Gastronomen schlagen Alarm

Mehrwertsteuererhöhung: "Schleichendes Ende des Landgasthofs"

Die Gastronomen im Landgasthof Zum Stern
Fotos: Marius Auth

23.11.2023 / POPPENHAUSEN (WAKU) - Im Januar kommt der alte Mehrwertsteuersatz in die Gastronomie zurück. Regionale Gastronomen befürchten nicht nur eine Preiserhöhung von mindestens 15 Prozent für Verbraucher, sondern auf Dauer auch das Ende des Landgasthofs.



Im Landgasthof Zum Stern in Poppenhausen haben sich am Mittwoch Stefan Faulstich, der Vorsitzende des Vereins der Köche 1921 Fulda, Dieter und Benjamin Kehl vom Landhaus Kehl in Tann-Lahrbach, Stefan Hohmann vom Landhotel Gasthof Hohmann in Hilders und Andreas Jahn vom Landgasthof Zum Stern in Poppenhausen eingefunden - und schlagen Alarm: "Die geplante Mehrwertsteuererhöhung packt nur weitere Probleme für die Gastronomen obendrauf. Wir sind ohnehin konfrontiert mit Fachkräftemangel, exorbitanten Lebensmittelpreisen und Energiepreisen. Wir haben die Senkung von 12 Prozent genutzt, um die Preisgestaltung fair zu halten und diese Kosten abzufedern. Aber es wird teilweise so getan, als ob wir uns bereichert hätten", erklärte Dieter Kehl.

"Stück Lebensgefühl geht verloren"



Diese Gestaltungsmöglichkeiten fielen jetzt weg, mahnen die Gastronomen - mit schwerwiegenden Konsequenzen: "Die Gastronomie geht schweren Zeiten entgegen. Früher hatte ich finanziellen Spielraum, etwa für Schulungen und bessere Bezahlung meiner Mitarbeiter. Wenn die Preiserhöhungen kommen, werden etliche Stammkunden sich das Essen nicht mehr leisten können", so Faulstich. Gerade die Landgasthöfe haben häufig eine Klientel mit schmalem Geldbeutel - angesichts von Mehrbelastungen, die meist weitergegeben werden müssen, erlebe man das schleichende Ende des Landgasthofs live.



Der aber erfüllt eine wichtige soziale Funktion auf dem Land: Treffpunkt, geradezu Wohnzimmer für die Einheimischen, vor allem die älteren, sei man, so Benjamin Kehl: "Es geht auf Dauer ein Stück Lebensgefühl in Deutschland verloren. In der Gastronomie wird geboren und gestorben: von der Taufe bis zum Tröster. Der Rückgang der inhabergeführten Gastronomie zeigt auch, wie lächerlich die Vorstellung ist, dass wir uns in den letzten Jahren der Mehrwertsteuersenkung bereichert haben - es müsste ja boomen."

Albtraum Gastronomie



Regional und fair sei gewünscht - bei höheren Preisen gerate aber gerade die regionale Wertschöpfungskette in Gefahr, mahnte Faulstich. "Jeder wird sein Kapital zusammenhalten, dann muss halt im Großmarkt eingekauft werden." Man habe mit Vertretern der Politik gesprochen, bis zur Landesebene herrsche großes Verständnis, darüber hinaus dagegen nicht mehr. "Die Politiverdrossenheit bei Gastronomen ist groß. Wir müssen Entscheidungsträger sensibilisieren für unsere Probleme, die keine Ahnung von der Branche haben."

Etliche Orte in der Rhön seien schon ohne eigene Gastronomie, der Preisdruck sorge nicht zuletzt dafür, dass die Arbeit in der Traditionsbranche unattraktiver werde: "Ist der Staat unser größter Konkurrent, was die Gewinnung von Fachkräften betrifft?", fragte Dieter Kehl deshalb provokant. Etliche Betriebe hätten auch bereits wegen mangelnder Nachfolge geschlossen, die politischen Entscheidungen bestärkten den Entschluss noch.

Angebote für Kataloge und Tourismusgemeinschaften seien zudem mit den Preisen von 2023 gemacht worden und verbindlich bis Ende nächsten Jahres - die Gastronomen legten auch hier drauf. "Da hätte man mindestens bis Februar warten können, um zu schauen, wie die Entwicklung ist", so Kehl. "Der Betriebsinhaber in Deutschland kommt sich vor wie der Depp vom Dienst. Allen anderen EU-Ländern geht es gut - und 17 von 23 EU-Länder haben reduzierte Mehrwertsteuersätze für die Speisegastronomie, aus gutem Grund", so Hohmann.

Der Traum von der eigenen Gastronomie sei inzwischen zum Albtraum geworden, beklagte Faulstich. In der öffentlichen Wahrnehmung müsse ankommen, dass die Gastronomen keine Bedienmentalität hätten - ganz im Gegenteil: "Die Coronahilfen wurden auch zwei Jahre später zum Großteil durch Steuern und Abgaben zurückgezahlt. Preiserhöhungen gehen nicht in die Villa auf Mallorca, sondern direkt in unsere Betriebe." (mau) +++

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