Literatur, Kunst und Storys ohne Ende

Homberger Erzählfestival ein voller Erfolg - Neuauflage wahrscheinlich

Eindrücke vom Erzählfestival. Viel Applaus erhielt Veranstalterin Elisa Kerztscher (links) zum Abschluss von ihrem Team. Auf dem Bild fehlt Mitveranstalterin Astrid Ruppert.
Fotos: Tanja und Tobias Gremmel

03.10.2023 / HOMBERG (OHM) - Was sich am Wochenende in und um das Schloss in Homberg/Ohm (Vogelsbergkreis) abspielte, lässt sich kaum in Worte fassen – obwohl es genau darum ging: Die Kunst des Schreibens und des Erzählens war das Thema des dreitägigen Homberger Erzählfestivals, das die Buchhändlerin Elisa Kertzscher und die Autorin Astrid Ruppert erstmals in der Ohmstadt ins Leben gerufen hatten. Und viele Menschen waren ihrem Ruf gefolgt: Autorinnen und Autoren, Profis, Laien, bildende Künstlerinnen und Künstler, Große, Kleine, Leserinnen und Leser und alle Menschen, die sich der besonderen Stimmung auf dem Schlossberg und in den alten Mauern hingeben wollten. Und das – man hätte es sich nicht schöner ausdenken können – bei strahlendem Sonnenschein!



Zur Begrüßung hatten sich am Freitagabend Dr. Jens Mischak, Erster Kreisbeigeordneter und Vorsitzender des Vulkansommers, sowie Hombergs Bürgermeisterin Simke Ried eingefunden. Beide würdigten in ihren Ansprachen das Engagement der Veranstalterinnen. "Homberg hat sich zu einer Kulturperle im Vogelsberg entwickelt", lobte Mischak das kulturelle Geschehen in der Region, was wiederum die Bürgermeisterin sehr freute. "Kultur ist kein Selbstzweck", sagte Ried, "es geht stattdessen darum, zuhören zu können, sich Eindrücken neu zu öffnen, kreative Lösungen für Erlebtes oder Absehbares anzubahnen. Kultur kanalisiert, lässt uns Eindrücke einfangen, einordnen und Schlüsse formulieren. Das Ergebnis ist Sprachfähigkeit - auch zu Themen, die sich im schnelllebigen Alltag schwerlich durchdringen und zu Ende denken lassen." Sie lobte die beiden Veranstalterinnen für ihren Mut und ihren Einsatz.

Astrid Ruppert und Elisa Kertzscher dankten in ihren Begrüßungsworten allen Unterstützern und Sponsoren, darunter die Stadt Homberg/Ohm, Demokratie leben!, Leseland Hessen, die OVAG, der Vulkansommer und die Schlosspatrioten sowie viele ansässige Unternehmen und Vereinigungen. "Diese große Zustimmung hat uns von Anfang an getragen und bestärkt", betonten die beiden. Sie führten auch aus, wie wichtig ihnen die Idee eines Erzählfestivals war: Nicht um ausgestellte Literatur sollte es gehen, sondern ums Erzählen und Zuhören und vor allem ums Mitmachen. 

Den Eröffnungsabend am Freitag begleitete der Musiker Yup Thorn zur Freude alle Anwesenden mit seiner Gitarre und seinen Liedern, die erste Lesung des Festivals bestritt die Bestsellerautorin Ute Mank. Sie fesselte ihr Publikum mit der Geschichte dreier Schwestern, deren Beziehung in dem Roman "Elternhaus" auf eine existentielle Probe gestellt wird.

Am Samstag nahmen im Lauf des Tages die Autorinnen Jana Lukas, Miriam Georg, Anne Köhler, Christina Bacher, Lucinde Hutzenlaub und Monika Peetz auf der Bühne im Lesezelt Platz und entführten ihr Publikum in ganz verschiedene Welten: Von einem romantischen, alten Schulhaus am Starnberger See ging es in die Auswandererstadt in Hamburg der 1880er-Jahre, in dem Europäer von einem besseren Leben träumten und verzweifelt auf ihre Schiffspassage warteten: Parallelen zu heutigen Fluchtbewegungen waren unübersehbar. Die Zuhörerinnen und Zuhörer konnten einen Ort besuchen, der "Nicht aus der Welt" ist, oder den legendären Rupert Neudeck und sein Schiff Cap Anamur neu entdecken. Es ging humorvoll um den Wahnsinn im Alltag, eine Lesung, für die das Lesezelt wegen großen Andrangs geöffnet werden musste und am Ende des Tages um ein Familiengeheimnis an der holländischen Nordseeküste.

