Im Domgymnasium

Hufeisen und woker Sauerampfer: Jan Fleischhauer erklärt Meinungsfreiheit

Jan Fleischhauer am Freitagabend im Domgymnasium
Fotos: Marius Auth

11.11.2023 / FULDA - Jan Fleischhauer ist so etwas wie das konservative Enfant terrible des deutschen Journalismus: Mit beißendem Spott teilt er aus gegen linksgrünen Konformismus - und irgendwie bedroht Hipster-Biedermeier auch die Freiheit. Am Freitagabend bog er Hufeisen im Domgymnasium.



Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche: Fleischhauer kommt aus sozialdemokratischem Elternhaus, akademische und berufliche Sozialisation brachten ihn komplett auf Linie. "Journalisten wollen gemocht werden - wer nicht links ist, für den wird es einsam", beteuerte Fleischhauer, der auf Einladung des Fördervereins "Freunde des Domgymnasiums" gekommen war und Anekdoten aus den Zentralen des Meinungsmainstreams zum Besten gab, von der Ökofamilie bis zur Ampelregierung.



Linke hätten einen ausgeprägten Hang zu Selbstglorifizierung und Eitelkeit, Konformismus und Mitläufertum seien weit verbreitet: "Ein falsches Wort und man ist erledigt." Irgendwann wurde es ihm zu viel, inzwischen schreibt er fürs Massenblatt "Focus" gegen das Meinungsdiktat seiner ehemaligen Freunde an. Und wundert sich: Fleischverzicht gegen Putin, Sombreroverbot, Atomausstieg - das geht doch irgendwie zusammen. "Das protestantische Ethos des Verzichts, ob bei der Dekarbonisierung oder in der Degrowth-Bewegung: Es wirkt immer, als ob jemand Achtsamkeitstropfen verabreicht hätte." Wer bei der Möhre den Namen des Bauern kennt und nur noch regionale Lebensmittel verzehrt, steht zudem für Fleischhauer in unheiliger Tradition: Spätestens beim Sauerampfersalat schließe sich das kulinarische Hufeisen.


Humor als Lackmustest

Soweit, so bemüht witzig. Humor ist für Fleischhauer ohnehin eher Lackmustest zur Ermittlung des Freiheitsgrades einer Gesellschaft: "Da, wo es zu weit geht, fängt die Freiheit erst an. Spottlust steht am Anfang der Aufklärung." Die Deutschen aber hätten ein Problem mit Freiheit, wenn es konkret wird. Die Coronalockdown-Maßnahmen mussten am Abend als mahnendes Beispiel herhalten: Wenn das Lesen auf einer Parkbank als Ordnungswidrigkeit gilt - dann gute Nacht. Viele Politiker hätten ihre Macht regelrecht genossen, gerade links der Mitte gebe es einen tief verwurzelten Staatsglauben, konnte der Polit-Aussteiger aus dem Nähkästchen plaudern.



Im Anschluss stand der Polemiker zum Austausch bereit: Medien, Werbetreibende und Konzernspitzen seien von der Wokeness infiziert, fühlte es aus dem Publikum vor. Fleischhauer bestätigte: Es zählten inzwischen Gefühle statt Fakten. Ob "From the River to the Sea" nicht auch freie Meinungsäußerung sei? Nein, in diesem Fall sei er Vertreter der Cancel Culture, erklärte Fleischhauer geduldig. (mau) +++

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