Suche nach Gerechtigkeit

True Crime mit Geheimdienst und Terroristen: Buback-Mord im Marianum

Schulleiter Steffen Flicker (links) mit Ehepaar Buback
Fotos: Marius Auth

07.11.2023 / FULDA - Auf Einladung des Rotary Clubs Rhön entführte Michael Buback am Montagabend in der Aula des Marianums Fulda in vermeintliche Abgründe des deutschen Rechtsstaats: Der Sohn des früheren Generalbundesanwalts sucht weiterhin nach Gerechtigkeit und fragt, wer seinen Vater wirklich erschossen hat.



7. April 1977: Generalbundesanwalt Siegfried Buback wird auf offener Straße von RAF-Terroristen ermordet. Kurz danach der Vorstandssprecher der Dresdner Bank AG Jürgen Ponto, dann Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer. Der Deutsche Herbst stellt den Rechtsstaat auf eine Bewährungsprobe: Die RAF versucht, staatliche Akteure zum Überreagieren zu zwingen und sie so zu delegitimieren, die Freund-Feind-Erkennung für den Bürger zu erschweren.



Für Bubacks Sohn Michael war jahrzehntelang klar: Auf dem Motorrad, von dem aus auf den Dienstwagen seines Vaters geschossen wurde, saßen zwei Männer, das hatten die Ermittlungen schließlich ergeben. Bis 30 Jahre nach der Tat ausgerechnet Peter-Jürgen Boock auf ihn zukommt, ein früheres RAF-Mitglied, und behauptet: Auf dem Sozius saß Verena Becker, die auch im Dunstkreis der damaligen Tätergruppe unterwegs war.


Wenn die Grenzen verschwimmen

Buback beginnt, eigene Ermittlungen anzustellen, in deren Verlauf die Freund-Feind-Erkennung immer schwieriger wird: Becker hat für den Verfassungsschutz gearbeitet, Ermittlungsakten und Beweisstücke sind verschwunden, Zeugenaussagen verworfen worden. In seinem Buch "Der zweite Tod meines Vaters" äußert er den Verdacht, dass deutsche Geheimdienste indirekt an der Ermordung seines Vaters beteiligt gewesen sein könnten und Becker gedeckt haben.



Mit Ehefrau Elisabeth sitzt Michael Buback, inzwischen 78 Jahre alt, am Montagabend in der Aula des Marianums. Die Frage nach der Motivation, seit Jahren auf kleinen und kleinsten Bühnen die eigenen Nachforschungsergebnisse zum Mord aufzurollen, ist schnell geklärt: "Der zweite Tod meines Vaters, das sind die ungenügenden Ermittlungen." Und so trägt der pensionierte Professor für Technische und Makromolekulare Chemie zusammen mit der pensionierten Gymnasiallehrerin, die ebenso Kind eines Generalbundesanwalts ist, minutiöse Protokolle vor - wie das damals gewesen ist, als man vom Tod Siegfried Bubacks erfahren hat, wie man sich gefühlt hat vor Gericht, als die Autoritäten einen nicht ernstgenommen haben: "Scharf klang die Stimme des Bundesanwalts zu mir herüber", erinnert sich die zierliche Frau, wie elektrisiert sei man gewesen, als sich herausgestellt hat, dass ein Fußabdruck am Tatort Schuhgröße 40 hat und damit eher einer Frau passt.


Nicht ohne Stolz

Michael Buback war bis 2012 im aktiven Dienst an der Georg-August-Universität Göttingen, hatte als Lehrstuhlinhaber aber genug Zeit, sich seinen privaten Nachforschungen zu widmen: "Wir leben von den Ermittlungsfehlern, die gemacht wurden. Selbst professionell ermitteln können wir natürlich nicht." Ihr Ehemann hätte irgendwann einfach nicht mehr losgelassen, als Wissenschaftler sei er komplexe Probleme gewohnt: "Der normale Deutsche erwartet, dass ein Kriminalfall in 90 Minuten geklärt ist", erklärt Buback nicht ohne Stolz. Jahrelang hat er Akten gewälzt, Widersprüche herausgearbeitet, personelle Verflechtungen aufgedeckt, die am Abend in Powerpoint-Folien dem Publikum präsentiert werden.



"Wenn mir jemand vor Jahren gesagt hätte, was ich herausgefunden habe - ich hätte es nicht geglaubt. Man befindet sich schnell in einer Ecke, wo man als Verschwörungstheoretiker bezeichnet wird." Die jahrelange Beschäftigung mit Geheimdiensten und Terroristen hat bei den Hobbyermittlern die Instinkte geschärft: "Als die Amokfahrt am Berliner Breitscheidplatz passiert ist, hat meine Frau gleich gesagt: 'Da waren bestimmt Geheimdienste beteiligt.'" (mau) +++

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