Perscheid-Karikatur macht die Facebook-Runde

Von dumm bis deprimierend: Warum trifft es eigentlich immer die Barockstadt?

Auf YouTube kann der Werbefilm mit "Deutschlands deprimierendster Stadt" noch immer gesehen werden.
Foto: Screenshot/YouTube

26.07.2023 / FULDA - Der 2021 im Alter von 55 Jahren verstorbene Cartoonist Martin Perscheid hat sich durch Zeichnungen einen Namen gemacht, die vornehmlich die biederen Gepflogenheiten deutscher Alltagsbürger punktgenau und dabei ironisch-böse auf die Schippe nehmen. "Perscheids Abgründe" nennt sich ein dazu erschienenes Buch, und eine Auswahl der Arbeiten taucht beständig in diversen Facebook-Gruppen auf. So auch in diesen Tagen. Global macht gerade eine Karikatur die Runde, auf der die Stadt Fulda erwähnt wird.


Kurz zum Inhalt: Sitzt ein Mann auf der heimischen Wohnzimmercouch und sieht fern. Ein Nachrichtensprecher teilt lakonisch mit: "... starben 3 Hausbewohner in FULDA, nachdem ihre Smart Home sämtliche Fenster und Türen verriegelt und anschließend die Heizung auf 70 Grad hochgeregelt hat." - Neben dem Mann steht ein Smart Home-Lautsprecher, der leise "Hi Hi Hi!" vor sich hin gluckst.  

Martin Perscheid kann man nun leider nicht mehr fragen, warum er ausgerechnet auf FULDA gekommen ist. Es hätten - beispielsweise - doch auch Erkenschwick, Castrop-Rauxel, Bautzen oder Brunsbüttel sein können. Aber nein, einmal mehr muss die Barockstadt herhalten, und dies ist kein Einzelfall. Wie ein Sich-Erinnern beweist.

Da gab es zunächst einmal den  - ebenfalls mit viel Humor gesegneten - Reporter Sammy Drechsel, Mitbegründer der Münchner Lach- und Schießgesellschaft, der vor vielen Jahren den Satz prägte: "In FULDA wohnen die dümmsten Deutschen!" Warum der Autor des Buches "11 Freunde müsst Ihr sein" diese Meinung vertrat, ist mir nicht mehr geläufig. Es könnte damit zusammenhängen, dass es damals Auftrittsverbote gegen diverse Künstler gab. Unter anderem gegen "Die Ärzte" wegen angeblicher anstößiger Texte. Lange her.

Aus jüngerer Vergangenheit stammt der Slogan, wonach FULDA die "deprimierendste Stadt Deutschlands" sei. Aufgetaucht ist er in einem Werbefilm des Autoverleihers "Sixt", in 2001 produziert von der Hamburger Werbeagentur Jung von Matt. Dem Werk soll ein zutiefst negatives (privates) Erlebnis eines Agentur-Mitarbeiters zugrunde liegen, das dieser in Fulda gehabt haben soll.

Zu sehen jedenfalls sind triste, von Schneematsch durchtränkte Straßenzüge, betrunken herum torkelnde  beziehungsweise dumpf vor sich hin starrende Menschen. Dazu das erwähnte Zitat. Das Ganze hatte einen breiten Aufschrei quer durch alle politischen und gesellschaftlichen Schichten zur Folge.  Der damalige Oberbürgermeister Dr. Alois Rhiel beschwerte sich bei Erich Sixt, dem Chef und Gründer des Autovermieters. Dessen Reaktion: Man glaube zwar nicht, dass der Spot Fuldas Image schade, werde ihn aber dennoch absetzen. Als Wiedergutmachung gab es einen neuen TV-Spot, der einmal (!) ausgestrahlt wurde. Text: "Fulda. Deutschlands schönste Stadt - mit E-Sixt kommen Touristen günstig hin ..."

Getreu dem Motto "Auch schlechte Werbung kann gute Werbung sein"  profitierte die Stadt aber durchaus von dem Depri-Filmchen. Denn viele Presseleute kamen nach Fulda, um ihre Leser, Hörer und Zuschauer vom Gegenteil zu überzeugen.  Dass FULDA nämlich alles andere als hässlich oder deprimierend, sondern im Gegenteil von barocker Schönheit ist und gerade zur Sommerszeit südländisches Flair ausstrahlt. (Bertram Lenz) +++

X