Jüdische Geschichte
Tagebuch einer besonderen Woche: Sei das Licht (4)
Fotos: Jutta Hamberger
10.09.2023 / FULDA -
Ist diese Woche tatsächlich schon vorbei? Ich reibe mir die Augen, kann es kaum fassen. So viel haben wir in diesen Tagen erlebt, gemacht, gefühlt. War es anstrengend? Ja klar. Aber es war jede Minute wert – denn was man von dieser Woche in seinem Herzen mitgenommen hat, ist unbezahlbar.
Ein großes Danke vorneweg
Die Fragen stimmten mich auf andererseits aber auch sehr nachdenklich, denn sie machen auf organisatorischer Ebene klar, was für ein Riesenverlust die Zerstörung der hiesigen jüdischen Gemeinde in der Zeit des Nationalsozialismus war, deren Nachwirkungen bis heute zu spüren sind. Menschen wurden deportiert und getötet, Synagogen zerstört, und natürlich auch die gesamte Infrastruktur der jüdischen Gemeinde. Lebt man heute in einer Großstadt, findet man als jüdischer Mensch in der Regel, was man braucht – aber hier?
Wenn ich die Woche vor meinem inneren Auge Revue passieren lasse, dann tauchen Gesprächsfetzen, Bilder, Menschen auf – ernste und heitere Themen vermischen sich. Sitzt man in einer Runde mit jüdischen Menschen, wird die Causa Aiwanger anders bewertet, ernster, und mit mehr Angst, was sie womöglich auslösen könnte. Sind wir an einem Punkt, an dem die Relativierung der Verbrechen des Nationalsozialismus wieder salonfähig wird, auch jenseits rechter Kreise? Wird Ausgrenzung wieder zu einem politischen Mittel? Wieso nimmt die Politik erneut Zuflucht zu "wir hier" und "die da"? Wieso reißt sie neue, alte Gräben auf?
Blühendes Paradies Landesgartenschau
Der Sonnengarten, der zu Beginn der LGS noch ein wenig traurig wirkte, weil ja alles erst angepflanzt worden war und wachsen musste, ist eine einzige Pracht. Es duftet, die Farben sind überwältigend, überall sausen Bienen und andere Insekten herum – "viele 5-Sterne-Restaurants hier für sie", lacht Nigel. Er vermittelt den nachhaltigen Ansatz der LGS, und macht an einzelnen Punkten auf Besonderheiten aufmerksam. Überhaupt ist es eine tolle Führung – nicht zu detailversessen, die große Linie nachzeichnend und das Wesentliche immer im Fokus. Niemand ist auch nur für zwei Minuten desinteressiert oder abgelenkt. Das Interesse unserer Gäste ist groß, man vergleicht, wie man in Kibbuzim arbeitet – in Israel sind Themen wie Wasserknappheit, Hitze, Resilienz der Pflanzen genauso bedeutend wie zunehmend auch in Deutschland. Auch der Gärtnertreff kommt sehr gut an, bestimmt auch, weil es hier neben kleidsamen grünen Hütchen gegen die Hitze auch die ein oder andere Zucchini, Artischocke oder Tomate zum Mitnehmen gibt.
Viel Anklang finden auch die Spielplätze und der Tierpark. "Ich bin ein Kind", höre ich von einem unserer Gäste, der es sich nicht nehmen lässt, den Wasserspielplatz, die Rutsche und die Trampoline auszuprobieren und andere dazu animiert, es ihm gleichzutun. Im Tierpark haben die Ziegen und Kühe recht wenig Interesse an uns, es ist Fresszeit. "Wir sind hier Gäste der Tiere, nicht umgekehrt", hat Nigel uns eingeschärft, das respektieren alle. Wie überhaupt die Neuausrichtung des Tierparks weg von Futtertüten und hin zu Begegnungen mit Tieren sehr gut ankommt.
Was für eine schöne, gelöste Stimmung! Besser hätten diese Tage doch gar nicht ausklingen können. Immer wieder sehe ich, wie Adressen ausgetauscht werden, wie auf die WhatsApp-Gruppe Fulda hingewiesen wird – ja, hier wächst etwas. Das lässt einen mit froher Zuversicht in die Zukunft blicken, in der Fulda sich in Sachen Jüdische Geschichte noch viel vorgenommen hat. Deshalb wandle ich den traditionellen jüdischen Wunsch des Sederabends, "L'Shana Haba'ah B'Yerushalayim", ab und sage: Nächstes Jahr in Fulda! (Jutta Hamberger)+++