Schnelle Maßnahmen gefordert

Dritter Apotheker-Streik: "Wir sind Experten an der Front, nicht Herr Lauterbach"

Dr. Christian Gerninghaus, Apotheker aus Schlitz, ist mit seinen Kolleginnen ebenfalls in Dortmund vor Ort.
Fotos: Dr. Christian Gerninghaus

16.11.2023 / REGION - Schon zum dritten Mal in diesem Jahr demonstrieren die Apotheker gegen überbordende Bürokratie und niedrige Honorare. Auch heimische Apotheker sind dabei - und berichten, wie die aktuellen Zustände die Gesundheitsversorgung bedrohen.


Justus Schollmeier von der Fuldaer Altstadt-Apotheke war mit Kollegen bei der Demonstration in Dortmund und ist beeindruckt: "5.000 Teilnehmer sind eine Ansage - viele Ärzte haben mitgemacht, darüber haben wir uns besonders gefreut. Gesundheitsminister Lauterbach hat es wirklich geschafft, alle zusammenzubringen. Das zeigt, wie sehr es brennt - es muss sich etwas tun, sonst wird die ambulante Versorgung gegen die Wand gefahren."



Honorare wie vor 20 Jahren, Lieferengpässe und Fachkräftemangel bedrohten nicht nur die Versorgung, sondern auch die Branche als solches: "Es werden ganz konkret Apotheken schließen müssen, das wird sich in Zukunft noch verstärken. Und dazu kommen dann Pläne für Light-Apotheken ohne Notdienst, die eigentlich nur Pseudoapotheken sind und gerade 500 Euro pro Jahr einsparen helfen. Viele Vorschläge sind extrem unseriös - das liegt auch daran, dass Lauterbach nur theoretische Erfahrungen hat, wir dagegen die Experten an der Front sind."

"Attraktivität des Berufs nimmt ab"

Vor allem im ländlichen Raum müsse die Notdienst-Versorgung optimiert werden: "Manche Apotheken im Vogelsbergkreis haben 120 Notdienste im Jahr geleistet - das tut sich irgendwann niemand mehr an, die Attraktivität des Berufs nimmt ab. Glücklicherweise wurde die Notdienstplanung überarbeitet, vorher war es möglich, dass etwa Horas und Großenlüder gleichzeitig Notdienst anbieten mussten, obwohl die Standorte nah beieinander liegen." Lieferengpässe, etwa bei Diabetes-Medikamenten und Psychopharmaka, gefährdeten bereits die Versorgungssicherheit. Polemik seitens der Politik mache die Lage nicht einfacher: "Wenn man dann hört, dass eine pharmazeutisch-technische Assistentin angeblich so viel verdient wie eine Pflegefachkraft im Krankenhaus - das stimmt nicht und ist einfach unfair, solche Dinge in die Welt zu setzen."



Christian Gerninghaus von der Sonnen-Apotheke in Schlitz fasst die Forderungen zusammen: "Entbürokratisierung des Arbeitsalltags, vernünftige, schnell wirksame Strategien gegen den aktuellen Arzneimittelmangel, eine durchdachte, mit den Leistungserbringern abgesprochene Digitalisierung und eine gerechte Entlohnung, die regelmäßig an die gesamtwirtschaftliche Entwicklung angepasst wird. Nichts davon passiert im Moment. Die Digitalisierung des Gesundheitswesens wird erzwungen und ist nicht durchdacht. Das Apothekenhonorar wurde 2004 reformiert und wurde seitdem nicht angepasst. Gleichzeitig sind die Kosten im gleichen Zeitraum um rund 60 Prozent gestiegen.  Die Rahmenbedingungen sind so schlecht, dass immer mehr Apotheken schließen, in diesem Jahr allein 600. 2004 gab es in Deutschland rund 21.500 Apotheken, Ende 2023 werden es nur noch 17.500 sein. Von diesen 17.500 Apotheken sind ca. 4.500 Filialbetriebe. Es gibt also nur noch rund 13.000 Apothekeninhaber, 8.500 weniger als vor der Einführung der Möglichkeit, Filialen zu betreiben." (mau) +++

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