"Welch Zeiten, welch Sitten!"

Osthessische Apotheker fordern Entschuldigung von Karl Lauterbach

Osthessische Apotheker fordern Entschuldigung von Karl Lauterbach
Symbolfoto: ON/Jonas Wenzel

15.09.2023 / REGION - Die Gemeinschaft Osthessischer Apotheker ist wütend. Nachdem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach im ARD Morgenmagazin die Sorge der Apotheker mit Panikmache verglichen hatte, fordern diese jetzt eine Entschuldigung. Hier veröffentlichen wir den offenen Brief im Wortlaut:


"Liebe Kundinnen und Kunden, "Welch Zeiten, welch Sitten"! - mit diesem Schreiben wollen wir auf die Äußerungen von Prof. Lauterbach im ARD Morgenmagazin am Donnerstag Stellung nehmen, wonach es sich bei den Sorgen der Apothekerschaft bezüglich der Nicht-Lieferfähigkeit von Arzneimitteln um reine Panikmache eines gut bezahlten Berufsstandes handle, mithilfe derer die Apotheker ihre eigenen finanziellen Interessen durchsetzen wollen.

Das ist eine unerträgliche, beleidigende und nicht hinnehmbare Unterstellung und Verleumdung. Sie ist nachweislich falsch. Mit diesem Angriff hat der Gesundheitsminister eine Grenze überschritten, welche Moral und Anstand setzen, unabhängig von Tagespolitik und Ideologie. Jede Apotheke in Fulda, in Hessen und in ganz Deutschland versucht seit Monaten die Unfähigkeiten und elementaren Fehler unserer Gesundheitspolitik zu korrigieren.

Dabei sind wir mehr als irritiert über die Aussagen unseres Gesundheitsministers. Es sind nach wie vor über 500 Arzneimittel nicht lieferbar und diese Situation wird sich auch in naher Zukunft nicht bessern. Gerne kann das BMG unsere Bestellungen bearbeiten und uns die Ware liefern. Soweit wir wissen ist 5 x 0 = 0 und auch 100 x 0 = 0! Unsere Standesvertretung hat Herrn Lauterbach im Laufe des Jahres sechs Termine angeboten ins Gespräch zu gehen, um unter anderem die aktuelle Problematik der NichtLieferbarkeit zu besprechen. Er hat sechs Mal abgesagt. Wir denken, dass man die Probleme im Gesundheitssystem nur gemeinsam wird meistern können und es niemand, aber auch wirklich niemandem hilft, einzelne Berufsgruppen, die Teil des Systems sind, zu denunzieren und Unwahrheiten zu verbreiten.

Die Apotheken zeichnen sich dadurch aus, lösungsorientiert zu arbeiten. Dabei verweisen wir gerne auf das Herstellen von Desinfektionsmitteln, die Verteilung von Masken, die Herstellung von Fiebersäften, das Errichten von Testcentern, die Bekämpfung der andauernden Lieferengpässe und vielem mehr. Wir haben die Bevölkerung mit großem persönlichen und finanziellen Aufwand durch die Mangelverwaltung gebracht, Wogen geglättet und damit auch die Regierung von Schaden bewahrt. Immer in der aufrichtigen Hoffnung auf Mäßigung uns gegenüber, Einsicht in die sozialen und wirtschaftlichen Realitäten und eine überfällige Kurskorrektur des Herrn Lauterbach. Oft wird vergessen, welchen Aufwand es bedeutet, wenn wir täglich im Durchschnitt mit 150- 200 Bürgerinnen und Bürgern zu tun haben, das sind in knapp 17.500 Apotheken mehr als 2,6 bis 3,5 Millionen Kontakte am Tag. Wir sind 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag, vor Ort. Wir kennen unsere Kundinnen und Kunden persönlich und haben deswegen über die Jahre ein gutes Vertrauensverhältnis aufbauen können.

Glaubt Herr Lauterbach ernsthaft, dass die gesamte Regierung es noch nicht bemerkt hätte, wenn wir Panik schüren würden statt zu beschwichtigen, zu erklären und zu beruhigen? Glaubt Herr Lauterbach nur einen Augenblick, dass der Zorn der Eltern die gesamte Ampelregierung nicht aus dem Amt gefegt hätte, wenn wir tatsächlich unsere Kunden manipulieren und aufhetzen würden. Bezüglich der Aussage, dass es sich bei uns um einen gut bezahlten Berufsstand handelt, verweisen wir gerne auf die aktuelle Veröffentlichung des Steuerbüros der Treuhand Hannover. Demzufolge arbeitet jede 10 Apotheke inzwischen defizitär und ein Drittel der Apotheken ist existentiell gefährdet. Gleichzeitig haben wir bereits den niedrigsten Stand an Apotheken seit über 40 Jahren und täglich kommt eine Apothekenschließung dazu. Das Honorar wurde de facto seit 20 Jahren, trotz steigender Kosten, überbordender Bürokratie und galoppierender Inflation, nicht angepasst. Soweit wir wissen, wurden in diesem Zeitraum die Diäten der Politiker kontinuierlich nachjustiert.

Wir danken unseren Kundinnen und Kunden vielmals für Ihr Vertrauen. Gleichzeitig fordern wir Herrn Lauterbach auf, sich öffentlich für seine Entgleisungen zu entschuldigen und endlich Maßnahmen zu tätigen, die die Situation faktisch verbessern. Bleiben Sie gesund! Ihre GOA." (pm) +++

Die Apotheken haben noch immer mit Lieferengpässen zu kämpfen\r\n
Symbolfoto: ON/Jonas Wenzel
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach
Foto: picture alliance / NurPhoto | Christian Marquardt

X