Wohltuend für das Herz

Songs of Love - ein Feuerwerk der Liebe begeistert die Zuschauer

Songs of Love – der rumänisch-deutsche Countertenor Valder Sabadus und die syrisch-amerikanische Sopranistin Dima Orsho musizieren mit dem Ensemble Musica Alta Ripa im Fürstensaal.
Alle Fotos: Martin Engel

27.10.2023 / FULDA - Ein Countertenor und eine Sopranistin widmen sich der Liebe – und verbinden dabei Barockmusik und orientalische Musik. Ist die Liebe anders, je nach Kulturkreis? Findet sie andere Ausdrucksformen? Oder verstehen wir über Zeit und Raum hinweg Liebe immer als das innigste und tiefste Gefühl, das Menschen verbindet?



In Zeiten, in denen zwei Kriege unsere Aufmerksamkeit gefangen halten; in Zeiten, in denen autokratische Staatsführer die Weltgeschichte nach ihrem Gusto umschreiben und Grenzen verschieben wollen; in Zeiten, in denen Terroristen ein Gemetzel unter unschuldigen Zivilisten anrichten – in solchen Zeiten ist es wohltuend fürs Herz, Musikern zu lauschen, die aus verschiedenen Kulturkreisen kommen. Sie zeigen uns: Wir sind Menschen, alle. Wir verstehen Musik, alle. Wir verstehen Liebe, alle. Was uns trennt, sind Vorurteile, die meist von denen in unsere Köpfe gesetzt wurden, die uns dann für ihre Zwecke instrumentalisieren.

Im Ensemble Musica Alta Ripa spielen Juden, Christen und Muslime, spielen Syrer, Kurden, Engländer, Moldawier, Österreicher und Deutsche zusammen. Valer Sabadus stammt aus dem rumänischen Banat und lebt heute in Deutschland, Dima Orsho ist Syrerin und lebt heute in den USA. In einem Interview mit der Zeitschrift Crescendo vom 27. April 2022 hat Valer Sabadus über seine Musikauswahl gesagt: "Am wichtigsten ist mir, dass der Kopf frei bleibt. In der Kunst wie im Leben." Der Konzertabend in Fulda war ein schönes Beispiel für diese Freiheit im Kopf, für die musikalische Neugier, die diesen Countertenor prägt und antreibt. Ja klar kann und singt er oft klassische Barockarien – aber ihn reizen die Grenzgänge.

In Danya Segal, der Mitbegründerin von Musica Alta Ripa, hat er dafür eine kongeniale Partnerin. Sie tut nämlich nichts lieber, als zwischen alter Musik und unserer Jetztzeit Brücken zu bauen und so für das Publikum erlebbar zu machen. Und auch Dima Orsho ist so eine Grenzgängerin, die bereits mit Yo-Yo Ma, Tina Turner und Nuria Rial musiziert hat.

Oh Solitude – oh, Einsamkeit

Songs of Love handeln von der Liebe, der wiedergefundenen, der verlorenen, der verloren geglaubten, der erhofften, der lang zurückliegenden, der ganz jungen. Es sind Lieder der Sehnsucht, in denen sich Glück und süßer Schmerz mischen, es sind aber auch Lieder der Verzweiflung und Einsamkeit.

Am heutigen Abend begegnen sich Henry Purcell und arabische Musik. Dabei präsentiert jeder Künstler seinen Kulturraum, gleichzeitig, werden aber auch gemeinsam Grenzen ausgelotet und überschritten. Immer wieder verknüpfen sich beide Musikwelten, etwa durch die Instrumentierung oder Phrasierung.

Wer hätte gedacht, dass ein Fagott so großartig zu arabischer Musik passt oder dass man mit Darbuka und Daf auch Englands herausragendsten Komponisten Purcell begleiten kann! Hogir Göregen sorgte für den ersten Begeisterungssturm des Abends, als er ein wirbelndes Percussion-Solo mit Darbuka, Tombak und Daf hinlegte. Dass Purcell nicht nur ernste, getragene Musik geschrieben hat, sondern auch unglaublich fröhliche, zeigte "Strike the Viol", das aus der Geburtstagsode für Königin Mary stammt, aber statt der Königin die Musikinstrumente von Geige bis Harfe, Flöte und Laute preist.

Liebe ist kein Solo, sondern ein Duett

In Abwandlung eines Ausspruchs von Chamisso zeigten Valer Sabadus und Dima Orsho dann, dass es sich über Liebe am besten zu zweit singt. Vier Duette sangen sie gemeinsam, Orsho übernimmt dabei den Part des zweiten Soprans und umspielt Sabadus‘ Leadstimme. Von Duett zu Duett verbinden sich die beiden Künstler mehr, geht die barocke in die arabische Musik ein und umgekehrt. Der Funke zwischen dem musikalischen Orient und Okzident ist entzündet. Die hier entstehenden Klangwelten sind gleichzeitig vertraut und fremd, und dadurch besonders faszinierend.

"If love’s a sweet passion" (aus Purcells "Fairy Queen") erzählt von den süßen Qualen der Liebe. "Sound the trumpet” (aus Purcells Ode für Queen Marys Geburtstag) ist hoheitsvoll-getragene und doch auch fröhliche Musik. "Ya ghareeb Al Dar” (von Fouad Abdel Magid) ist ein Lied über Liebende, die sich einander entfremdet haben.

Werden wir auch in finsteren Zeiten singen?

Ja, auch dann werden wir singen, und zwar über diese finsteren Zeiten – so beginnt das aus der syrischen Region Jazira im nördlichen Mesopotamien überlieferte Gedicht "Those forgotten on the banks of the Euphrates”. Das etwa 9-minütige von Dima Orsho vertonte Gedicht war der Abschluss und gleichzeitig der Höhepunkt des Konzerts.

"How appalling are these times, yet we persevere their wickedness, and plead that God may bestow His benedictions upon us – Wie entsetzlich sind diese Zeiten, und doch halten wir ihre Bosheit aus und bitten Gott, uns Gnade zu gewähren". Diese Zeile beschreibt die Situation aller, die an einem Flussufer, in einem Kibbuz, einer Stadt in der Ukraine, einem Erdbebengebiet oder einem Flüchtlingslager vergessen oder zurückgelassen wurden. Sabadus und Orsho singen das auf Arabisch, und ich war sicherlich nicht die Einzige im Fürstensaal, die zu Tränen gerührt war. Mit begeistertem Beifall bedankte sich das Publikum im Fürstensaal für einen sehr eindrucksvollen Konzertabend. (Jutta Hamberger) +++

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