Stadt hofft auf Gesetzesänderung

Nach "Teo"-Urteil: Kontroverse Debatte um Ladenöffnungszeiten

Tegut-"Teo": Rund um die Uhr verfügbar an sieben Tagen in der Woche - oder doch nicht?
Archivfoto: O|N/Henrik Schmitt

06.01.2024 / FULDA - Das "Teo"-Urteil sorgt für Aufsehen: Seit Donnerstag ist eine große Diskussion entbrannt. Das vom 22. Dezember 2023 bekannt gemachte Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes in Kassel (O|N berichtete) untersagt die Öffnung der Mini-Supermärkte Tegut-"Teo" an Sonn- und Feiertagen. Die Fuldaer Handelskette verstößt laut dem VGH gegen das Hessische Ladenöffnungsgesetz. Kunden reagieren in den Sozialen Medien auf diese Entscheidung mit Kopfschütteln und stellen ähnliche Verkaufskonzepte infrage.



Auch OSTHESSEN|NEWS haben viele E-Mails zu dem Thema erreicht. O|N-Leser Martin Schäfer schreibt: "Wie ist denn die Rechtslage bei Verkaufsautomaten mit frischen Lebensmitteln, die von Landwirten angeboten werden? Oder für Getränke- bzw. Snackautomaten in Bahnhöfen? Selbst Zigarettenautomaten sind dann wohl rechtlich fraglich nach dieser Urteilsverkündung, oder?" Und Stefan Seng ergänzt: "Es erscheint grotesk, dass die Stadt sich erst um die Nahversorgung bemüht, um anschließend die Schließung zu verfügen und dem Unternehmer in alter Manier Steine in den Weg legt." 

Das steckt hinter den Mini-Supermärkten "Teo"

Einkaufen rund um die Uhr - und das an sieben Tagen die Woche. Darauf basiert das Konzept der beliebten Tegut-"Teos". Insgesamt gibt es heute 39 Läden mit ihrer typischen Holzfassade in Hessen, Baden-Württemberg und Bayern. Der rund 50 Quadratmeter große digitale und videoüberwachte Store in Waggon-Form verfügt über ein Sortiment von über 950 Produkten. Alles, was für den alltäglichen Bedarf eben benötigt wird. Per App oder EC-Karte wird der Zutritt gewährt, Produkte können ganz einfach an den Selbstscanning-Kassen bezahlt werden.

Stadt Fulda: "Sind an Recht und Gesetz gebunden"

Die Stadt Fulda äußert sich am Freitagnachmittag zu dem VGH-Beschluss. Wie in der Pressemitteilung hervorgeht, wird nun auf Initiativen zur Änderung des Hessischen Landesöffnungsgesetzes gesetzt. "Das spezielle Angebot von Tegut hat sich aus Sicht der Stadt Fulda bewährt und soll in vollem Umfang erhalten bleiben." Gleichzeitig wird klargestellt, "dass sie die Schließungsanordnung vom 8. Oktober 2021, die jetzt vom VGH bestätigt wurde, keineswegs forciert habe. Das Projekt sei von Anfang an positiv begleitet worden." Man sei allerdings "an Recht und Gesetz gebunden" und habe die gerichtliche Klärung eines strittigen Sachverhalts herbeiführen müssen. Es stand die Frage im Raum, ob die "Teos" als "begehbare Automaten" oder als "Verkaufsstelle" im Sinne des Ladenöffnungsgesetzes anzusehen sind. Zu beachten ist laut Stadt ebenso der Umstand, dass es sich bei den "Teos" zum damaligen Zeitpunkt um eine"völlig neuartige Verkaufsform handelte. Somit sei die Schließungsanordnung erst nach den entsprechenden Hinweisen, Prüfungen und Stellungnahmen des Regierungspräsidiums Kassel als zuständiger Aufsichtsbehörde sowie des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration vorgenommen worden. Nicht zuletzt folgten darüber hinaus Forderungen von gewerkschaftlicher Seite nach einer Sonn- und Feiertagsschließung der Verkaufsmodule.

Während des laufenden Eilverfahrens vor dem Verwaltungsgericht Kassel beziehungsweise vor dem VGH hatte die Stadt Fulda jedoch auf Vollstreckungsmaßnahmen verzichtet, sodass die Verkaufsmodule bisher auch an Sonn- und Feiertagen geöffnet waren. 

Die Stadt legt nun den Fokus darauf, "dass im Einklang mit den Kommunalen Spitzenverbänden in Hessen bei der künftigen Landesregierung eine Neuregelung des Ladenöffnungsgesetzes initiiert wird, die auf eine zeitgemäße und auf die Lebenswirklichkeit der Menschen abzielende Regelung ermöglicht und zugleich den Sonntagsschutz nicht außer Acht lässt". Fuldas Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld und Tegut-Geschäftsführer Thomas Gutberlet zeigten sich bei einem Treffen davon überzeugt, dass eine solche Neureglung des Gesetzes möglich ist und damit das erfolgreiche "Fuldaer Modell" der "Teo"-Verkaufsmodule weiterentwickelt werden kann. "Gerade in kleineren Stadtteilen und ländlichen Kommunen kann der ,Teo‘ helfen, Versorgungslücken zu schließen", so Wingenfeld und Gutberlet abschließend.

Sonderregelungen an Tankstellen, Bahnhöfen und Automaten zum Direktvertrieb

Übrigens: Das Hessische Ladenöffnungsgesetz legt dar, dass es Sonderöffnungszeiten an Sonn- und Feiertagen für einige ausgewählte Bereiche gibt. Dazu zählen etwa Tankstellen, die "in der Zeit von 0 bis 24 Uhr für die Abgabe von Betriebsstoffen, Ersatzteile für die Erhaltung oder Wiederherstellung der Fahrbereitschaft von Kraftfahrzeugen sowie für die Abgabe von Reisebedarf" geöffnet haben dürfen. Ähnliches gilt für Verkaufsstellen auf internationalen Verkehrsflughäfen, Flughäfen und Personenbahnhöfen "in der Zeit von 0 bis 24 Uhr, auf Flughäfen und Personenbahnhöfen jedoch nur für die Abgabe von Reisebedarf". Und: Verkaufsstellen landwirtschaftlicher Betriebe und Hofläden fallen ebenfalls in diese Kategorie.

Handelsverband Hessen setzt sich für die Etablierung personalloser und voll digitalisierter begehbarer Automaten ein

Hauptgeschäftsführer Sven Rohde vom Handelsverband Hessen: "Ein gesetzliches Verbot der Sonn- und Feiertagsöffnung von personallosen und voll digitalisierten begehbaren Automaten in Hessen wäre keinesfalls zielführend, da dies innovationshemmend wirken und somit die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit des Handels beeinträchtigen würde. Um die begehbaren Automaten rentabel betreiben zu können, ist die Möglichkeit zur Öffnung an Sonn- und Feiertagen unerlässlich." Hoffnung auf eine Anpassung des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes schöpft Rohde - genauso wie OB Wingenfeld - im neuen Koalitionsvertrag der künftigen hessischen Regierung. "Der Koalitionsvertrag benennt diese Option bereits. Wir werden uns in der neuen Legislatur genau dafür einsetzen." (mkr/pm) +++

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