Dutzende Geiseln sollen freikommen

Einigung auf Feuerpause im Gaza-Krieg

Israelische Soldaten manövrieren gepanzerte Militärfahrzeuge entlang der israelischen Grenze zum Gazastreifen.
Foto: Ohad Zwigenberg/AP/dpa

22.11.2023 / TEL AVIV / GAZA / DOHA - Viele Menschen in Israel können nach wochenlanger Sorge aufatmen: Ihre Regierung hat sich mit der Hamas auf eine Feuerpause geeinigt, Dutzende Geiseln sollen freikommen. Der Überblick.



Nach tagelangen zähen Verhandlungen hat Israels Regierung einer mindestens viertägigen Feuerpause im Gazastreifen im Gegenzug für die Freilassung Dutzender israelischer Geiseln zugestimmt. Das Kabinett billigte am frühen Mittwochmorgen eine Vereinbarung mit der islamistischen Hamas, wie ein Regierungssprecher bestätigte. Demnach sollen mindestens 50 Frauen und Kinder, die in den Gazastreifen entführt worden waren, freigelassen werden. Israel entlässt seinerseits nach Angaben des vermittelnden Emirats Katar eine noch unbestimmte Zahl Palästinenser aus israelischen Gefängnissen; die Hamas sprach von 150 Frauen und Minderjährigen.

Netanjahu: Krieg geht nach Feuerpause weiter

Israels Regierungschef Netanjahu betonte, der Krieg im Gazastreifen werde anschließend fortgeführt, «bis wir alle unsere Ziele erreicht haben». Dazu gehöre die Eliminierung der Hamas, die Rückkehr aller Geiseln und Vermissten sowie die Garantie, dass aus Gaza keine Bedrohung für Israel mehr ausgeht. Die Hamas sprach ebenfalls davon, die Hände «weiter am Abzug» zu haben. Unterdessen gab es am Morgen im Grenzgebiet zu Israel erneut Raketenalarm, wie das israelische Militär auf Telegram mitteilte.

Feuerpause soll in den nächsten 24 Stunden beginnen

Der genaue Beginn der Kampfpause sollte innerhalb von 24 Stunden bekannt gegeben werden, wie das katarische Außenministerium am frühen Mittwochmorgen mitteilte. Während der Feuerpause sollen nach Angaben der Hamas im Süden des Küstenstreifens die israelischen Flugbewegungen komplett eingestellt werden und im Norden täglich für sechs Stunden.

Den Angaben aus Katar zufolge sieht die Vereinbarung über eine «humanitäre Pause» außerdem vor, dass eine «größere Zahl» an Hilfskonvois sowie weiterer Treibstoff in den Gazastreifen geliefert werden. Eine offizielle Bestätigung Israels zu einigen Punkten der Vereinbarung stand zunächst aus.

Laut Informationen der Zeitung «The Times of Israel» sollen die freizulassenden palästinensischen Häftlinge in die jeweilige Stadt oder Ortschaft zurückkehren, «in der sie vor ihrer Inhaftierung lebten, einschließlich im Westjordanland und in Ost-Jerusalem».

Angehörige können Einspruch einlegen

Laut israelischer Regierung können unter anderem Angehörige von Terroropfern innerhalb von 24 Stunden Einspruch beim Obersten Gericht gegen die Freilassung palästinensischer Häftlinge einreichen. Es wird nicht erwartet, dass das Gericht die Entscheidung der Regierung stoppt. Medien zufolge sollen keine Häftlinge freigelassen werden, die wegen Mordes verurteilt wurden.

Terroristen der Hamas und anderer Gruppierungen hatten vor rund sechs Wochen im Süden von Israel beispiellose Massaker verübt, rund 1200 Menschen getötet und etwa 240 Geiseln nach Gaza verschleppt - darunter auch Deutsche. Israels Militär flog als Reaktion darauf Luftangriffe auf den Gazastreifen und rückte mit Bodentruppen in die abgeriegelte Region ein.

Von den 240 Verschleppten wurden bislang vier weibliche Geiseln von der Hamas freigelassen. Eine junge Soldatin konnte vom Militär befreit werden. Die Armee fand zudem die Leichen zweier Frauen. Wie viele insgesamt noch am Leben sind, ist unklar.

Alle Geiseln sollen israelische Staatsbürger sein

In Israel wird erwartet, dass die schrittweise Freilassung der 50 Geiseln am Donnerstag beginnen könnte. An jedem Tag der Kampfpause sollen laut israelischen Medien zwischen 10 und 13 Geiseln frei kommen. Alle Geiseln sollen die israelische Staatsbürgerschaft haben. Die Feuerpause könnte nach Angaben Katars auch verlängert werden.

Für jeden zusätzlichen Tag müsste die Hamas der Regierung Israels zufolge zehn weitere Geiseln freilassen. Israel geht davon aus, dass so insgesamt 80 Geiseln freikommen könnten. In Israel gibt es Befürchtungen, dass die Hamas die Feuerpause nutzen könnte, um sich neu aufzustellen.

Bericht nennt Details zu den freikommenden Häftlingen

Nach dem Abkommen mit der Hamas über den Austausch israelischer Geiseln gegen palästinensische Häftlinge hat Israel Medienberichten zufolge Einzelheiten zu den Inhaftierten bekannt gegeben. 287 der 300 inhaftierten Palästinenser, die für eine Entlassung in Frage kommen, seien junge Männer bis 18 Jahre, meldete die «Times Of Israel» am Mittwoch. Die meisten sollen demnach wegen Aufruhr und Steinwürfen im Westjordanland oder Ost-Jerusalem inhaftiert worden sein. Bei 13 weiteren Häftlingen handelt es sich dem Bericht zufolge um erwachsene Frauen, die überwiegend wegen Messerattacken verurteilt wurden. Israelische Medien hatten zuvor berichtet, dass keine Häftlinge freigelassen würden, die wegen Mordes im Gefängnis sitzen.

Biden und Baerbock begrüßen Vereinbarung

US-Präsident Joe Biden begrüßte die Vereinbarung über eine Feuerpause. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock nannte die Freilassung einer ersten größeren Gruppe Geiseln einen «Durchbruch».

Israelischen Medien zufolge soll es sich um 30 Kinder, acht Mütter sowie zwölf ältere Frauen handeln. Laut dem Sender Channel 12 sind israelische Krankenhäuser auf die Ankunft der Entführten vorbereitet. Sie sollen demnach aus Gaza über den Grenzübergang Rafah nach Ägypten und von dort mit Hubschraubern nach Israel gebracht werden.

Das wird heute wichtig

Papst Franziskus will am Rande seiner wöchentlichen Generalaudienz Angehörige der entführten israelischen Geiseln treffen. Mehrere humanitäre und Menschenrechtsorganisationen (u.a. Save the Children) wollen sich online vor der Presse zur humanitären Lage im Gazastreifen äußern. (dpa) +++


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