens 150.000 Euro.

"Manche kommen mit der Konstellation nicht klar"

Der Weg zum Kind durch Adoption wird nicht nur durch die langen Wartezeiten erschwert: "Auf ein Adoptivkind kommen zehn Bewerberpaare - und die erwartet eine große Ungewissheit: Sachbearbeiter in Jugendämtern haben einen großen Ermessensspielraum - und etliche kommen mit der Konstellation von zwei Vätern oder Müttern einfach nicht klar. Manchen wird unverhohlen gesagt, dass sie sich gar nicht bewerben bräuchten. 50 Kilometer weiter, in einem anderen Landkreis, sieht die Lage vielleicht anders aus", erklärt Danny Meier, der zusammen mit Mann Dennis und Sohn "Mucki" zum Treffen in Kalbach gekommen ist.

Neben dem Austausch der Eltern, die aus dem ganzen Bundesgebiet kommen, steht der der Kinder: "Gerade auf dem Dorf ist die heteronormative Familie weiterhin der Standard - dabei gibt es viele andere Modelle. Das den Kindern zu zeigen, ist auch Aufgabe dieses Treffens", erklärt Pfister. Meike L., die ihre Tochter im Arm wiegt, hat zugehört und schaltet sich ein: "Inzwischen gibt es ausreichend Studien, die belegen, dass Kinder aus Regenbogenfamilien andere Bindungsstrategien haben - und mehr Empathie. Und doch sind wir weit von Gleichberechtigung entfernt: Wenn ich als leibliche Mutter sterbe, ist mein Kind Vollwaise, ein Niemand, über den das Jugendamt entscheidet. Das deutsche Abstammungsrecht sieht weiterhin Mann und Frau vor - gemeinsame Elternschaft gleichgeschlechtlicher Paare gibt es nicht", erklärt L., die sich für eine künstliche Befruchtung entschieden hat.

Regenbogen-Pflegefamilien hätten es einfacher, betont Johann Ramer: "Vor allem, weil Pflegefamilien händeringend gesucht werden. Meist können die Eltern ihrem Erziehungsauftrag nicht nachkommen. Zwar ist die Rückführung in die Ursprungsfamilie durchs Jugendamt weiter erklärtes Ziel, aber nach einer längeren Zeit unwahrscheinlich. Anfangs ist das für die neuen Eltern emotional schwer, es hängt wie ein Damoklesschwert die Angst über einem, dass das Kind wieder weggenommen wird." (mau) +++

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