"Ich war doch noch ein Junge"
Die Lebensgeschichte eines Menschen, der den Zweiten Weltkrieg überlebte
Fotos: Privat
13.12.2023 / REGION HEF-ROF -
"Ich war doch noch ein Junge" mit dem Untertitel "Ein Holocaust-Überlebender versöhnt sich mit seiner Vergangenheit" heißt das Buch über Mitka Kalinski, der heute in den USA lebt. Als Kind wurde er 1939 von deutschen Truppen aus der Ukraine verschleppt. Seine lange Geschichte führte ihn während des Zweiten Weltkrieges auch in den Landkreis Hersfeld-Rotenburg.
Das Buch wird am Donnerstag, 14. Dezember, um 19 Uhr im Rotenburger Rathaus präsentiert. Dazu laden der Förderkreis Jüdisches Museum Rotenburg, der Geschichtsverein Rotenburg, die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit sowie der Kultur- und Tourismusverein Rotenburg ein.
Niedergeschossen, aber nicht getötet
"Mitkas Leidenszeit begann mit Hitlers Überfall auf Polen im September 1939. Zu dieser Zeit war er Schüler in einem Internat in Polen. Seine früheste Erinnerung an damalige Geschehnisse war ein Bombenangriff 1941 in der Ukraine, wohin er von Polen Ende 1939 gelangt war und wo er von deutschen Besatzern aufgegriffen und verschleppt wurde", hat Nuhn recherchiert. An einem anderen Ort sei er mit vielen anderen Menschen zu einer langen Schlucht geschafft worden, wo man sie niedergeschossen hätte. Als Verwunderter, aber nicht tödlich Getroffener, hätte er aus den Leichenbergen hervorkriechen können. Vermutlich sei dies im ukrainischen Babin Yar gewesen, wo im Jahr 1941 33.000 Juden ermordet wurden. Danach sei er wieder in Gefangenschaft geraten und in verschiedene Konzentrationslager geschafft worden, wozu Auschwitz-Birkenau und Dachau und dann Buchenwald gehört hätten. Neues Leben in Nevada
1949 wurde Kalinski von amerikanischen Fluchthelfern zur Flüchtlingshilfe der Vereinten Nationen nach Bad Aibling in Oberbayern in ein Waisenhaus gebracht. Durch die Vermittlung und Hilfe einer amerikanischen Organisation kam er 1951 nach Amerika. Zwei Jahre später heiratete er Adrienne Harder, eine protestantische Christin. Aus der Ehe mit Adrienne Harder gingen vier Kinder hervor. Die Familie ließ sich in Sparks nieder, einem kleinen Ort im Bundesstaat Nevada nahe dessen Hauptstadt Reno. Den Lebensunterhalt für seine Familie besorgte Mitka Kalinski als Bauarbeiter. Bis auf den heutigen Tag kann er weder lesen noch schreiben, was ihn sehr belastet. Drei Autoren fassen Kalinskis Leben in Buchform zusammen
Seit seiner Bar Mitzwa im Jahr 2001 als älterer Mann und den damit verbundenen öffentlichen Reaktionen ist Mitka Kalinski in den USA eine bekannte Persönlichkeit, dessen außergewöhnlicher Lebensweg in vielen überregionalen Tageszeitungen und Magazinen ein Echo fand. Nachdem es schon zwei Anläufe gegeben hatte, sein Leben und Schicksal in einer Buchpublikation zu würdigen, gelang dies 2021 einer dreiköpfigen Autorengruppe mit dem Journalisten Steven Brallier, der promovierten Sprachwissenschaftlerin Lynn Beck und dem Präsidenten des Theologischen Seminars in Hartford, Professor Joel Lohr. Das Buch mit dem Titel "Mitka’s Secret. A True Story of Child Slavery & Surviving the Holocaust" erschien im Juni 2021. Die deutsche Übersetzung gibt es seit wenigen Monaten. Für ein gutes Viertel des 300-seitigen Buches sind Rotenburg an der Fulda und das ehemalige Zwangsarbeitslager Pfaffenwald in dem Hersfelder Stadtteil Asbach die Schauplätze. Für letzteren Handlungsort konnten die Autoren auf die Forschungen von Susanne Hohlmann-Hofmann zurückgreifen, die Mitka auch bei seinem Besuch 1984 vor Ort begleitet hatte. "Betreffend Rotenburg waren den Buchautoren meine Veröffentlichungen eine wichtige Quelle", sagt Dr. Heinrich Nuhn.
Sinfonische Dichtung über die Geschichte
2017 hatte Jordan S. Roper, ein US-amerikanischer Komponist, der in der Filmindustrie tätig ist, Mitkas Lebensweg mit all seinen Höhen und Tiefen zu einer fünfminütigen, sinfonischen Dichtung verarbeitet, der er den Titel "My Name is Mitka" gab. "Mein Ziel war es, Mitka Kalinskis Weg aus tragischem Elend zu persönlichem Triumph darzustellen", so Roper damals. Mit der Wahl des Titels für seine sinfonische Dichtung will Roper dem Moment in Mitkas Leben einen besonderen Ausdruck verleihen, als dieser erstmals seinen richtigen Namen erfuhr und daraufhin immer wieder begeistert schrie: "My name is Mitka!" Die Premiere hatte Ropers Werk am 14. Januar 2017 in Cheyenne (Wyoming), bald danach kam es zu einer zweiten Aufführung durch das Reno Philharmonic Orchestra mit 1.400 Zuhörern in Reno, nahe Mitka Kalinskis Wohnort Sparks in Nevada.Es gäbe noch viel zu berichten. Wer sich für die Lebensgeschichte Mitka Kalinskis interessiert, kann die Buchpräsentation am Donnerstag besuchen oder das Buch, das im SCM-Verlag erscheinen ist, für 25 Euro erwerben. (cdg) +++