"Freie Rede ist nicht sein Ding"

Getötete 21-Jährige - Angeklagter beklagt Filmriss: "Ich habe Scheiße gebaut!"

Der Angeklagte wird in den Gerichtssaal gebracht
Fotos: Mathias Schmidt

19.10.2023 / FULDA - Mit der angekündigten Einlassung des Angeklagten wurde am Mittwoch der Prozess wegen der 21-Jährigen, die im März dieses Jahres in Neuhof-Giesel von ihrem Lebensgefährten in erheblich alkoholisiertem Zustand durch 14 Stiche eines Schlitzschraubenzieher im Gesichts-, hinteren Nacken- und Halsbereich getötet wurde, fortgesetzt. Wieder war der Zuschauerraum im Gerichtssaal mit Angehörigen und Freunden des Opfers voll besetzt. Für die Mutter des Opfers, die als Nebenklägerin im Gericht ist, waren die Erörterungen des genauen Tathergangs und die projizierten Lichtbilder der Auffindesituation ihrer Tochter sichtlich schwer zu ertragen: Weder sie noch der Angeklagte schauten auf.

Bei ihr entschuldigte sich der Angeklagte im Verlauf der Verhandlung unter Tränen und sagte, es tue ihm von Herzen leid, was er getan habe. Die Mutter reagierte sehr aufgewühlt: "Davon wird sie nicht wieder lebendig. Du weißt, dass meine Tochter alles für Dich getan hat", klagte sie.

Zuvor hatte Verteidiger Christian Celsen die erwartete Aussage seines Mandanten mit den Worten angekündigt. "Freie Rede ist nicht so sein Ding" und deshalb darum gebeten, die Verfahrensbeteiligten sollten ihm Fragen zur Tat und seiner Lebenssituation stellen. Der 27-Jährige war bei seiner alleinerziehenden alkoholkranken Mutter aufgewachsen und hatte eine Schule für Lernbehinderte bis zur 9. Klasse besucht. Eine Ausbildung hatte er abgebrochen und war meistens arbeitslos. Zuletzt hatte er einen Job bei der Müllabfuhr gehabt.

Durchschnittlicher Konsum von 13 Bier und zwei Flaschen Wodka pro Tag


Schon seit seinem 16. Lebensjahr trinke er regelmäßig Alkohol, zunächst nur an den Wochenenden, dann immer exzessiver, erklärte er. Die Rede war von einem durchschnittlichen Konsum von 13 Bier und zwei Flaschen Wodka pro Tag. Auch am Tattag, als man sich abends in der gemeinsamen Wohnung mit Freunden getroffen und gefeiert habe, sei viel Alkohol im Spiel gewesen. Die Freundin, die bereits ins Bett gegangen war, hatte ihn gebeten, die Musik leiser zu stellen. Es kam zum Streit. Die Freunde verließen die Wohnung, fanden die Situation aber so bedrohlich, dass sie die Polizei benachrichtigten. 

Was dann geschah, als er mit dem späteren Opfer allein war, daran kann sich der 27-Jährige nach seinen Angaben nicht erinnern, er habe einen "Filmriss". Erst, als die Polizei ihn in eine Zelle gebracht habe, setze sein Gedächtnis wieder ein. 

Die als Zeugen geladenen Polizisten sagten am Mittwoch übereinstimmend aus, dass der Angeklagte in dieser Nacht betrunken und völlig aufgewühlt gewesen sei. Immer wieder habe er sich nach dem Zustand des blutüberströmten Opfers erkundigt und wiederholt, dass er "Scheiße gebaut" habe. Sanitäter versuchten währenddessen vergeblich, die Frau zu reanimieren - schließlich konnte der Notarzt nur noch ihren Tod feststellen. 

Laut Anklage weist der Angeklagte eine angeborene Intelligenzminderung und Alkoholgewöhnung auf und soll seine Lebensgefährtin im Zustand verminderter Schuldfähigkeit getötet haben. Er soll nach seiner Verurteilung in eine psychiatrische Einrichtung eingewiesen werden. (ci)+++

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