Urteil im Giesel-Prozess

"Sie haben den einzigen Menschen getötet, der immer zu Ihnen hielt!"

Das Urteil im Giesel-Prozess ist gefallen.
Foto: Carla Ihle-Becker

20.12.2023 / FULDA - Eine junge Frau ist im März dieses Jahres in Giesel (Kreis Fulda) auf brutalste Weise zu Tode gekommen. Laut Anklage wurden der 21-Jährigen mit einem Schlitzschraubenzieher 14 Stichverletzungen zugefügt. Seit September musste sich ein 27-Jähriger vor dem Fuldaer Landgericht verantworten. Nun steht am letzten Tag des Prozesses das Urteil fest: Das Gericht hat den damaligen Freund des Opfers wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Dieser muss sich einer siebenjährigen Freiheitsstrafe stellen und wird in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. 



"Das schreckliche Schicksal von Leonie"

"Sie haben sich selbst am meisten bestraft, indem Sie den einzigen Menschen getötet haben, der trotz Ihrer geistigen Einschränkung immer zu Ihnen gehalten hat", stellte Richter Josef Richter bei der Urteilsverkündung am Dienstag fest. Der Angeklagte verbarg das Gesicht in den Händen und weinte bitterlich.

Im Gericht war jeder einzelne Platz im Zuschauerraum besetzt. Familienangehörige und Freunde des Opfers hatten die Verhandlung bis jetzt zur Urteilsverkündung regelmäßig verfolgt. Deren Verständnis für die Entscheidung des Gerichts, den 27-Jährigen wegen gefährlicher Körperverletzung und nicht wegen Totschlags oder Mords zu verurteilen, dürfte sich in Grenzen halten. Die Kammer war in ihrer strafrechtlichen Bewertung weitgehend dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr. Helge Laubinger gefolgt, der einen Tötungsvorsatz oder die Realisierung der tödlichen Tatfolgen wegen der Intelligenzminderung und Alkoholisierung des Angeklagten ausgeschlossen hatte. 

"Wir haben den Gutachter deshalb hier eingehend befragt und haben im Zweifel für den Angeklagten entschieden", erklärte der Richter. Dieser habe laut Laubinger den geistigen Status eines Neunjährigen. Sein Alkoholisierung von 2,55 Promille während der Tat habe seine Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt. Seine geringe Frustrationstoleranz, seine fehlende Kritikfähigkeit und die mangelnde Fähigkeit, Konflikte verbal zu lösen, hätten zu seiner brutalen Attacke auf das Opfer geführt, nicht der Vorsatz, sie zu töten. 

Für den 27-Jährigen spreche die Tatsache, dass er die Tat, an die er sich nicht erinnern könne, nie bestritten habe, vor Gericht ehrliche Reue gezeigt und sich glaubhaft entschuldigt habe. Strafverschärfend seien seine einschlägigen Vorstrafen wegen vorausgegangen Körperverletzungen und die die schweren psychischen Folgen der Tat für Familie und Freunde des jungen Opfers zu werten.

9.000 WhatsApp-Nachrichten ausgewertet

"Das schreckliche Schicksal von Leonie hat ihre ganze Umgebung zutiefst erschüttert und eine tiefe tragische Dimension für ihre Familie und Freunde", hatte der Richter zu Beginn gesagt. Für die Urteilsfindung waren unter anderem 9.000 WhatsApp- und Sprachnachrichten des Paares ausgewertet worden. Diese hätten ein harmonisches Bild der Beziehung gezeigt, in der sich beide füreinander eingesetzt und sich gegenseitig unterstützt hätten. Wie ausführlich berichtet, hatte es am Tatabend Streit wegen der ausufernden Party und zu lauter Musik gegeben. Die brutale Attacke mit Fäusten und einem Schraubenzieher wegen dieses geringfügigen Anlasses sei nicht logisch nachvollziehbar, sondern widersinnig, führte der Richter aus. Weil sich das jederzeit wiederholen könne und der Angeklagte auch künftig eine Gefahr für die Sicherheit der Öffentlichkeit darstelle, wurde seine Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie veranlasst. (ci) +++

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