"Sonst droht der Verfall"

Neuer DEHOGA-Kreisvorsitzender Jahn: "Gastro-Wertschätzung muss steigen"

Andreas Jahn ist neuer DEHOGA-Kreisvorsitzender
Fotos: Marius Auth

23.11.2023 / POPPENHAUSEN (WAKU) - Andreas Jahn ist neuer DEHOGA-Kreisvorsitzender - und tritt an in schweren Zeiten: Neben dem Fachkräftemangel leidet die Branche unter Preissteigerungen, die an die teils klamme Klientel weitergegeben werden müssen. Die Wertschätzung fürs Kulturgut Gastronomie müsse gestärkt werden, sonst droht der Verfall, meint Jahn.



Der 40-Jährige hat im Jahr 2018 den Landgasthof Zum Stern in Poppenhausen übernommen und vorher sieben Jahre ein Irish Pub in Motten betrieben. Im Oktober erfolgte die Übergabe bei DEHOGA, der ehemalige Kreisvorsitzende Steffen Ackermann hinterlässt große Fußstapfen: "Steffen ist sehr gut vernetzt, der DEHOGA kann in Wiesbaden und auf Bundesebene gut auftreten und wird respektiert. Wir profitieren von den Zahlen: 75 bis 80 Prozent der Gastronomen sind Mitglied, dieses Gewicht können wir in die Waagschale werfen."

Neben GEMA-Vergünstigungen, Partner-Versicherungen, vergünstigten Telefon- und Autoleasingtarifen und Schulungsmöglichkeiten bietet der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband vor allem eine Gemeinschaft: "Wir sind eine große Familie - Corona hat das noch verstärkt. Das Konkurrenzdenken ist zurückgegangen. Wir schaffen das nur gemeinsam: eine hochwertige Gastrolandschaft mit vielen Wahlmöglichkeiten für unsere Gäste und die Region anbieten. Inzwischen haben wir WhatsApp-Gruppen, in denen einander unkompliziert geholfen wird: von rechtlichen Fragen über Fragen zur Dunstabzugsgröße, spezialisierten Handwerkern bis hin zum Teilen von Sorgen und Nöten. Das hätte es früher nicht gegeben."

Coole Kampagnen fürs Image

Neben den Preissteigerungen ist der Fachkräftemangel das drängendste Problem: "Was nützt die betse Bilanz, wenn kein Koch mehr in der Küche steht? Die Nachwuchsgewinnung ist deshalb von größter Wichtigkeit. Wir gehen in die Schulen, vor Kurzem war die erste Berufsbildungsmesse in der Rhönschule in Gersfeld. Coole DEHOGA-Kampagnen auf TikTok helfen, das Image zu verbessern. Viele bekommen immer noch gesagt: Geh' nicht in die Gastro, da musst du auch am Wochenende arbeiten! Dabei hat sich das sehr verändert, viele bieten flexible Arbeitszeitmodelle, die Bezahlung ist besser - Arbeitgeber müssen sich strecken, um den Nachwuchs halten zu können. Wir sind eine faire Branche - das muss in der Außenwahrnehmung besser transportiert werden."

Überbordene Bürokratie belaste viele kleine gastronomische Betriebe zusätzlich: "Heute muss der Küchenchef Listen ausfüllen - große Betriebe können sich eigene Fachkräfte für die Dokumentationspflichten leisten, aber nicht der Landgasthof. Wir haben als Gastronomen ein natürliches Bedürfnis nach Qualitätskontrolle und Qualitätsverbesserung - natürlich gibt es schwarze Schafe, aber die Bürokratieanforderungen nehmen absurde Ausmaße an."

Bollwerk für die Gastronomen

154 Mitgliedsbetriebe hat der DEHOGA-Kreisverband - Jahn will nicht nur Sprachrohr der Gastronomen sein, sondern auch aktiv an Veränderungen arbeiten: "Ich wurde von Steffen Ackermann angesprochen, ob ich mir das Amt vorstellen könnte. Reden kann man viel, aber Veränderung braucht Mitarbeit. Ich war in den letzten drei Jahren schon auf Landesdelegiertenversammlungen dabei und will jetzt mehr mitgestalten. Wir müssen Bollwerk sein für die Gastronomen angesichts der Unverschämtheiten aus der Politik."

Dafür gelte es auch, die gesellschaftliche Wertschätzung für die Gastronomie zu stärken: "Wir haben eine ausgeprägte soziale Funktion, vor allem auf dem Land: Bei uns treffen sich die Menschen, Stammtische begleiten viele ihr ganzes Leben lang. Dieser Bewusstseinswandel für die Relevanz der Gastronomie hilft hoffentlich auch, gegenüber der Politik selbstbewusster aufzutreten: Dort werden wir nicht ernstgenommen - wenn man sich die Vorschläge von dort anschaut." (mau) +++

Jahn hat den Landgasthof Zum Stern im Jahr 2018 übernommen

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