Holzwurm, Pilz und Tauben haben genagt

Jörg Büchner restauriert Wirtshausschild der Metzger-Innung "Zum Ochsen"

In der Werkstatt von Jörg Büchner wird das Wirtshausschild aufwendig restauriert. Links Josefine Meise, rechts Ulrike Zöller
Fotos: Carina Jirsch

09.12.2023 / FULDA - Wer in Fulda regelmäßig am Schaufenster des Restaurators Jörg Büchner am Luckenberg vorbeikommt, kann außergewöhnliche historische Objekte und deren allmähliche Wandlung zu neuer Ansehnlichkeit bestaunen. Das raumgreifende Wirtshausschild mit dem Schriftband "Zum Ochsen" sah zu Beginn der Restaurierung wirklich arg mitgenommen aus: der Zahn der Zeit in Form von Holzwurm, Abgasen, Pilzbefall und Tauben hatte arg an dem einstigen Aushängeschild der heimischen Metzger-Innung genagt. Nach den aufwendigen Restaurierungsmaßnahmen soll es in die Dauerausstellung des Vonderau-Museums kommen. 

Aber auch an seinem angestammten Platz des Gebäudes in der Mittelstraße wird eine Replik des Originals wieder die Fassade zieren. Dort wurde die von Fachleuten Kartusche (ein Zierrahmen um Wappen, Porträts, Gemälde oder Inschriftfelder) genannte Holzplastik 2010 abgenommen, weil sie sonst Passanten auf den Kopf zu fallen drohte. "Das Lindenholz war so mürbe geworden, dass man es mit dem Finger eindrücken konnte", berichtet Jörg Büchner vom maroden Zustand des Originals. Im Keller des Hauses verschwand es für viele Jahre und geriet fast in Vergessenheit, bis das imposante Eckgebäude am Eingang zum Zitronemannsgässchen schließlich neue Besitzer bekam.

Das Ehepaar Mans hatte das Eckhaus 2020 vom Vorbesitzer Kircher gekauft, war natürlich auch am "Vorleben" des Gebäudes interessiert und recherchierte in alten Quellen im Stadtarchiv nach dessen Geschichte. Ursprünglich hatte an dieser Stelle ein Vorgängerbau gestanden, dessen Eigentümer wohl der Ochsenwirt Hanns Helmershausen war. Der Grundstein des Gasthauses "Zum roten Ochsen" in der Mittelstraße 15 (heute Mittelstraße 13/17) ist auf 1578 datiert. In den folgenden Jahren wechselte das Gasthaus mehrfach die Besitzer. 1699 kaufte Christoph Kramer das Haus sowie die angrenzenden Grundstücke samt Schlachthaus, Schweineställen und Keller. Der neue Eigentümer war Metzgermeister und eine bekannte Fuldaer Persönlichkeit. Der "rote Ochse" galt schließlich als Zunftherberge der Bäcker, Tuchmacher, Glaser, Häfner, Hutmacher, Metzger, Perückenmacher und Schmiede und genoss hohes Ansehen. 

Vom Zunftlokal zum Maschinenhandel 


Ein späterer Besitzer, Casper Makorn, erwarb 1856 den Meistertitel im Gerberhandwerk, eröffnete im Nachbarhaus ein Ledergeschäft und stellte den Gastbetrieb des Ochsen ein. Seine Tochter heiratete 1882 den Schuhmachermeister Johann Robert Kircher, der in das Ledergeschäft eintrat. 1906 wurde das Gasthaus abgerissen und ein dreigeschossiger Neubau in Renaissanceform mit gaubenbesetzten Mansarddach gebaut. Das Wirtshausschild wurde wieder am Erker der Nordfassade angebracht. 1923 entstand schließlich das heutige, große Geschäftshaus Mittelstraße 13/17 mit dem Maschinengeschäft "Kircher-Ludwig". Anschließend zog 1984 ein Drogeriemarkt und schließlich ein Haushaltsdiscounter in das Gebäude ein.

Zehn Jahre zuvor hatte der bekannte Fuldaer Restaurator Gisbert Seng den Auftrag bekommen, sich der in die Jahre gekommenen Kartusche anzunehmen. "Wir haben das Schild oben an der Wand, auf einem Gerüst, gereinigt und anschließend mit Acrylfarbe aufgefrischt. Beim Anstrich des Hauses hatte die Malerfirma damals festgestellt, dass unter der Fensterbank, direkt über dem Schild, Tauben genistet haben. Deswegen haben sie das Schild abgenommen. Ich sollte es mir angucken, als es im Hof der Malerfirma stand", berichtet Seng. Zufällig habe er dort in einen Container geschaut, in dem abgebrochene Fragmente der Verzierung lagen. Zum Glück hat er sie mitgenommen, um sie zu sichern und konnte die Originalteile Jörg Büchner jetzt für die Restaurierung übergeben. Die war eine aufwendige Angelegenheit, denn das zwei Meter breite und fast ein Meter fünfzig hohe Emblem war in schlimmen Zustand. Nach ausführlichen Voruntersuchungen, die aber keine Spuren der ursprünglichen Fassung mehr ergaben, musste der Bestand fachmännisch gereinigt und konserviert werden. Eine Ergänzung der Fehlstellen wurde mit streichholzkleinen Holzstäbchen vorgenommen. Anne Ropte, eine der Mitarbeiterinnen von Jörg Büchner, hat inzwischen ihre Bachelorarbeit über die Geschichte, die Voruntersuchungen und die Restaurierung der Kartusche geschrieben.

Die Arbeiten gehen auf ihre Vollendung zu, bald kann das restaurierte Original seinen Platz im Vonderau-Museum bekommen. An der Fassade soll dann eine Replik der Kartusche angebracht werden, die in Zusammenarbeit mit dem Instrumenten- und Flötenbauer Sibu Kunath in der Werkstatt in Maberzell angefertigt wird. Das ist einen eigenen Bericht wert. (Carla Ihle-Becker)+++

X