Sauerkirschen und Waschmittel im Akkord

Ferienjobs: Einblicke ins wahre Leben - Unsere Leser erinnern sich

15 Eimer Sauerkirschen pflücken - kein Pappenstiel
Symbolbilder: pixabay

31.07.2023 / REGION - Ferienjobs: eine gute Gelegenheit für Jugendliche, mal ins richtige Leben reinzuschnuppern. Wir hatten um Erfahrungsberichte unserer Leser gebeten. Hier folgen zwei Erinnerungen an nicht gerade alltägliche Arbeitssituationen, denen die Betreffenden in jungen Jahren ausgesetzt waren - und die für immer im Gedächtnis geblieben sind: 


Kirschenpflückerin für ein Radio


"Ich habe mal als 15-Jährige 14 Tage in einer Kirschplantage Sauerkirschen gepflückt, und das war sehr anstrengend. Das war in der damaligen DDR. Da gab es für einen voll gepflückten 40-cm hohen Pappeimer 2,00 (DDR)-Mark. Ich hatte einmal an einem Tag 15 Eimer gepflückt und demzufolge 30,00 Mark verdient.
Das hat mich unheimlich stolz gemacht.

Von dem Gesamtverdienst habe ich mir damals ein Radio gekauft, was ich sehr behütet habe. Denn ich habe nie vergessen, wie anstrengend der Job war.

Waschmittelpakete abladen für 1 Mark pro Stunde

"Meinen ersten Ferienjob hatte ich mit 14 Jahren im sogenannten Textillager (heute wohl Non-Food-Lager) eines Lebensmittelfilialbetriebs in Fulda.

Das bedeutete, 5.30 Uhr mit dem Rad hinfahren, und dann bis 15.00 Uhr arbeiten. Die schlimmste, zum Glück einmalige Tagesaufgabe, war die Entladung eines Sattelzuges (Plane und Spriegel) mit 1.800 10kg Waschmittelpaketen (Dash). Das Ganze bei fast 30 Grad und Sonnenschein auf dem Fahrzeug und per Hand! Alle Pakete von Hand auf eine Palette setzen und dann mit dem Handhubwagen ab ins Lager. Und das für einen Stundenlohn von 1,00 DM.

Ich mache noch heute einen großen Bogen um Waschmittelaufbauten in Läden!"


Es soll ja tatsächlich Schüler geben, die sechs Wochen lang Ferien machen - also wirklich überhaupt nichts tun. Doch das ist sicher die Ausnahme. Für so manche sind das Zimmer aufräumen, Sprachkurse und Mathe-Nachhilfe angesagt, vielen Eltern fallen allerlei lästige Aufgaben für die daheim chillenden Sprösslinge ein.

Doch um das Taschengeld aufzubessern und sich auch etwas kostspieligere Wünsche erfüllen zu können, suchen sich viele Teenies einen Ferienjob. Ob an der Kasse der Tankstelle, ob im Supermarkt beim Regale auffüllen, ob in der Eisdiele oder als Zeitungsausträger - Angebote gibt es viele, bezahlt wird in der Regel eher dürftig.

Nicht zu unterschätzen ist aber der Erkenntnisgewinn, der beim ersten richtigen Einblick in den Alltag der "arbeitenden Bevölkerung" häufig einem Realitätsschock gleichkommt. "Was - so was machen die den ganzen Tag?" Von eher befremdlichen Umgangsformen und Ritualen am Teilzeit-Arbeitsplatz berichten die jungen Ferienjobber, aber auch von ungewohnten Strapazen oder überraschender Kollegialität. 

Womit man als Jugendlicher beim allerersten Job so konfrontiert wird, was gut und was mies gelaufen ist, wollten wir wissen. Hier folgen die Ergebnisse einer Kurzumfrage bei den Kolleginnen und Kollegen von Medienkontor Fulda, aber auch unsere Leser sind gefragt.

"In der Schulzeit und auch noch während meines Studiums habe ich in einer Teppichfabrik ausgeholfen. Das war einerseits durchaus harte körperliche Arbeit, aber besonders während der Spätschicht konnte man sich auch auf einen abgelegenen Stapel Teppiche legen und schlafen. Die Kollegen warnten einen netterweise rechtzeitig, wenn der Vorarbeiter sich ankündigte."

"Mit 14 Jahren habe ich in der Damenoberbekleidungsabteilung eines Kaufhauses gejobbt. Jeden Morgen musste die Abteilungsleiterin "oben" anrufen und bekam die "Losung", das waren die Umsatzzahlen vom selben Tag des Vorjahres und die mussten unbedingt getoppt werden. Die Verkäuferinnen redeten sich gegenseitig mit dem so genannten "Kaufhaus-Du" an: "Frau Lüdenscheid, kannst Du mal kommen?" - sehr seltsam. Und die Blusen-Abteilung (wir) machten immer alles richtig und gut, während die Pulloverabteilung (die) grundsätzlich alles falsch machten. Ein idiotisches Muster, das ich später in vielen Firmen wiederfand."

"Seit ich denken kann, hab ich immer bei meinen Eltern in ihrer Puppenschuhwerkstatt ausgeholfen. Hat sich in den Ferien natürlich angeboten, sich was dazuzuverdienen. Praktisch war, dass der Weg nicht weit war. Aus dem Bett, in die Klamotten, an der Küche vorbei, kleines Frühstück und dann mit runter in die Werkstatt. Hier habe ich an der schweren Stanzmaschine die Sohlen gestanzt, Ösen in die Schuhteile gemacht und natürlich Schnürsenkel eingefädelt in klitzekleine Puppenschuhe."

"Ich habe nach dem Abitur einige Wochen als Briefträgerin gejobbt und musste auch noch Rente und kleine Lottogewinne bar auszahlen. Einige Kneipen lagen auch auf meiner Tour. Die Inhaber wollten mir schon am Vormittag einen ausgegeben und mich zum Anstoßen nötigen. In diesem Job bekommt man zwangsläufig ungeahnte Einblicke in fremde Haushalte und Lebensweisen und ist oft einziger Ansprechpartner für Einsame."

"Ich habe meinen ersten Ferienjob mit 16 Jahren bei einem Feinmechanik-Betrieb gemacht. Tachos zusammen stanzen, vier Stunden jeden Tag während der Sommerferien. Das war auch der erste "gefühlte Einblick" ins Arbeitsleben, zusammen mit dem ungläubig-naiven Staunen: "Das machen die hier den ganzen Tag - und die nächsten Jahrzehnte!", während ich mit einem Kumpel im Lager so viel Tacho-Ausschuss produziert habe, bis ich rausgeworfen wurde."

Wenn auch Sie bei einem Ferienjob wichtige Aha-Erlebnisse hatten und uns daran teilhaben lassen wollen, schreiben Sie uns unter redaktion@osthessen-news.de. (ci)+++

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