Zwei Jahre russischer Angriffskrieg

Flüchtlingsschicksale sind echte Leidensgeschichten

Eine junge Frau am Caritas-Haus, wo sie Hilfe in Form von Sachspenden erhalten hat.
Fotos: Caritas

22.02.2024 / FULDA/IWANO-FRANKIWSK - Aus Anlass der zweijährigen Wiederkehr des Angriffstages der russischen Armee auf die Ukraine am 24. Februar 2022 hatte die Bistums-AG zur Ukraine-Nothilfe kürzlich eine Pressekonferenz durchgeführt: Dabei bekundeten der Fuldaer Weihbischof Prof Dr. Karl Heinz Diez, Generalvikar Christof Steinert, Diözesan-Caritasdirektor Dr. Markus Juch sowie die Malteser-Diözesan-Geschäftsführerin Christin Benkner, die Hilfemaßnahmen zur Unterstützung der Binnenflüchtlingshilfe in der Westukraine angesichts des weiter bestehenden Konfliktes und der desolaten Lebenssituation unzähliger davon betroffener Menschen unbedingt fortsetzen zu wollen.



"Unsere Partner-Caritas in Iwano-Frankiwsk, mit der wir seit 2009 zusammenarbeiten, leistet für die Unterstützung der Flüchtlinge großartige Arbeit", sagt Diözesan-Caritasdirektor Dr. Markus Juch. "Rund 15.000 Menschen erhalten dort von der Caritas vor Ort verschiedenste Hilfe; sie werden materiell unterstützt, erhalten psychische Hilfe und Beratung. Wir bemühen uns von hier aus diese Arbeit zu unterstützen." Die Notwendigkeit der dieser zusätzlichen Hilfe aus Fulda zeige sich ganz besonders, wenn man sich einzelne Schicksale anschaue: "Da gibt es alte und pflegebedürftige Menschen, die als unfreiwillige Kriegsflüchtlinge quasi an einem ganz anderen Ort neu beginnen müssen. Viele Kinder sind Opfer des Krieges. Ihre Familien sind zerstört, und sie müssen therapeutisch betreut werden. Zahlreiche Menschen kamen ohne Hab und Gut in den Westen der Ukraine und müssen neu ausgestattet und versorgt werden. Wir wollen helfen, die große Not zu lindern und bitten alle daher um Spenden für unsere Ukraine-Hilfe!"

Menschen die durch die Caritas-Flüchtlingshilfe in Iwano-Frankiwsk Unterstützung erfahren

Der sechsjährige Bohdan besucht den "kinderfreundlichen Raum der Caritas Iwano-Frankiwsk" (eine Art Tagesbetreuung für Kinder). Der Vater des Jungen war ein Soldat, der während der Invasionsphase durch die russischen Truppen zu Tode kam. Seine Mutter ist auch Soldatin. Bohdan lebt jetzt bei seiner Großmutter Oksana in Iwano-Frankiwsk und wartet auf die Rückkehr seiner Mutter nach Hause. Er ist eines der vielen Kinder, die in der Caritas-Betreuung sind: Kinder von Soldaten, die an der Front gefallen sind, die derzeit in Gefangenschaft sind, die verwundet wurden; Kinder mit Behinderungen und Kinder aus kinderreichen Familien von Militärangehörigen.

Die 93-jährige Lidia Moriakowska stammt aus der Gemeinde Nowohrodiwka in der Region Donezk. Seit dem 10. November 2023 lebt die Frau in der Notunterkunft für Binnenvertriebene im höheren Alter, die sich im Dorf Wojnyliw im Kreis Kalusch westlich von Iwano-Frankiwsk befindet. Sie benötigt ärztliche Hilfe, und die Mitarbeiter der Notunterkunft befolgen strikt die medizinischen Empfehlungen, geben regelmäßig Medikamente, überwachen den Gesundheitszustand und kümmern sich um diese alte Dame. "Ich bin der Caritas dafür sehr dankbar, dass ich die Möglichkeit habe, hier zu sein. Hier ist es warm, es gibt genug zu essen und vor allem ist es ruhig, ich fühle mich endlich sicher", sagt sie.

Derzeit leben in der genannten Notunterkunft 30 hochbetagte Menschen, die aus der Region Cherson, der Region Donezk und der Region Charkiw kamen. In der Unterkunft haben die von der Caritas betreuten Menschen angenehme Lebensbedingungen. Den Bewohnern der Einrichtung stehen auch die notwendige medizinische Versorgung sowie die Möglichkeit zur Konsultation von Ärzten und Psychologen zur Verfügung. Caritas-Ehrenamtliche organisieren für sie Freizeitaktivitäten und kümmern sich um sie.

