Der Stadtpfarrer bei O|N

Impulse von Stefan Buß: Seid wachsam!

Der Stadtpfarrer bei O|N.
Archivfoto: O|N/Hendrik Urbin

29.11.2023 / FULDA - "Ich bin Stadtpfarrer Stefan Buß aus Fulda!" Im "Mittelalterlichen Kriminalmuseum" in Rothenburg ob der Tauber ist das Original einer "Rheingräflichen Ordnung gegen den Kirchenschlaf" von 1694 einzusehen. Dort heißt es: "Wenn einer schläft, so sollen die Benachbarten auf beiden Seiten ihn von dem Schlafe erwecken und in Unterlassung dessen, wenn nämlich der Schlafende schnarcht und mit dem Kopf und Leib hin- und her wanket, jeder gleichergestalt drei Albus zur Strafe geben. Damit aber einer sich des Schlafes besser enthalten könne, soll derselbe, den der Schlaf ankommen will, sich aufrichten und der Predigt stehend zuhören."



Nichts gegen den Schlaf! Ich wünsche und gönne ihn allen, die schlecht schlafen können, einen erholsamen Schlaf. Und warum nicht einmal in der Kirche während der Predigt schlafen! Vielleicht ist der Kirchenschlaf nicht das schlechteste Geschenk, das der Prediger den schlaflosen Gläubigen machen kann. Aber bedenken Sie bitte. Rundum schlafende Christinnen und Christen, rundum schlafende Gemeinden, eine rundum schlafende Kirche – ist das nicht ein Widerspruch in sich? Christinnen und Christen, Gemeinden, Kirchen, die die Augen schließen, die sich die Ohren zustopfen und die Bettdecke über die Ohren zeihen, wozu sind sie nütze? Gott sei Dank gibt es sie so nicht. Im Gegenteil, es gibt heute viele wache Christinnen und Christen.

Es gibt heute viele wache Gemeinden und es gibt heute eine in vieler Beziehung hellwache Kirche. Dennoch ist die Gefahr des "Schlafes" mitten in unserem christlichen Leben gegeben. Hier geht es nicht um den Schlaf im eigentlichen Sinn, aber um die Gefahr, in eine Art Dämmerzustand, in eine Art Lethargie, in eine Art Unaufmerksamkeit, Zerstreutheit, Unkonzentriertheit, Gleichgültigkeit und Geistesabwesenheit zu versinken, die in uns die eigentlichen Quellen unserer christlichen Existenz versiegen lassen. Was ist dagegen zu tun? Ich meine, zunächst ist es wichtig, uns selbst Raum und Zeit zu schenken, bei uns selbst zu sein, uns zu begegnen und bei uns selbst anzukommen. Es gilt, uns selbst ein Zuhause und damit eine Anwesenheit und Geistesgegenwärtigkeit zu ermöglichen, die uns selbst gegenüber wach, lebendig und begegnungsbereit sein lässt.

Wer sich mit dieser Wirklichkeit beschenkt, wird nicht nur für sich selbst und seine tieferen Lebenssehnsüchte erreichbar sein. Wie oft klopfen Menschen, die mit uns zusammenleben, bei uns offen oder auch schüchtern, zurückhaltend und fast verschämt an, aber wir hören sie nicht, sind nicht da, sind nicht anwesend und nicht gegenwärtig. Sie können nicht bei uns ankommen, und wir nicht bei ihnen, weil wir nur Blick für uns selbst haben. Wachsam sein in dieser Welt heißt offen sein für den anderen und was er braucht und darin Gott erkennen. (Stefan Buß) +++

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