Regierung lenkt teilweise ein

"Fass nicht übergelaufen, sondern geplatzt": Bauern bereiten Protestwoche vor

Die Landwirte bei der Raiffeisen Waren GmbH in Petersberg
Fotos: Marius Auth

05.01.2024 / PETERSBERG - Das Aus für die Steuervergünstigungen bei Agrardiesel und Kfz-Steuer hat die Landwirte kalt erwischt. Die Befürchtung: Im innereuropäischen Wettbewerb können deutsche Agrarprodukte durch höhere Preise bald nicht mehr mithalten. Deshalb gehen auch regionale Landwirte auf die Barrikaden - ab Montag ist Aktionswoche, Schlepperdemo nach Wiesbaden inklusive.



Um die Milliarden-Lücke im Bundeshaushalt zu schließen, werden auch Subventionen gestrichen. Drei Milliarden Euro sollen so eingespart werden - eine Milliarde sollen allein die deutschen Landwirte tragen. "Der Bund ist auf der Suche nach Geld, klimaschädliche Subventionen sollen deshalb wegfallen - aber wir als Landwirte haben als einzige die Klimaziele eingehalten", erklärt Stefan Schneider, erster Vorsitzender des Kreisbauernverbands Fulda-Hünfeld. 2.200 Mitglieder zählt der Verband, 80 Prozent davon betreiben Landwirtschaft im Nebenerwerb.

Wenn Landwirte bisher an der Tankstelle Diesel kaufen, erhalten sie 21 Cent pro Liter zurück. Außerdem sind landwirtschaftliche Fahrzeuge von der Kfz-Steuer befreit. "In fast ganz Europa wird das so gehandhabt - die Kfz-Steuer wurde ja eingeführt zur Sanierung von Straßen, die werden aber von Bauern kaum genutzt. Und ein Schlepper verbraucht 25 Liter Diesel auf 100 Kilometer beziehungsweise den Hektar - kaum einer kann sich vorstellen, was gerade auf den Höfen los ist: Von jetzt auf eben haben Landwirte 1,5 Monatsgehälter weniger. Ein 100-Hektar-Betrieb hat 2.100 Euro weniger. Das hat das Fass nicht zum Überlaufen, sondern zum Platzen gebracht."


"Einzelhandel sind unsere Kosten egal"

Agrardiesel sei für die Traktoren alternativlos, die höheren Kosten könnten auch nicht an die Verbraucher weitergegeben werden, weil die Preise vorgeschrieben sind: 37 Cent bekommt der Landwirt für den Liter Milch. "Dem Einzelhandel sind unsere Kosten egal - der Wettbewerb ist europaweit", so Schneider. Christian Hartmann, Landwirt aus Hofbieber-Wiesen, ergänzt: "Wenn die großen Lebensmittelketten die Milch nicht günstig genug aus Deutschland bekommen, gehen die einfach nach Polen. Die Kerosinsteuer wurde schnell wieder gestrichen - aber wir brauchen die Vergünstigungen, um wirtschaftlich produzieren zu können."



Höhere Kosten führten zu mehr Importen aus dem Ausland - neben dem verstärkten Strukturwandel könnten Landwirte durch den Wegfall der Subventionen auf Dauer schlicht weniger Investitionen tätigen: "Das kann man mal ein Jahr oder zwei machen - aber nicht länger. Für die nachfolgenden Generationen wird die Landwirtschaft so immer unattraktiver." Deswegen beteiligen sich die regionalen Landwirte an der bundesweiten Aktionswoche des Deutschen Bauernverbands vom 8. Januar bis zum 15. Januar: Am Montag findet eine hessenweite Sternfahrt nach Wiesbaden mit bis zu 200 Traktoren statt, außerdem eine Veranstaltung im Technologiepark Fulda. Am Mittwoch ist eine weitere Straßen-Veranstaltung geplant, am Freitag eine Kundgebung im Landkreis Fulda.



Das Traktorenbrummen der Landwirte im Vorfeld der bundesweiten Aktionswoche hat die Bundesregierung bereits im Vorfeld anscheinend zum teilweisen Einlenken gebracht: Wie n-tv am Donnerstag meldet, soll die Streichung der Kfz-Steuerbefreiung zurückgenommen werden, die Agrardiesel-Steuervergünstigungen sollen in mehreren Schritten vollzogen werden. (mau) +++

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