Vortrag auf Point Alpha
Springsteen 1988 in Ost-Berlin: Mit dem "Boss" kam der Geist der Freiheit
Fotos: Point Alpha-Stiftung
21.07.2023 / RASDORF/GEISA -
"Born in the USA" schallt aus den Boxen und Dietmar Schultke "rockt" die rund 100 Besucher in der Gedenkstätte Point Alpha mit seinem kurzweiligen Vortrag. Der 56-Jährige aus dem Spreewald erzählt von seinen Erlebnissen und Gefühlen beim größten Rockkonzert, das die DDR je erlebt hat, seiner Sehnsucht nach dem "American way of life", aber auch von der "Zwangsjacke DDR", die er als Jugendlicher und Grenzsoldat bei der NVA zu erdulden hatte.
Zusammengefasst hat der Autor seine Erinnerungen in dem Buch "Keiner kommt durch". Denn exakt 35 Jahre ist es her, dass der US-amerikanische Sänger Bruce Springsteen sich bereit erklärt hatte, mit der E Street Band am 19. Juli 1988 für die Jugend der DDR in Ost-Berlin zu spielen.
"Badlands" (Ödland) zum Einstieg auf der FDJ-Bühne – wer hätte das für möglich gehalten? Wollte das SED-Regime mit diesem Konzert etwa Glasnost und Perestroika à la Gorbatschow zelebrieren? "Natürlich wollte der Regierungsapparat ein Gegengewicht zu den Trends aus dem Westen setzen, mehr Offenheit vorgaukeln, die junge Generation beruhigen und beschwichtigen", sagt der Politikwissenschaftler: "Aber damit haben die sich ganz schön verkalkuliert und so erst den Geist der Freiheit ins Land gelassen."
"Die schönsten vier Stunden meines Lebens"
Die Masse jubelte, genoss die fetzigen Melodien und stillte für einen Moment ihren Hunger nach Lebensfreude. "Es war unvergleichlich, wunderbar, der Beat, der Rhythmus", kommt Schultke im Haus auf der Grenze ins Schwärmen, "es waren die vier schönsten Stunden meines Lebens."Dabei war der Alltag für ihn alles andere als ein Zuckerschlecken. Als 19-jähriger traf er sich mit seiner Brieffreundin in Ungarn. Er zog eine Flucht ins US-Konsulat in Erwägung, verwarf die Idee aber wieder. Drei Monate später erhielt Schultke die Einberufung zur Armee. Er verweigerte seine Unterschrift im Dienstpass, berichtete vom militärischen Drill, vom Umgang mit dem Schießbefehl und Schikanen innerhalb der Truppe, aber auch von Kameradschaft, der engen Beziehung zu den Hunden, mit denen er entlang des Grenzzauns am Brocken patrouillierte sowie dem umfassenden Spitzelsystem in den eigenen Reihen. "Eigentlich wollte ich nur noch raus, aber das war unmöglich. Als Grenzsoldat habe ich letztendlich sogar meine eigene Gefangenschaft selbst bewacht", stellt er rückblickend fest.
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