Digitialisierung ist überfällig
Apotheker schimpfen über Startschwierigkeiten beim E-Rezept
Drei Apotheker im Redaktionsgespräch: Maximilian Traut, Justus Schollmeier und Christian Vasters
Fotos: Hannes Mayer
19.01.2024 / REGION -
In ihrem Unmut über die Startschwierigkeiten beim elektronischen Rezept sind sich Ärzte und Apotheker einig, es knirscht gewaltig bei der praktischen Umsetzung der eigentlich überfälligen Digitalisierung. "Eigentlich sollte ja das Ziel der Einführung des E-Rezepts sein, dass alles schneller geht. Doch tatsächlich ist vielfach das Gegenteil der Fall", klagt Maximilian Traut, Inhaber der Stadt-Apotheke in Fulda.
Auch seine Kollegen Justus Schollmeier von der Altstadt-Apotheke und Christian Vasters, Burgapotheke sind von technischen Problemen des E-Rezepts sichtlich genervt. Eine aktuelle Umfrage des Apothekerverbands hatte ergeben, dass jedes fünfte vorgelegte Rezept ein Problem verursacht. Vor allem die Software für die Arztpraxen scheint Mängel zu haben, häufig ist aber auch der Mensch der "Störfaktor" des neuen Systems. Denn Routine gibt es noch nicht im Umgang mit dem neuen Tool. "Da kommt ein Patient direkt nach dem Arztbesuch zu uns und legt seine Krankenkassenkarte vor. Wir wollen ihm sein benötigtes Medikament aushändigen, doch der Arzt hat das E-Rezept noch nicht unterschrieben, weil er das erst in der Mittagspause macht. Dann muss ich den Patienten noch mal nach Hause schicken", so der Apotheker. Es gebe Praxen, bei denen sich die digitale Signatur des Arztes gar um 24 Stunden verzögert. Das sei dann ein erheblicher Rückschritt gegenüber dem Papierrezept. Manche Praxen haben den korrekten Umgang und die notwendigen Schritte vorab "geübt", da läuft es besser, aber das sind nur höchsten 20 Prozent, sind sich die Apotheker einig.
Grundsätzlich ein Fortschritt
Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: grundsätzlich befürworten alle drei Pharmazeuten die längst überfällige Digitalisierung und sehen darin einen klaren Vorteil für Arzt, Patient und Apotheke - wenn, ja wenn es denn funktioniert. Denn die E-Rezepte sind fälschungssicher und in jedem Fall eindeutiger als die manchmal unleserlichen handschriftlichen Papierrezepte.
Doch die Fehlerquellen bei der Neuerung sind aktuell noch vielfältig: oft fehlten auch die nötigen Daten, etwa die achtstellige Pharmazentralnummer (PZN) oder die vorgeschriebenen Angaben im E-Rezept wurden von der Arztpraxis nicht korrekt ausgefüllt, die Software weist aber nicht auf die mangelhafte Datenlage hin. "Jede einfache Online-Bestellung funktioniert da besser, die kann man nur abschicken, wenn man alle Felder vollständig ausgefüllt hat - doch beim E-Rezept gibt es keinen Hinweis". Und das bedeutet in der Praxis Nachfragen und Nachbesserungen, die den Betrieb aufhalten. "Fünf Minuten mehr pro Rezept - und schon stauen sich die Patienten am Tresen", so die unliebsame Erfahrung der drei.
Doch das nachbesserungswürdige System beim E-Rezept ist nicht die einzige Baustelle, mit der die Apotheker zu kämpfen haben. Nach wie vor erschweren extreme Lieferengpässe die Versorgung mit dringend benötigten Medikamenten. "Antibiotika und auch antibiotische Augensalben, die auch nach Augen-Operationen verschrieben werden, sind derzeit nicht zu bekommen. Auch das bedeutet zeitaufwendige Telefonate und Ersatzbeschaffungen für uns", klagt Maximilian Traut. Die meiste Zeit verschlinge aber die Dokumentationspflicht und die überbordenden Bürokratievorschriften, die die eigentliche pharmazeutische Tätigkeit überlagerten.
Auch mit Nachwuchsproblemen, Fachkräfte- und Personalmangel haben die Apotheker zu kämpfen. Die Gehälter der Angestellten seien im vergangenen Jahr um zehn Prozent gestiegen, was angesichts einer sechstägigen Arbeitswoche plus regelmäßigen Wochenenddiensten auch völlig angemessen sei. Eine erneute Erhöhung, um den Beruf attraktiver zu machen, sei zwar wünschenswert, könne aber von den Inhabern nicht gestemmt werden. "Denn unsere Vergütung durch die Krankenkassen stagniert seit Jahren, wir bekommen nicht mal einen Inflationsausgleich", beklagen die Pharmazeuten. Auf die langersehnte Anpassung des Apothekenhonorars warte die Berufsgruppe leider vergeblich, die Vorschläge von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach reichten bei weitem nicht aus. Die Ertragslage in ihrer Branche sei deshalb rückläufig, weitere Apothekenschließungen unabwendbar. "Die Apothekendichte wird um ein Drittel zurückgehen", prognostizieren sie.
Trotz aller Klagen sei die Apotheke vor Ort unabdingbar und auch künftig nicht etwa durch Internethandel zu ersetzen. "Und der Kontakt und die fundierte Beratung unserer Kunden ist uns ein Herzensanliegen", sind sich die Fuldaer Pharmazeuten einig. "Besonders im Notdienst merkt man deutlich, wie dankbar die Patienten für unsere Dienstleistung sind", sagt Max Traut. Dann wisse man, warum man sich den Beruf des Apothekers ausgesucht habe. (ci)+++