Die Armenküche der Caritas Iwano-Frankiwsk

Die Armenküche der Caritas Iwano-Frankiwsk versorgt täglich gleichermaßen in der Stadt "gestrandete" Binnenflüchtlinge sowie Anwohner aus der Region Iwano-Frankiwsk, die sich in schwierigen Lebensumständen befinden. Menschen, die aufgrund von Kriegshandlungen und ständigem Beschuss ihre Städte im Süden und Osten verlassen mussten, benötigen umfassende Unterstützung. Das Team der Armenküche drückt diese Zuwendung durch hausgemachtes, warmes Essen aus.

Vor der militärischen Invasion seit Februar 2022 lebte Raida Dolganowa im Wohnviertel Schukowskoho in der Stadt Charkiw. Mithilfe von Freiwilligen verließen sie und ihre Tochter die Stadt und gelangten dann mit Hilfe von Bekannten nach Iwano-Frankiwsk. Außer ihrer Tochter hat Raida einen Enkel, Danyil, der derzeit an der Front ist. Jetzt kann die Familie nirgendwohin zurückkehren. Das Haus ist zerstört. An ihr Grundstück und das Familienhaus in Charkiw blieben nur Erinnerungen übrig.  Raida gehört zu den Personen, die jetzt täglich in der Armenküche der Caritas in den Genuss eines warmen Essens kommt. 

Eva, die anonym bleiben möchte, ihr Mann und ihr Sohn sind eine zweimal vertriebene Familie. Im Jahr 2016 mussten sie aufgrund des Beschusses und der Besetzung der Stadt ihr Zuhause in der Stadt Horliwka in der Region Donezk verlassen und zogen in die Stadt Mariupol. Dort begann die Familie ihr Leben wieder bei "Null": Sie fand eine Wohnung und einen Job, ihr Kind besuchte den Kindergarten. Doch am 24. Februar 2022 änderte sich ihr Leben erneut. Die Stadt wurde aus Flugzeugen beschossen. Die Familie versteckte sich vor dem Beschuss in einem kleinen Keller ihres Hauses. Durch Trümmer erlitten sie zahlreiche Prellungen und Schnittwunden. Durch die Explosion wurden die Fenster und Türen ihrer Wohnung sowie der übrigen Wohnungen im Haus beschädigt. Es war nicht mehr möglich, Essen zuzubereiten. Daher verließen die Erwachsenen zwischen den Bombardierungen den Keller, um Essen zuzubereiten und humanitäre Hilfe zu erhalten, die einmal pro Woche von der Polizei zum Eingang des Hauses gebracht wurde. Einige Tage später explodierte eine Granate im Hof, wo sich die Familie und Nachbarn am Feuer wärmten und das Abendessen zubereiteten. Dabei starben zehn Menschen durch die Explosion. In ständiger Angst um ihr Leben und unter ständigem Stress wartete die Familie auf die Evakuierung aus Mariupol. Am Tag der Evakuierung traf eine Rakete die Wohnung von Eva und sie brannte vollständig nieder. Deshalb verließ die Familie die Stadt und hatte dabei nur die nötigsten Dokumente bei sich.

Zunächst kam die Familie in die Stadt Saporischja und später in die Stadt Iwano-Frankiwsk. Die Familie ließ sich in einer Notunterkunft nieder, da sie finanziell nicht in der Lage war, die Wohnungsmiete zu bezahlen. Fachkräfte der Caritas Iwano-Frankiwsk trafen Frau Eva und ihre Familie bei einem Besuch in der Notunterkunft. Die Mutter und der Sohn besuchten eine Gesprächsrunde bei einem Psychologen, die Frau erhielt rechtliche Beratung bezüglich der Entschädigung für zerstörtes Eigentum. Damit Frau Eva ihre Beschäftigung, die sie vor dem Krieg hatte, wiederaufnehmen konnte, wurden für sie Friseurgeräte und Werkzeug angeschafft. Darüber hinaus erhielt die Familie humanitäre Hilfe in Form von Lebensmitteln, Hygieneartikeln, Geschirr und Bettwäsche. Inzwischen hat die Familie begonnen, neue Pläne für die Zukunft zu schmieden. (pm) +++

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