Präventionskampagne gegen Trickbetrug

Aufklärung aus Opfersicht: "Luna" schildert Schockanruf und mahnt zur Vorsicht

"Luna" im Gespräch mit dem Polizeipräsidenten Michael Tegethoff. Sie schildert ihren Schockanruf vom 12. Oktober 2023 .
Fotos: Mathias Schmidt

16.12.2023 / FULDA - "Prävention ist für die Kriminalitätsbekämpfung elementar wichtig, denn jede verhinderte Straftat ist ein Erfolg für die Polizei und insbesondere für die Bürgerinnen und Bürger", betonte Polizeipräsident Michael Tegethoff zu Beginn des Pressegespräches im Zuge der landesweiten Kampagne "Gemeinsam Sicher in Hessen" am Freitagnachmittag im Polizeipräsidium Osthessen. Das Ziel der Veranstaltung: Sensibilisierung rund um das Thema Trickbetrug und zugleich ein Einblick in die kriminellen Abläufe solcher Versuche aus Sicht eines Opfers. 



"Dieses Thema betrifft alle Mitbürger, egal welchen Alters. Hier gilt es im Vorfeld anzusetzen. Wir wollen mit passgenauen Präventionsangeboten entsprechende Maßnahmen aufbauen", erklärt Tegethoff. "Unser Ziel ist es, Straftaten gar nicht entstehen zu lassen, denn Opfer werden nicht nur körperlich oder materiell, sondern auch physisch geschädigt. Kriminalität entgegenzutreten heißt nicht nur das Lösen von Straftaten, sondern auch diese zu verhindern."  Durch neue Möglichkeiten, das Kriminalgeschehen zu verändern, passen sich die Täter ebenfalls diesem Wandel an. Ein Beispiel dafür ist das sogenannte "Call ID Spoofing", bei dem es für Betrüger möglich ist, bestimmte Rufnummern anzunehmen und durch Vorwahlen eine örtliche Nähe herzustellen. Auch künstliche Intelligenz würde in Zukunft eine entscheidende Rolle spielen. "Für Familienmitglieder täuschend echte Stimmen sind besorgniserregende Wege, Opfer zu täuschen. Zwar konnte hier in Osthessen so ein Fall bisher nicht festgestellt werden, aber sicher ist: Es wird in Zukunft negative Auswirkungen in diesem Gebiet haben", mahnt Tegethoff. 

Trickbetrugszahlen gestiegen

Da bei der Vorstellung der letzten polizeilichen Kriminalstatistik aus 2022 die osthessische Polizei einen deutlichen Fallzahlenanstieg im Bereich des Trickbetrugs verkündete, öffnet die Behörde die Vorhänge der Präventionsoffensive zu genau diesem Deliktbereich. Während sich die Vollendungen in den vorangegangenen Jahren überwiegend im ein- bis unteren zweistelligen Bereich bewegt hatten, sorgten in 2022 alleine 89 Vollendungen durch "Enkeltrick", "Schockanruf" und "Anrufe falscher Polizeibeamter" für einen Gesamtvermögensschaden von rund 640.000 Euro. Diese Entwicklung scheint sich auch im aktuellen Jahr fortzusetzen. "Wir müssen davon ausgehen, dass die Dunkelziffer hier wesentlich höher liegt, da viele Beschädigte sich nicht bei der Polizei melden. Hier ist es wichtig, durch verschiedene Kanäle und Mund-zu-Mund-Propaganda viele zu erreichen und auch zu zeigen, was Betroffene sagen."