In den ausgebuchten Workshops konnte man sich mit Katinka Kulens Feistl im Storytelling üben oder mit Johanna Mildner im Vorlesen. Börries Hahn und Simke Ried freuten sich über großen Zuspruch für ihren Mix-Workshop, in dem Worte wohl gesetzt wurden: als Gedichte und Kunstwerke gleichermaßen. Kunst konnten die Gäste auch in dem Workshop "Kaffeegeschichten" entdecken, in dem sich Sandra Y. Jacques mit ihnen auch auf die Suche nach Geschichten machte. Doch man konnte auch flanieren: Kaffeeduft und leckeres Essen, viele Sitzgelegenheiten im Schlosshof und -garten, die Spätsommersonne, die Menschen – all das lud ein zu einem Urlaubstag der besonderen Art. Unnötig zu erwähnen, dass man die vorgelesene Literatur gleich vor Ort erstehen und weiterlesen konnte. Auf der Open-Mike-Bühnen tummelten sich viele verschiedene Vorleserinnen und Vorleser mit ihren ganz eigenen, individuellen und daher sehr abwechslungsreichen Geschichten – ebenso im Torhaus, in dem ein Kinderprogramm angeboten wurde.

Und so ging es auch am Sonntag noch weiter: Traudi Schlitt, Katinka Kulens Feistl, Anne Sanders, Bernhard Blöchl und Mario Giordano lasen vor. Im Lesezelt gab es demnach Spannung mit dem Alsfeld-Krimi "Tod im Beinhaus" und unglaubliche Erkenntnisse zum Thema "My lovely Shame". Das Schriftstellerpaar Blöchl und Sanders las und erzählte aus dem gemeinsamen Leben und zum Ende des Festivals ging es mit Mario Giordano nach Sizilien. Das Lesezelt hatte an diesem Wochenende viele Menschen, magische Orte und traumhafte Länder beherbergt und viele begeisterte Gesichter gesehen.

In zwei Workshops konnten sich große wie kleine Erzählwillige bei Christina Bacher und Monika Peetz im kreativen Schreiben üben – ein großartiges Angebot, das gerade die teilnehmenden Kinder mit einer Lesung ihrer Geschichten auf der offenen Bühne krönten.

Die Künstlerinnen Sandra Y. Jacques und Diana Wegerer nutzten den Sonntagnachmittag im Schloss für die Vernissage ihrer Ausstellung "Lange da – frisch dabei!" Die einheimische Diana Wegerer und die frisch zugezogene Sandra Y. Jacques zeigen in der letzten Ausstellung der Saison im Schloss, dass sie trotz ihrer unterschiedlichen Techniken – Aquarell, Kreide und Acryl die eine, Fotografie und Cyanotypie die andere – Gemeinsamkeiten haben und Themen, die es in ihrer Kunst zu entdecken gibt. Zu sehen sind die Werke immer sonntags während der Öffnungszeiten des Schlosscafés in der Zeit von 13:30 bis 17:30 Uhr noch bis Ende Oktober.

"Es war ein voller Erfolg", freute sich Elisa Kertzscher in ihrer Abschlussrede, die sehr bewegend war und von dem Herzblut zeugte, dass die Macherinnen in ihr Projekt gesteckt hatten. Der Autor Bernhard Blöchl beschrieb es so: "Wir waren fröhlich, weil es auf dem Schlossgelände über der Stadt so schön entspannt war, wir durften das pralle Leben erfahren und Emotionen satt." Damit traf er genau die Stimmung, die viele Besucherinnen und Besucher empfanden: Zwei Urlaubstage, inspirierend, in vielerlei Hinsicht genussreich, wie gemacht zum Seele baumeln lassen und für eine kreative, fantasievolle Auszeit. Der Wunsch der Autorinnen und Autoren wie der aller Mitwirkender und Gäste liegt da auf der Hand: eine Neuauflage. Und die soll es Gerüchten zufolge auch geben. Doch wie es so ist mit Wünschen, Gerüchten und der Zukunft: Was wirklich passiert, weiß man erst, wenn man das Buch zu Ende gelesen hat. (pm) +++

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