Protestaktionen

Faeser: Gepöbel und Gewalt sind Grenzüberschreitungen

Die derzeitigen Aggressionen hätten mit scharf geführtem demokratischem Streit nichts mehr zu tun, so Bundesinnenministerin Nancy Faeser.
Foto: Hannes P Albert/dpa

16.02.2024 / BERLIN - Die Stimmung gegen die Grünen wird aggressiver. Veranstaltungen der Partei werden massiv gestört. Bayerns Ministerpräsident schießt verbal gegen die grüne Umweltministerin. Faeser fordert Mäßigung.



Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat die aggressiven Protestaktionen gegen die Grünen verurteilt. «Wenn eine politische Veranstaltung durch Gepöbel und Gewalt verhindert wird, wenn Polizisten angegriffen und Steine geworfen werden, dann sind Grenzen massiv überschritten», sagte die SPD-Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Diese Aggression habe auch mit scharf geführtem demokratischem Streit nichts mehr zu tun. 

«Das gilt genauso, wenn Demokraten als "Volksverräter" diffamiert werden, wenn ein aufgepeitschter Mob Politiker an deren Wohnort aufsucht oder wenn Regierende symbolisch an Galgen aufgehängt werden», sagte Faeser. All das seien Grenzüberschreitungen, die eine Verrohung und Vergiftung des Diskurses zeigten.

Veranstaltung der Grünen aus Sicherheitsgründen abgesagt

Die Grünen hatten am Mittwoch ihre Veranstaltung zum politischen Aschermittwoch im baden-württembergischen Biberach aus Sicherheitsgründen abgesagt. Vorausgegangen waren massive Proteste und Blockaden unter anderem von Landwirten. Nach Angaben der Polizei kam es zu aggressivem Verhalten, Polizisten wurden verletzt. An der Veranstaltung wollten neben Parteichefin Ricarda Lang auch Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und Ministerpräsident Winfried Kretschmann teilnehmen. Lang wurde später bei einer weiteren Veranstaltung in Schorndorf bei Stuttgart ausgepfiffen, beschimpft und an der Abreise gehindert.

Faeser sagte weiter, politische Aggression komme nicht aus dem Nichts, sondern fange mit der Sprache an: «Wer sich Radikalen verbal anbiedert, stärkt nur die Radikalen, die wir aus der politischen Mitte heraus gemeinsam bekämpfen müssen.» Ohne ihn zu nennen, kritisierte sie Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) für seinen Vergleich von Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) mit Margot Honecker beim politischen Aschermittwoch in Passau. Ein solcher Vergleich sei «Gift für eine politische Kultur des Respekts, die wir dringend brauchen», sagte Faeser.

Söder bezeichnet Lemke als «grüne Margot Honecker»

Söder hatte am Mittwoch gesagt, Lemke sei ein Musterbeispiel für den Versuch der Grünen, die Freiheit der Fleißigen durch immer neue Auflagen einzuschränken, als «grüne Margot Honecker». Margot Honecker war von 1963 bis 1989 Ministerin für Volksbildung in der DDR und die Ehefrau des ehemaligen DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker. Sie war eine Hardlinerin selbst innerhalb der SED-Führung und in weiten Teilen der Bevölkerung verhasst.

Lemke sagte dazu am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung «Markus Lanz»: «Mir vorzuwerfen, dass ich irgendwelche Parallelen zu dieser Person, zu Margot Honecker habe, das ist dumm, das ist infam, aber ich glaube, Markus Söder lebt auch irgendwie in einer eigenen Welt und das scheint einfach ein großes Bierzelt zu sein.» Sie wolle dem nicht mehr Aufmerksamkeit als nötig geben.

Trittin gibt Söder Mitschuld für Eskalation der Proteste

Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin gab Söder eine Mitschuld an der jüngsten Eskalation der Proteste. «Wer mal eben Steffi Lemke als Margot Honecker der Grünen bezeichnet, der leistet der Enthemmung Vorschub», sagte er dem RND. Politiker wie Söder und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger «schaffen damit eine Atmosphäre, in der sich dann ein gewalttätiger rechter Mob austobt». 

Mit Blick auf die letztlich abgesagte Veranstaltung in Biberach sagte Trittin, es sei vorher bekannt gewesen, dass mit Ausschreitungen zu rechnen war. «Es gab drei entsprechende Whatsapp-Gruppen mit je 1000 Teilnehmern. Die baden-württembergische Polizei muss sich deshalb fragen lassen, warum sie nicht so vorbereitet war, wie das zum Schutz einer Veranstaltung mit dem Ministerpräsidenten notwendig gewesen wäre.»

Auch die SED-Opferbeauftragte des Bundestages, Evelyn Zupke, kritisierte Söders Vergleich. «DDR-Vergleiche wie der von Markus Söder zeigen mir, wie wenig in unserer Gesellschaft über die Repression in der DDR bekannt ist. Für die Opfer der SED-Diktatur ist dies immer wieder verletzend», sagte sie dem RND. (dpa) +++

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