Dennoch gelingt es den dreisten Trickbetrügern immer wieder, Gelder und Wertgegenstände zu erbeuten - und das schon lange nicht mehr nur von lebensälteren Personen. "Es betrifft alle Generationen. Wir wollen daher auch von dem Begriff 'Enkeltrick' abweichen, da dieser suggeriert, dass nur ältere Menschen betroffen sind. Viele Menschen kennen zwar das Delikt, haben aber keine Vorstellung davon, wie realistisch so ein Trickbetrug oder Schockanruf tatsächlich abläuft und was es in diesem Moment in den Betroffenen auslöst", macht Kriminalhauptkommissarin und Pressesprecherin Sandra Suski deutlich. In Anbetracht dessen präsentierte das Polizeipräsidium Osthessen erstmals nachgesprochene Ausschnitte eines Trickbetrugs am Telefon und bot den Vertretern der Presse auch die Möglichkeit an, mit Luna, einer erst kürzlich Geschädigten eines Schockanrufs, zu sprechen. 

Ängste und Unsicherheiten werden ausgenutzt

"Ganz klassisch zu Beginn eines solchen Schockanrufs ist die Vorstellung. Hier waren es vorgetäuschte Polizeibeamten, die Vertrauen aufbauen wollten und zeitgleich mit einem Druckszenario Ängste bei dem Opfer schüren wollen", erklärt Suski. "Dann folgt fast immer dieselbe Masche, ein Zettel wurde aufgefunden, mit dem Namen des Opfers und persönlichen Daten, um Unsicherheit hervorzurufen. Dabei wird versucht ins Gespräch zu kommen, mehr Vertrauen aufzubauen und Informationen zu bekommen. Abschließend wird vorgegeben, für die Sicherheit zu garantieren - 'wir sind für Sie da' - und den Betroffenen mit den Angstgefühlen dann alleine zu lassen." Oftmals bleibt es jedoch nicht nur bei einem Anruf. In weiteren Anrufen wird versucht, das Opfer dazu zu animieren, das Geld vom Konto abzuheben und nach Hause zu nehmen. "Es wird eine Abhängigkeit geschaffen und das Gefühl, der Polizei helfen zu können. Am Ende wird das Sicherheitsgefühl gestärkt und die Vertrauensbasis gefestigt."

"Sie dürfen niemanden etwas von diesem Anruf erzählen!"

"Luna" hat einen solchen Schockanruf erst vor kurzem erhalten. Die ältere Dame erzählt ihre Geschichte allen Anwesenden, möchte jedoch anonym bleiben. In ihrem Fall wurde ein erfundener Verkehrsunfall ihrer Tochter als Vorwand benutzt, um 60.000 Euro abzuheben und dieses am Amtsgericht zu übergeben. "Dadurch, dass ich nur 17.000 Euro abheben konnte, wollten sie auch meinen Schmuck", erklärt sie. Ein aufmerksamer Bankmitarbeiter hatte jedoch die echte Tochter alarmiert, die daraufhin die Polizei kontaktiere. Durch Glück im Unglück konnte dann Luna telefonisch erreicht werden, bevor das Geld übergeben werden konnte. "Ich durfte nie auflegen oder jemandem etwas davon erzählen, aber nach den mindestens drei Stunden war mein Akku leer, also sollte ich mir ein neues in einem bestimmten Laden kaufen. Auch dort wurde ich angerufen, um mir Druck zu machen." Beim Wechseln ihrer SIM-Karte konnte die Polizei Luna zum Glück erreichen. "Nach einer Minute war schon das Polizeifahrzeug vor dem Laden und drei bewaffnete Beamten kamen hereingestürmt." 

Für Luna war dieses unschöne Erlebnis prägend. "Mir sind solche Maschen bekannt, ich hatte jedoch nicht mit der Stimme meiner Tochter bei so einem Schockanruf gerechnet. Ich bin heute noch der Überzeugung, dass das ihre Stimme war. Das war für mich auch der Knackpunkt und deswegen bin ich heute hier, um darüber aufzuklären, auch wenn es nur einen einzigen davor retten kann. Es kann jeden treffen. Ich möchte damit abschließen. Seitdem bin ich vorsichtiger und gehe an keine fremden Nummern dran." (ms/pm) +++

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